„Dieser Löw, der kann was!“
Am Wochenende waren wir zu einem guten Freund eingeladen, am Bodensee, dort, wo die Welt noch in Ordnung ist. Ich kenne ihn seit fast 30 Jahren, und er ist ein knorriger, streitbarer Konservativer, der einen beeindruckenden Lebenslauf sein eigen nennt. Am Samstag Abend, beim Sommerfest in seinem Garten, hat er mich wieder einmal überrascht. Obwohl er sich für Fußball und Europameisterschaft – vorsichtig formuliert – nicht sonderlich interessiert, stimmte er ein Loblied auf Joachim Löw an, den Bundestrainer. Das sei ein Mann, der von seinem Fachgebiet wirklich etwas verstehe. Keiner, der nur „rumschwätzt“, sondern einer, bei dem jeder Satz einen Inhalt habe, der es wert sei, gehört zu werden.
Nun ist Jogi Löw ein Idol der Popkultur, die mein Freund – 75 Jahre alt und topfit – nicht sonderlich schätzt. Auch die Massenereignisse namens „Public Viewing“ (schon dieser Begriff erzeugt bei knorrigen Konservativen das Grauen – kann man das nicht wenigstens „Öffentliches Zugucken“ nennen?) werden ihm missfallen. Und die Freiburger „Mädles“ mit Bauchnabelpiercing, die im Bundestrainer wegen seiner taillierten blauen Pullis eine Mode-Ikone sehen, entsprechen wohl nicht dem Ideal-Bild, das sich mein Freund von jungen Frauen in Deutschland macht. Aber dieser Löw, „der kann was“. Womit bewiesen wäre, dass auch Konservative in der modernen Welt nicht nur meckern, sondern starke Leistungen durchaus anerkennen.
Lieber Herr Kelle, sind es nicht gerade die Konservativen, die persönliche Leistunge anerkennen?
Ich habe diese Neigung, immer Anekdoten zu erzählen, aber ich hoffe, damit gesellschaftliche Konfliktlinien aufzuzeigen. Heute also: mein Patenkind, 9 Jahre alt. Er geht in Hamburg zur Schule. Neulich lag er abends im Bett und hatte „keinen Bock“ auf Schule. Seine Mutter, meine sehr liebe Freundin, wollte ihn beruhigen: „Aber morgen macht Ihr doch erst mal Euer schönes Theaterstück… singt ein bisschen… das ist doch gar nicht schlimm!“
Der kleine Blondschopf kam aus dem Bett hoch und versetzte: „Ja, und dann ist wieder eine Woche rum, und ich habe immer noch nicht richtig rechnen gelernt!!!“
So geschehen, authentisch überliefert.
Jeder kann was. Was kann der Löw? Er und sein Stab sind so etwas wie ein Spiegelbild „modernen“ Managements. Soft, Gleichmacherei, entscheidungsträge, ängstlich, beeinflussbar, vom Mainstream geprägt, politisch korrekt, auf ein von vielen Beratern getragen, auf von Software optimiertes „System“ vertrauend, Gleichgesinnte um sich scharend, Kritiker ausgrenzend (RESPECT), keine Kritik vertragend, spitzenmäßig überbezahlt, über die 80% nur dann hinauskommend, wenn Akteure auf dem Platz das Ruder an sich reißen und sich über das Bierhoff-Geschwafel hinwegsetzen. Der gute Jogi Löw ist mit verletzten (kranken) Spielern zur EM gereist, statt sich junge Heißblütler mit Biss zu nehmen. Einige Verletzte standen erst am Ende zu Verfügung, zuererst mit der Hand und dann neben sich.
Im Nachhinein zählen die Medien-Experten junge torgierige Spieler auf, die in bestechender Form eine gute Saison spielten, mit Biss und Drang zum Tor. Stattdessen wurde links und rechts quer gespielt, es wurde dominiert, schön anzusehen, aber leider der Ball nicht vor’s gegnerische Tor gebracht. Man spielte gern zurück aufs eigene Tor, bis dann dort ein Franzose stand und den letzten Stoß gab. Und dann im Rückstand den sympathischen Götze bringt, der auch nur quer spielt, statt solche jungen, unberechenbaren Wilden, was ist daran mutig, was ist daran qualifiziert. Was also nun kann der Löw? – Im Unterschied zu Italien kann Deutschland eben nicht das Spielsystem während eines Turniers ändern! Es gibt keine WM oder EM, in der Deutschland mit Systemwechseln gewann. Immer dann flogen sie raus. Zur letzten WM ließ man eine erfolgreiche Truppe ihr System bis zum Ende spielen – und siehe da, der Titel wurde gewonnen. Und jetzt zur EM wieder dasselbe Dilemma, Rückfall, aus Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Ist es das, was der Löw kann? – Ich weiß eines ganz sicher: Mit diesem Löw-Stab, mit den Leuten um ihn herum, wird die nächste WM eine Enttäuschung werden. Wenn Löw etwas wirklich gut kann, dann sollte er jetzt zürücktreten und mit ihm gerne alle jene, die zu dieser Management-Kultur beigetragen haben.
Spieler bzw. Mitarbeiter, Manager bzw. Trainer, die wirklich etwas reißen, die Verantwortung und Entscheidungen an sich reißen, die Lösungen erwirken, die praktisch erfolgreich sind und für alle anderen zum Nutzen und zur Freude agieren, diese sind in Deutschland offenbar nicht mehr gern gesehen. Einzelspieler, die sich einen Ball schnappen und ins Tor bringen, auf die sich ein Team verlassen kann, die werden als nicht teamfähig ausgegrenzt und das mit RESPECT, wie ich abendlich im EM-Videoclip lese. Ohne so einen Typen wie Ronaldo wäre Portugal schon längst nach Hause gefahren. Doch die sind jetzt im Endspiel und Deutschland schaut zu. Die Wahrheit ist eben doch auf dem Platz.
Was ich wirklich sehr sonderbar finde ist, dass man unmittelbar nach der Niederlage Italiens gegen Deutschland einen italientischen Schiedsrichter für das nächste deutsche Spiel einteilt! Hätte es nicht einer aus Norwegen, Niederlande, Russland oder Türkei sein können? Kein Wunder, denn der Chef-Schiedsrichter, der das entscheidet, ist der Herr Colina, ein Italiener.
Bemerkenswert ist auch, dass von der französischen Mannschaft niemand gesperrt war. Sie konnte vollzählig immer in voller Stärke und eingespielter Weise antreten. Alle anderen Teams dieser EM hatten Ausfälle durch Verletzungen und Sperren, nur die Franzosen eben nicht.
Richtig was können tut nur der, welcher damit Erfolg hat.
Aus meiner Sicht hat Herr Lerche völlig Recht.
Ich verstehe nicht, wie man mit so vielen Verletzten und dann fit-Gespritzten, völlig überspielten „Leistungsträgern“ anreisen kann und nur diesen vertraut!??
Die Sache mit den Schiedsrichtern sehe ich allerdings anders. Das ist halt so und nie gerecht ( kann auch nicht, solange Menschen spielen und Menschen pfeifen). In der Bundesliga ärgert sich unsere gesamte Familie über die gehäufte Bevorzugung der Bayern .
Dieses ganze Brimborium mit schwarzen Bussen und Hubschraubern um „La Mannschaft“
macht die Sache für mich nicht überzeugender.