„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“ Das hat der viel zu früh verstorbene (1995) Fernsehjournalist Hans Joachim Friedrichs einmal gesagt. Und er hat recht, auch wenn das gar nicht so einfach ist. Journalisten, selbst wenn das manche nicht glauben, sind auch Menschen! Ja.

Sie haben nicht nur ein Leben, sie haben auch politische Vorlieben. Und das ist grundsätzlich in Ordnung, wenn man bei der Berufsausübung ein gewisses Maß an Distanz hält.

Ich selbst lese seit meiner Studienzeit morgens als erstes immer die Tageszeitung „Die Welt“ aus dem Hause Springer. Sie hat sich über die Jahrzehnte mehrfach gehäutete, ist vom konservativen Flaggschiff des Verlages zu einem gut lesbaren bürgerlich-liberalen Blatt geworden, das auch Stimmen wie Henryk M. Broder und Birgit Kelle Raum für kluge Gedanken und starke Texte gibt.

Aber wie man auf keinen Fall im Sinne von HaJo Friedrichs Journalismus betreiben sollte, dazu bot gestern der „Welt“-Autor Frederic Schwilden ein Musterbeispiel, dessen Text in der „Welt“ ab sofort in der Journalistenausbildung Pflicht sein sollte – nämlich wie man es gerade nicht macht. Von einer Jubiläumsveranstaltung der SPD in Eisenach berichtet er auch über den Machtkampf in der SPD um eine neue Parteispitze, die die rasante Talfahrt der traditionsreichen Partei August Bebels, Willy Brandts und – was passt nicht in diese Reihe? – Thorsten Schäfer-Gümbels aufhalten soll. Die Festrede in Eisenach hält der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, der sich gemeinsam mit der Genossin Christina Kampmann um die Nachfolge der bedauernswerten Andrea Nahles an der Parteispitze bewirbt. Frau Kampmann war mir in NRW als Familienministerin zwischen 2015 und 2017 nicht sonderlich aufgefallen, jedenfalls nicht positiv. Erst vor wenigen Tagen las ich, dass die im ostwestfälischen Gütersloh geborene Kampmann Fan_*In von Arminia Bielefeld ist wie ich. Wäre ich Sozi, würde ich sie jetzt natürlich wählen. Aber bin ich ja nicht.

Doch zurück zum Kollegen Schwilden von der „Welt“. Der schreibt mit allen gebotenen Distanz folgendes in der gestrigen Ausgabe:

„Da steht ein junger, schöner, schwuler Mann. Er steht aufrecht da. So steht keiner da, der in der Vergangenheit lebt, so steht einer, der in die Zukunft gehen will.“

Und es wird noch besser:

„Roth könnte der Löwe sein, den die SPD so dringend braucht.“ Und weiter:

„Rauch und Dunst vom Bratwurstgrill ziehen von unten in den Saal nach oben. Roth kriegt langanhaltenden Applaus. Der goldene Löwe hat gebrüllt.“

Ist das nicht schön, so Journalisten, die eine gewisse Distanz halten zu den Politikern, über die sie schreiben?

 

image_pdfimage_print

Dieser Artikel wurde 12 mal kommentiert

  1. HK Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    die Zeiten ändern sich – das ZDF war auch mal konservativ ( ich denke da z.B. an das ZDF-Magazin mit Gerhard Löwenthal.

    DAS heute – welch ein Aufschrei ginge durch die Mainzer Zentrale, unter zeitgleichem Suizid von Herrn Kleber während des heute-Journals.

    Ironie beiseite:
    Die Medien hypen doch, wo es irgend geht und ob wir es merken oder nicht, die Grünen, alles, was schwul/ lesbisch/ divers/ gender-„gerecht“ ist.

    Die Gesellschaft ist krank – wer nicht tätowiert/ gepierct/ sonstwie „verhaltensoriginell“ ist, schon verdächtig, wahrscheinlich rechts.
    „Dschungelcamp“, „Big Brother“ oder sonstige derartige Qualitätssendungen sind ein weiteres Beispiel.

    Wer seine Kinder erzieht, ist wahrscheinlich auch rechtsradikal. „Sich ausleben“ ist der neue Normalzustand.
    Denken, vor allem NACHDENKEN, schon verdächtig. „Ja aber“ gehört schon in die braune Schmuddelecke.

    Demokratisch gewählte Mehrheiten stellen nicht den Regierungschef, sondern gemauschelte Hinterzimmermehrheiten.
    Siehe Europa, siehe Bremen.

    Die untergehende SPD zeigt ihr wahres Gesicht, nachdem vor ein paar Jahren Frau Lügilanti noch gehen mußte, weil sie über Rot-Rot nachdachte.

    Nun denkt selbst ein Daniel Günther über ein Bündnis mit der SED – äääh- PDS – äääh- Linken nach.
    Wahrscheinlich in Geschichte dauergefehlt.

    Ein „schöner, schwuler Mann“ – also wird‘s der Kevin …

    Ähem …

    • W. Lerche Antworten

      Gerhard Löwenthal hatte in alle Punkten Recht. Und die Wirklichkeit war viel schlimmer und brutaler, als er es darstellte. Man hatte ihm seinerzeit seine Sendung weggenommen. Bekam er sie wieder oder erfuhr er eine Entschuldigung?

  2. Christian K. Adleff Antworten

    Es ist einfach nur noch ekelhaft, was man in der ehemals seriösen und neutralen/sachlichen deutschen Presse liest oder hört.

    Irgendwie vieles nicht mehr ganz gesund.

  3. gerd Antworten

    „Rauch und Dunst vom Bratwurstgrill….“

    Liebe Genossen,
    noch nie etwas von Grillscham gehört? Feinstaub, schön verteilt beim langanhaltenden Applaus, findet sich auch in den Lungen von jungen, schönen und schwulen Männern.

  4. Wolfgang Heppelmann Antworten

    “Da steht ein junger, schöner, schwuler Mann. Er steht aufrecht da. So steht keiner da, der in der Vergangenheit lebt, so steht einer, der in die Zukunft gehen will.

    Donnerwetter, das hat gezogen. Im ersten Moment lief es mir kalt über den Rücken: Wenn man das „R“ in den Worten nur etwas kräftiger mitspräche und sich dabei die Rednertribüne beim Reichsparteitag in Nürnberg vorstellte, könnte man meinen, Göbbels redet gerade. -Ich werde mir vorsichtshalber den alte Volksempfänger vom Boden holen, das mit Deutscher Eiche furnierte, für alle Fälle, man möchte sich ja nicht verdächtig machen.

  5. Bernd Antworten

    Schön, einfach schön beobachtet.

    Hierzu passt: „Alle elf Minuten verliebt sich ein deutscher Journalist in Robert Habeck.“

  6. Bettina Antworten

    Wenn diese Journalisten schon keine Qualität mehr liefern können, so bringen sie sich wenigstens für den Claas Relotius Preis ins Spiel

  7. Wolfgang Heppelmann Antworten

    Hallo, alle zusammen,

    Der Schreiberlink Frederic Schwilden muß was überhört haben. In dem Text vermisse ich Worte wie „heldenhaft“ oder „fanatisch“ ! Wenn sich einer so versteigt, sollte er es denn auch gleich richtig tun ! -Komisch, wie ähnlich sich die extrem Linken und extrem Rechten sind. Man könnte sie beinahe verwechseln. Warum gründen die nicht eine neue Einheitspartei ?

  8. Wolfgang Heppelmann Antworten

    Lieber HK.

    Beim Lesen Ihres Satzes,

    „Nun denkt selbst ein Daniel Günther über ein Bündnis mit der SED – äääh- PDS – äääh- Linken nach“,

    wäre mir fast die Brille von der Nase gerutscht. Jetzt wird mir alles klar. 13. August, Mauerfall, Wiedervereinigung ! -SED=PDS=Linke= DDR, plus Daniel Günther= Bundesrepublik. So, wie manche älteren Ehepaare zu einem Hochzeitsjubileum ein zweites Mal heiraten, Planen SED und Günther offenbar zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung eine erneute Kopulation. Allerdings ohne die Störenfriede, die auf den Straßen von Leipzig, Ostberlin und überall in der „sogenannten DDR“ so laut herum krakehlt hatten, daß davon die Mauer eingestürzt war. Leider stand die damals noch nicht unter Denkmalschutz. Solche Randalierer sind auch in der Bundesrepublik nicht beliebt und würden das Jubelfest nur stören. Beliebter sind heute die Angepaßten Merkelbewunderer und rot-rot grün herbeisehner, die machen nicht solchen Lärm und sie beklatschen viel begeisterter die Ausdünstungen der hochmögenden (Polit)- ELITE. Diese glaubt immernoch, die DDR sei der Bundesrepublik beigereten. Dem ist meiner Erfahrung aber leider nicht so. Die DDR ist nur größer geworden. Die Einheitspartei regiert parziell auch schon wieder, Z.B. in Berlin und Bremen. Bisher glaubte ich, man ließe die Straßen und Häuser immer weiter verfallen, damit ich mich als DDR- Flüchtling hier wohlfühlen kann, denn ich kannte ja die DDR nur als Ruinenfeld, nach dem Motto, „Ruinen schaffen, ohne Waffen“. Aber es erscheint mir jetzt als logisch, daß zu einer erneuerten DDR auch wieder die vormaligen Ruinenlandschaften gehören, sonst wäre es keine echte Idylle. – Was für Aussichten. –
    Wenn das so weitergeht, werde ich wohl früher oder später erneut einen Ausreiseantrag sellen müssen, weil wieder eine Fremde Macht sich meiner neuen Heimat „bemächtigt“. Im Osten waren es die „Freunde“, oder wie Adenauer sagte, Sowjetrussland und die SED, Heute kann das die SED=PDS=Linke auch schon alleine, ohne den großen „Bruder“.

    Für Frieden und Sozialismus, seid bereit, immer bereit!

  9. Hildegard Dr. Königs-Albrecht Antworten

    Oje, ich bin sicher rassistisch und würde aus einer Partei ausgeschlossen, wenn ich denn in einer wäre… denn:
    Ich will nicht nur von Schwulen, Lesben, Kinderlosen, Gottlosen, Gender-Anhängern, narzistischen Gockeln und was es sonst noch so gibt regiert werden! Ich wünsche mir eine Regierung aus Menschen mit „anständigen“ Berufen, Lebenserfahrung, Familien und Kindern. Ist das so verwerflich?

  10. Rainer Möller Antworten

    Wenn Roth so viel sexuelle Attraktivität ausstrahlt, kann man doch verstehen, dass Schwilden dieser Attraktivität erlegen ist. Jeder Mensch – auch der Journalist – hat eine Grenze, ab der sein Gefühl ihn überwältigt und man keine Zurückhaltung mehr verlangen darf..

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert