„Etat ist, was er braucht, Redaktionsschluss ist, wenn er fertig ist“ – zum Tod des BILD-Kolumnisten Franz-Josef Wagner

Er bezeichnete sich selbst als den „Gossen-Goethe“ und war 25 Jahre lang beinahe täglich in der „Paris Bar“ an der Berliner Kantstraße, nur ein paar Schritte entfernt vom berühmten Bahnhof Zoo und der Gedächtniskirche.

Franz-Josef Wagner ist tot, und das ist ein schwerer Verlust für die Journalistenzunft.

Der BILD-Kolumnist und Kettenraucher war ein Urgestein des deutschen Journalismus, war Chefredakteur der „Bunte“, entwickelte die deutsche Ausgabe des Modemagazins „Elle“ und der „Superillu“.

Ende der 90er Jahre übernahm Wagner die Chefredaktion der „BZ“, wo er so legendär wurde, dass Mitarbeiter anonym eine Hassseite ins  Internet stellten, die seine vermeintlichen Verfehlungen veröffentlichten: „Etat ist, was er braucht, Redaktionsschluss ist, wenn er fertig ist.“

Unsterblich aber wurde der 1943 im heutigen Tschechien geborene Journalist durch die BILD-Kolumne „Post von Wagner“, in der er sich täglich an Zeitgenossen abarbeitete, die er genüßlich hervorhob oder in den Abgrund schrieb. Dabei bewies er eine solche Arroganz und Lässigkeit, die man sich nur erlauben kann, wenn man als Journalist alles schon erlebt und gesehen hat.

Wenn nur die Hälfte der Geschichten stimmt, die man in Berlin auf den Springer-Fluren über FJW seit Jahren raunt, dann hatte er die nötige Souveränität allemal, um als wichtigster Kolumnist der Republik für ein Millionenpublikum zu schreiben.

„Der Kolumnist Franz Josef Wagner ist im Alter von 82 Jahren im Berliner Franziskus-Krankenhaus gestorben“, teilte der Springer Verlag heute mit. Und weiter: „Mit ihm verliert Axel Springer einen seiner kreativsten Köpfe und einen einzigartigen Schreiber. Er war der Poet von BILD, das letzte Genie des Boulevards.“

Seinen letzten Brief im September widmete Wagner dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und schrieb über „den vielleicht schwersten Kriegsverbrecher in unserer Zeit“.

Wagner weiter:

„Es ist unerträglich, wie normal er ist. Eher klein, erhöhte Schuhsohlen, Botox-Behandlungen im Gesicht. Das Böse an den Bösen ist, dass sie glauben, recht zu haben. (…) Putin geht es gut, Frühstück, alles normal. Ein Mörder lacht uns aus“.

Das waren Wagners letzte veröffentlichten Worte.

image_pdfimage_print

Dieser Artikel wurde 9 mal kommentiert

  1. GJ Antworten

    Möge er in Frieden ruhen. Ich muß zugeben, seinen Namen noch nie gehört , sein Gesicht noch nie gesehen und von ihm noch nie etwas gelesen zu haben. Das mag daran liegen, daß ich in meinem bisherigen Leben erst einmal eine Bild-Zeitung gekauft habe, aus persönlichem Anlaß, Ende der 80er. Und online lese ich diese Zeitung auch nicht, da dies mein Werbeblocker nicht zuläßt. H.K. wird ihn sicher kennen, als treuer Leser der 4- Buchstaben-Zeitung.

    • H.K. Antworten

      Selbstverständlich „kenne“ ich „Post von Wagner“.

      Allerdings bin ich nicht wirklich ein „treuer Leser“.

      Wenn Sie es nicht weitersagen:

      Das Ganze war vor Jahren eher ein Zufall.

      Mein Handy-Provider hatte mich wiederholt geärgert. Das geht bei mir zweimal.
      Beim dritten Mal ist das Thema erledigt.

      Also war ich auf der Suche nach einem neuen „Mobilfunkbetreiber“, und da stolperte ich zufällig über ein wirklich gutes Angebot:

      Eine Allnet-Flat mit unbegrenzten Telefon- und SMS-Einheiten, mit allem Drum und Dran, INCL. einem Online-Abo der „Zeitung mit den vier Buchstaben“ – für ganz € 4,99 pro Monat.

      Günstiger ging es auch damals schon nicht. Viele Handy-Tarife waren allein schon deutlich teurer.
      Und da die Zeitung „die mit den Toten sprach“, nun mal das größte Boulevard-Blatt Deutschlands, ja Europas ist und dazu dort Vieles berichtet wird, was woanders unter den Tisch fällt, bin ich dort geblieben.

      Aber:

      Nicht weitersagen !

      😉

  2. S v B Antworten

    De mortuis nihil nisi bene, ja, eigentlich. – Dennoch, ich habe etliche der kurzen Wagnerschen Post-Artikel gelesen und mich dabei allzu oft kopfschüttelnd gefragt, warum Bild diese tagtäglich unter „Post von Wagner“ veröffentlichte. Aber vielleicht hatte ich ja auch nur das Pech einer besonders unglücklichen Auswahl. Als journalistische Sternminuten habe ich die Lektüre der Wagnerschen Mini-Werke jedenfalls nie wahrgenommen. Allerdings entzieht es sich meiner Kenntnis, ob Herr Wagner vielleicht früher ein besserer Journalist gewesen ist als in späteren Lebensjahren. Könnte ja sein. Den günstigsten Zeitpunkt für seinen beruflichen Absprung zu erhaschen, gelingt eben nicht jedem.

    • H.K. Antworten

      Ja, mir ging es ähnlich.

      Bei Artikeln, überschrieben z.B. „Liebe Ukraine“ fragte zumindest ich mich schon, wer denn da der ( tatsächlich lesende ) Adressat sein könnte.

      Aber mir war bis heute ( nein, inzwischen: gestern ) nicht bekannt, daß der Mann bereits 82 war.

      Anders ging es mir eigentlich immer mit den Texten von Louis Hagen, der mittlerweile auch 78 Jahre alt ist, aber – für mich – immer nicht nur einfühlsam, sondern deutlich zum Nachdenken anregend schreibt.

      Wenn man ihn anschreibt, bekommt man übrigens auch eine ( sehr nette ) Antwort.

    • Klaus Kelle Antworten

      Liebe @S v B,

      mal war es top, mal eher belanglos. Viele Jahre habe ich es täglich gelesen – wie „Zippert zappt“ bei der „Welt“, irgendwann ist es ausgenudelt. Als BZ-Chef fand ich Wagner klasse, der hat Titel-Schlagzeilen gemacht – das war vom allerfeinsten.

      Möge er in Frieden ruhen! Ein Vollblutjournalist war er auf jeden Fall.

      Klaus

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert