Ich bin wirklich froh, dass ich dieses Mal nicht wählen darf
Seit meinem 18. Geburtstag habe ich in Deutschland keine Wahl verpasst. Als junger Mann, politisch selbst engagiert, ging ich manchmal schon kurz nach acht in der Früh ins Wahllokal, damit „unsere“ schon gleich in Führung liegen. Heute, fast 40 Jahre weiter, habe ich keinen einzigen Wahltag verpasst. Meistens habe ich CDU gewählt, einmal – als ich zufällig zwei Jahre in Bayern wohnte – CSU, mehrfach FDP und einmal als Protestwahl eine christliche Kleinpartei. Ach ja, und einmal wählte ich mit der Erststimme einen Direktkandidaten der SPD, weil sein Kontrahent so ein unglaublicher Depp war, dass ich es einfach nicht übers Herz bringen konnte, diesen Kandidaten anzukreuzen
Und nicht nur das, auch bei Wahlen in mit Deutschland befreundeten Ländern hatte ich immer eine klare Vorstellung davon, wen ich wählen würde. Als er das erste Mal mit seiner Forza Italia antrat, hätte ich Berlusconin gewählt. In Frankreich zuletzt Sarkozy und vor vier Jahren in den USA ohne zu zögern oder auch nur länger als fünf Sekunden darüber nachzudenken, Mitt Romney. Ja, ich hätte gern oft auch in anderen Ländern gewählt, wenn ich gedurft hätte. Bei der anstehenden Präsidentenwahl in den USA ist das nicht so. Ich bin froh dankbar, dass ich zwischen diesen beiden Herrschaften, die jenseits des Atlantiks für das Amt der mächtigsten Menschen auf dem Erdball antreten, nicht entscheiden muss. Ich habe mir so viele Wahlveranstaltungen von Donald Trump im Fernsehen und Internet angeschaut, so viele Pöbeleien, so viele Beleidigungen – sogar die Mutter eines Irakkriegs-Veteranen machte er auf großer Bühne lächerlich, ein absolutes No-Go für einen Konservativen. Der Gedanke, dass dieser Mann im Januar die Codes für tausende Atomraketen überreicht bekommt, erzeugt bei mir eine langanhaltende Gänsehaut. Würde ich deshalb Hillary Clinton wählen? Ums Verrecken nicht, wie man in meiner Heimat sagt. Ich halte sie außenpolitisch allerdings für deutlich fähiger als Trump, nicht nur weil sie weiß, dass Belgien keine Stadt, sondern ein Land ist. Sie würde nicht vor Putin und seiner aggressiven Politik gegenüber dem Westen und damit auch Deutschland zu Kreuze kriechen. Sie würde auch keine „Roten Linien“ verkünden und bei Überschreiten der anderen Seite nichts tun, wie diese Präsidenten-Darsteller, der – Gott sei Dank – nur noch wenige Wochen im Oval Office residiert. Sie würde den Job beherrschen, sie weiß, wie das große politische Spiel gespielt werden muss. Punkt für Clinton – und leider neben ihrem Ehemann der einzige. Hillary steht für die Massentötung ungeborener Kinder rund um den Globus. Sie steht für Korruptionsaffären, private e-Mails in Staatsangelegenheiten und sie war wichtiger Teil der Administration, die es 2012 trotz eindringlicher Warnungen vorher nicht fertig brachte, US-Botschafter Christopher Stevens in Benghazi for einem tödlichen Angriff zu beschützen. Hätte Clinton angeordnet, von der Botschaft in Tripolis nur die vier Spezialgenten zu entsenden, die Monate vorher aus Kostengründen in Bengasi eingespart wurden – Stevens könnte noch leben.
Ob sie persönlich versagt hat, kann ich nicht beurteilen. Aber die Chefin ist für den Schutz ihrer Leute zuständig. Sie steht in der Verantwortung. Ich habe gestern Nacht die Debatte von Trump und Clinton gesehen. Der Republikaner hatte eine starke erste Viertelstunden, die Demokratin wirkte auf mich, dass sie das Amt der Präsidentin der Vereinigten Staaten kann. Ich glaube, sie wird gewinnen, nach vergangener Nacht umso mehr. Auch wenn ich sie niemals wählen würde…. muss ich ja aber auch nicht.
Ein wahrhaft wohltuender Artikel im heutigen journalistischen Meer der Hillary-Feierlichkeiten.
Es ist wohl so, der Ami hat diesmal die Wahl zwischen Not und Elend. Leider werden wir die Folgen dieser Wahl mittragen müssen.
Ja, wahrhaftig eine Wahl „between the frying pan and the fire“, wie man im Englischen sagen würde. Ich wundere mich allerdings sehr, dass es in einem Land mit fast 300 Millionen Einwohnern – unter denen es eigentlich eine unüberschaubare Zahl von klugen, vernünftigen Menschen geben müsste, welche durchaus auch das passive Wahlrecht besitzen – ausgerechnet zu einer solch, ähm, eigenartigen Pärchen-Konstallation von Kandidaten für das höchste Amt im Staate kommen musste. Da frage ich mich nun wirklich allen Ernstes, was in diesem Land schief läuft. Ansonsten schließe ich mich Herrn Kelle mit einem Seufzer der Erleichterung an; schließlich bleibt auch mir diese Wahl erspart.
Respekt für diese kluge Analyse, führt direkt zu Frage, welches ist die “ richtigen“ Form des Wählens?
Bezüglich Ihrer Frage nach der „richtigen Form des Wählens“ weise ich darauf hin, dass es absolut nicht in meiner Absicht lag, das US-amerikanische Wahlsystem als solches in Frage zu stellen. Ob sie die „richtige Form des Wählens“ für sich entwickelt haben, darüber können und müssen die US-Bürger schließlich selbst befinden.
Wenn Sie meinen Kommentar richtig interpretiert hätten, wäre Ihnen allerdings klar geworden, dass ich lediglich gegenüber der jeweiligen Persönlichkeit der zur Wahl stehender Präsidentschaftskandidaten den einen oder anderen Vorbehalt hege. Dies geht mir selbstredend nicht zum ersten Male so; weder im Zusammenhang mit den US-Wahlen, noch mit Wahlen in anderen Teilen der Welt; inklusive Deutschland. Vielleicht bin ich einfach zu kritisch.
Ich kann mich den öffentlichen Lobhudeleien für Frau Clinton auch nicht ganz anschließen, würde sie jedoch, wenn ich dürfte, wählen, um das größere Übel, das Trump für mich bedeutet, zu verhindern. (Schöner Schachtelsatz ;-))
Hm.
Aber mit Blick auf Deutschland: Ich kenne einen Mann, der seit Jahrzehnten SPD-Mitglied ist und nun in Berlin die Grünen gewählt hat. Eine Bekannte wählte stets grün, kündigte nun aber an, bei der nächsten Bundestagswahl die gute Frau Merkel unterstützen zu wollen. Ich weiß noch immer nicht, wo ich mein Kreuzchen setzen soll. Insofern bin ich froh, dass ich auch in Deutschland im Moment nicht wählen muss bzw. darf.
PS: Liebe SvB, die Formulierung mit der „ähm, eigenartigen Pärchen-Konstellation“ ist Spitze und hat mich zum Lachen gebracht!
Liebe Tina Hansen, was kann es Schöneres geben, als einem Menschen nicht nur ein Lächeln, nein, sogar ein Lachen ins Gesicht zu zaubern? Prima. Ihnen noch einen in jeder Hinsicht erfreulichen Tag!
Trump bedeutet Krieg
Clinton bedeutet Krieg
Kommendes Jahr wird jeder denkende Wahlberechtigte hierzulande vor dem gleichen Problem stehen, weder ein akzeptabler Kanzlerkandidat noch eine passende Partei. Armes Deutschland!
Lieber Herr Backhaus
sollten Sie die zur Verfügung stehenden Parteien oder deren Kandidaten, nicht als wählenswert betrachten, haben Sie sich oder Ihre eigene Überzeugung, wenn Sie denn wollten, nicht als erstrebenswerte Alternative etabliert.
Denn es gibt sehr wohl eine Alternative, sie trägt ihren Namen sogar im Programm
Einmal mehr ein sehr schlüssiger Beitrag von Klaus – wie man ihn auf dieser immer wieder lesenswerten Seite auch kennt. Zur Donald- und Hillary-Show ist mittlerweile wohl alles gesagt. Eine ähnliche Relevanz für den Wahlausgang wie die Debatten Kennedy vs. Nixon und Carter vs. Ford wird sie wohl nicht haben.
Mit Blick auf die Vereinigten Staaten und insbesondere auf diesen Wahlkampf kommen mir die lange nicht mehr gehörten gesellschaftskritisch-ironischen Songs der Talking Heads in den Sinn, von „Don’t worry about the government“ („I see the states across this big nation/I see the laws made in Washington DC….) bis „Democratic circus“ („Found out this morning/there’s a circus coming to town/ they drive in cadillacs, using walkie-talkies and the secret service“).