Einfach völlig frei denken

Als Journalist habe ich mir schon vor 30 Jahren angewöhnt, auch Medien zu lesen, die mir inhaltlich nicht behagen. So gehörte in meinem ersten Berliner Gastspiel neben Welt, BILD und BZ unbedingt die linksextreme taz zur morgendlichen Lektüre dazu. Die hatten und haben eine ganz andere Agenda als unsereins, aber sie waren unkonventionell und frech. Das mag ich, und es half mir, die Welt und unsere Gesellschaft besser zu verstehen, als wenn man sich nur in der eigenen Wohlfühl-Blase suhlt, wie das heutzutage weit verbreitet ist.

Mit den freien Medien unserer Zeit ist viel Bewegung in den drögen deutschen Einheitsbrei gekommen. Ob sie dagegen heute die einst wirtschaftsorientierte und klar konservativce Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) lesen oder den linksliberalen Tagesspiegel ist im Grunde so egal, als ob sie ARD- oder RTL-Nachrichten anschauen. Alles die gleiche Einheitsbrühe.

Heute morgen habe ich mal in die rechtsintellektuelle „Sezession“ reingeschaut, sonst alles andere als meine Lieblingslektüre. Der Chef da, Götz  Kubitschek, ist ein kluger Kopf, der eine ganz andere Vorstellung davon hat, wie es mit Deutschland weitergehen soll. 180 Grad zu meiner Vision für Deutschland. Aber Kubitschek ist spannend, weil er denkt. Über den Tellerrand hinaus für seine Sache. Heute morgen ging es um den „Fall Krah“ und den Umgang der AfD mit ihrem EU-Spitzenkandidaten. Das war nicht überraschend, aber es war aus seiner Sicht klug entwickelt, was die AfD falsch gemacht hat und wie es mit Krah jetzt weitergehen könnte.

Das ist jetzt nicht mein Thema, sollen sie bei der AfD machen, wie sie wollen.

Aber spontan dachte ich:

Wer denkt eigentlich für die Bürgerlichen?

Wer schaut über den Tellerrand hinaus?

Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, die Hanns-Seidel-Stiftung in Bayern?

Alles Parteianhängsel, alles Apparatschiks, die die Order aus ihren Parteizentralen vollstrecken. Ich weiß noch, wie ätzend es war, als die KAS unter Merkel von einer wirklich intelligenten Denkfabrik auf Kurs gebracht und mit der Parteizentrale gleichgeschaltet wurde. Plötzlich waren explizit konservative Referenten – wie auch ich – nicht mehr dabei, stattdessen stellte man grünwoke Abteilungsleiter_*Innen ein, die nie Parteiarbeit kennengelernt hatten aber schon mal für evangelische Landeskirchen tätig waren. Na wunderbar.

Das System der Denkfabrik gefällt mir

Aber es wäre effektiver und nützlicher, wenn da auch tatsächlich frei gedacht werden dürfte. Ohne Denkverbote, ohne Schablonen im Kopf. Einfach denken. Nicht Rhetorikkurse für Nachwuchskarrieristen, nicht Broschüren zur Untermauerung des von der Partei gewünschten  Ergebnisses. Kaffeekanne und Mineralwasser auf den Tisch, und dann frei reden, alles sagen dürfen.

Die Bürgerlichen in Deutschland haben sowas nicht. Und das ist schlecht. Da muss was passieren. Und zwar vollkommen unabhängig von Parteistrukturen, denn sonst wird es nichts. Das Problem wird dabei sein wie immer: Sowas kostet Geld. Und der Bürgerliche bucht lieber seinen Familienurlaub auf Norderney, als in die Zukunft zu investieren.

Übrigens…

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Dieser Artikel wurde 15 mal kommentiert

  1. Bystander Antworten

    > Der Chef da, Jörg Kubitschek

    Ja, der Jörg (übrigens nicht mehr der Chef), den sollte man auch einmal lesen. Nur die Sache mit seinem schwer merkbaren Vornamen…

  2. witter. helmut Antworten

    Die AfD hat in Sachen Krah alles falsch gemacht. Ein hochintelligenter Mann mit klaren christlichen Inhalten. Ihn zu schützen statt kalt zu stellen waräre richtig gewesen. So hat man dem linken Zeitgeist nachgegeben und hat im Moment einen klugen Kopf weniger.

    • Klaus Kelle Antworten

      Der Hauptfehler war, Krah überhaupt zum Spitzenkandidaten zu machen. Da steht man ganz anders im Focus als wenn man auf dem sicheren Platz 4 kandidiert

  3. Lupo A Antworten

    Die Welt ist klein. Den dazu passenden Text habe gerade anderswo geschrieben:

    Ich bin ja nun mal Ingenieur. Das macht mich nicht zu einem besseren oder klügeren Menschen, aber zu einem Menschen mit einen speziellen Hintergrund an Erfahrungen. Die würde ich gerade mal schildern.

    Von irgend etwas muss der Mensch ja leben, also habe ich neben dem Studium schon als Konstrukteur und technischer Zeichner an einem Lehrstuhl meiner Uni gearbeitet. Prüfstände, Messgeräte, Dinge eben die für den Lehrbetrieb und die Promovierungen der Assistenten gebraucht und tatsächlich auch gebaut wurden.

    Eines Tages war also ein großer Tag: Die Endmontage einer damals ganz neuen Elektromotorenbauart, die ich zwar nicht entwickelt habe, das war Teil einer Doktorarbeit, aber ausdetailliert und konstruiert habe. Die Montage war ungewöhnlich heikel – wenn irgend etwas nicht geklappt hätte, hätte man es kein zweites Mal versuchen können. Das Ding wäre kaputt gewesen und alle Augen hätten sich auf mich gerichtet. Drei Monate Arbeit der Werkstatt für die Katz, die Doktorarbeit auf Eis oder geplatzt, mein guter Ruf flöten usw. Weil ich irgend eine Passung falsch ausgelegt habe, mich bei irgend einer Bemaßung vermessen oder verschrieben habe oder irgend so einem Scheiß.

    Es hat alles geklappt. Es war einer jener Freudenmomente, die einem nur ein solcher Beruf bescheren kann. Aber ich werde das Gefühlsgebräu auch nicht vergessen, dass mich in den Momenten vorher bewegte. Wie dankbar wäre ich in diesem Moment gewesen, wenn irgend jemandem zuvor der Fehler, den ich vielleicht die ganze Zeit nur übersehen hatte, gefunden und mich darauf aufmerksam gemacht hätte, als man ihn noch korrigieren konnte.

    Nein, wenn es wirklich um etwas geht, ist derjenige, der nach Fehlern sucht, der hinterfragt, es sich nochmal erklären lässt, nicht Dein Gegner, sondern Dein Freund. Und ich bin wirklich entsetzt, mit welcher großkotzigen Überheblichkeit die Politik vollendete Tatsachen schafft, und jeden Zweifel und jeden Zweifler verunglimpft. Mir ist diese Denke total fremd. Sie kann nur von Leuten kommen, die noch niemals etwas geschaffen haben, für das gebenenfalls auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Leute, für die es nur wichtig ist, sich selbst durchzusetzen und nicht, was sie damit anrichten. Jeder Handwerker würde einen besseren Job machen. Nicht, weil er es besser kann, sondern weil er die bessere Arbeitsweise hat und es gewohnt ist, an den Ergebnissen seiner Arbeit gemessen zu werden.

  4. Martin Ludwig Antworten

    Herr Kelle, Sie wissen doch, dass in diesm Land Haltung vor Fakten gilt. Das betrifft zwischenzeitig quasi alle Lebensbereiche und hat auch das Leistungsprinzip gänzlich abgelöst. Karriere macht, wer Haltung beweist – Vernichtet wird, wer Leistungsträger ist und mit Fakten gegen die Haltung argumentiert. Die Hexenverbrennung im Mittelalter war ein Witz dagegen, da wir zu dieser Zeit wenigstens so gnädig waren, die zu unrecht Beschuldigten ein für alle Mal von ihrem Leid zu erlösen. Heutzutage genügt ein Foto von einem Abendessen mit einer „unliebsamen Person“ um Leben, Karriere und Beziehungen zu zerstören.
    Auch das Gerede von einer „Brandmauer“ zeigt deutlich, dass Denkfabrik nur möglich ist, wenn niemand mit „falschem Gedankengut“ am Tisch sitzt. Das gilt im Übrigen auch für die von Ihnen zuletzt so gelobte „Werteunion“ und deren Premiumpartner CDU.

    Für „Totschlagargumente“ bei argumentativ überlegenen Gegnern aus dem „falschen Lager“ gibts dann die geliebten Schlagwörter des „richtigen Lagers“:
    – Whataboutism
    – Nazi
    – Populismus
    – Rechtsextrem
    – Undemokratisch
    – Demokratiefeindlich
    – Menschenverachtend
    – Klimaleugner
    – Coronaleugner
    – Putinfreund
    – Querdenker
    – Reichsbürger
    – Impfgegner
    – Sexismus
    – etc.

    Dieses Land ist intellektuell am Ende. Die Meinungsfreiheit ist unter der Leitung einer ehemaligen FDJ beauftragten für Agitation und Propaganda zu Grabe getragen worden und der Marsch durch die Institutionen weitestgehend abgeschlossen.
    Beim Fliegen würde man sagen: Wir haben den „PSR“ (Point of safe return) bereits vor langer Zeit überflogen. Es geht geradewegs richtung Verderben und die Piloten schwenken lieber LGBTQ-Fahnen und sprechen von Passagier:_*innen anstatt das Ruder herumzureisen während die Maschine mit Vollgas dem Unglück entgegen steuert.
    Der Aufschlag kommt.

  5. Andreas aus E. Antworten

    „Kaffeekanne und Mineralwasser auf den Tisch, und dann frei reden“ – guter Ansatz, aber ich würde noch Wein, Bier und Klaren nicht vernachlässigen. Das ist dann natürlich „Stammtisch“, aber erfahrungsgemäß fällt die freie Rede mit etwas Umdrehung leichter, denn leider ist die Stimmung selbst unter guten Bekannten mit unter – vorsichtig formuliert – etwas gedrückt, wenn es politisch wird.

    • H.-J. Pöschl Antworten

      Wer kann sich noch an Werner Höfers „Internationaler Frühschoppen“ erinnern?
      Wenn ich ihn sonntags als Kind zusammen mit meinem Vater sah, habe ich zwar nichts verstanden und trotzdem war ich davon fasziniert. Heute verstehe ich auch vieles in dieser Sendung nicht, bin aber ebensowenig fasziniert.
      Da ziehe ich mir den oft abfällig belächelten Stammtisch vor, wo es keine „Brandmauer“ gibt und jeder seine eigene Meinung aussprechen kann. (vorausgesetzt, am Nachbartisch sitzt kein „Hinweisgeber“)

  6. H.K. Antworten

    „Einfach frei denken“ – und dann auch noch „völlig frei“ ??

    Ein guter Gedanke ! ( Auch „Gedanke“ kommt wohl irgendwie von „Denken“ ).

    Leider setzt dieser Vorschlag voraus, daß ÜBERHAUPT „gedacht“ wird.

    Und das scheint mir nicht immer wirklich gegeben.

    Wer gestern die Bundestagsdebatte zum Thema „Leistungen für Asylbewerber“ und später dann „Sozialleistungsmißbrauch“ verfolgt hat, konnte, nein: MUSSTE den Eindruck gewinnen, daß da so manche/r Abgeordnet*/-/:/_/•/In bei seiner/ ihrer Rede nicht so recht wußte, zu welchem Thema er/ sie/ es denn sprach.

    In dieser Deutlichkeit leider inzwischen vermehrt zu beobachten.

    Und wenn heute zu lesen ist

    „Neuer Knallhart-Plan der Union

    Ausreisepflichtige Straftäter sollen in den Knast !“

    ( Quelle: Bild, 13.06.2024, 09:48 )

    so fragt man ( frau auch ) sich schon, ja, WAS DENN SONST ???

    Laufen diese Leute tatsächlich bisher FREI auf unseren Straßen herum ???

    „Merz will ausreisepflichtige Straftäter in den Knast stecken“ ist da zu lesen.

    Was Frau Merkel dazu meint, wird leider nicht berichtet. Aber die Dame hat sich ja schon 2015 zu ihrem Vorgehen „nichts gedacht“.

    Dazu, daß mittlerweile verstärkt Artikel wie – auch heute – zu lesen sind, wie man(n) sich denn „im Fall eines Messerangriffs verhalten“ solle

    „Jeden Tag 25 Attacken mit Stichwaffen

    Kann ich mich vor einem Messer-Angriff schützen ?“

    ( Quelle: Bild, 13.06.2024, 07:49 )

    macht sich auch kam jemand „Gedanken“. Wenn, dann gibt es zumindest z.T., wie in Mannheim, ein „Gedenken“.

    Stattdessen beschäftigt sich der Bundestag lieber – wie gestern – mit dem „Aktionsplan sexuelle Vielfalt“.

    Dieses Land ist so GAGA, GAGA-er geht gar nicht …

    • Achim Koester Antworten

      @H.K.
      Kennen Sie das deutsche Volks lied „Die Gedanken sind frei“?
      Noch scheint es so zu sein, aber meine vor wenigen Wochen hier veröffentlichte Bearbeitung des Textes passt wohl besser.
      Übrigens, wenn ich mir unsere Politiker, einschließlich des „Feine-Sahne-Fischfilet“-Fans so anschaue, hat Gedenken nichts mit Gedanken zu tun

      • H.K. Antworten

        So langsam scheint die „Grünen-Dämmerung“ einzusetzen.

        Sicher bin ich aber keineswegs …

  7. Stefferl Antworten

    Geld für die Finanzierung solcher Think Tanks ist absolut genug da. Nicht umsonst bekommen die Parteien ja viele Millionen Euro Steuergeld für ihre Stiftungen …….. ok. nicht alle bekommen das Geld. Aber vielleicht zumindest rückwirkend. Da ist also genug Kapital vorhanden. Nur leider ist den Parteien so etwas nichts wert. Sie wissen ja schon wo sie hinwollen: ins rot-grün-tiefrote Nirwana.

  8. gerd Antworten

    Etwas Satire? Eat this:

    „Die Medien, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2024. Dies sind die Geschichten des Flagschiffs Tagesschau, das mit seiner 300 Mann starken Besatzung, seit 70 Jahren unterwegs ist, um neue Menschen zu erschaffen, neues Denken und neue Welten. Viele Lichtjahre von der Wahrheit entfernt, dringt die Tagesschau in Welten vor, die nie ein Mensch für möglich hielt.“
    Netzfund

  9. H.K. Antworten

    „Einfach völlig frei denken !“

    Offenbar liest das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hier mit:

    Wie gerade von der „Zeitung mit den vier Buchstaben“ ( vin wem auch sonst ?! ) gemeldet wird, MUSS die Stadt Essen „denen da“ die Grugahalle für ihren Parteitag in zwei Wochen DOCH zur Verfügung stellen !

    Guten MORGEN, Herr OB Kufen !

    🤣🤣🤣🤣

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