Eine mehr als fragwürdige Aktion fand am Mittwoch in Bochum statt. Das Schauspielhaus und ein Speditionsunternehmer baten auf dem Hans-Schalla-Platz zu einem überaus grenzwertigen „Happening“. In eine LKW derselben Art, wie dem, in dem man jüngst in Österreich 71 tote Flüchtlinge entdeckte, stellten sich nun gestern 71 Menschen aus Bochum, um mal zu erleben, wie beengend es in so einem Transporter ist. Hunderte standen drumherum und schauten zu, Journalisten inklusive.

Er möchte „diesem Moment Raum geben“, sagte Chefdramaturg Olaf Kröck, und alle gruselten sich wie gewünscht, manche sollen geweint haben. es passiert viel in diesen Tagen, um Solidarität mit den Flüchtlingen zu zeigen, die es aus dem Nahen Osten bis nach Deutschland geschafft haben. Und uns alle verbindet wohl die Abscheu gegenüber den Schlepperbanden, die gewaltige Vermögen mit dem Leid anderer Menschen anhäufen, und denen Menschenleben vollkommen egal sind. Doch eine solche Aktion wie jetzt in Bochum ist in meinen Augen obszön und ekelhaft. Im Wohlstandsland Deutschland stellen sich Wohlstandsbürger in einen LKW – Tür auf – , um mal ein paar Augenblicke nachzuempfinden, wie das wohl sein muss, kurz bevor man elendig erstickt. Es ist einfach nur krank.

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Dieser Artikel wurde 9 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Es gab mal Zeiten, da genügte schon eine bloße Andeutung, damit einem Jeden der Schauer über den Rücken läuft. Angesichts von Reality shows etc. sind die Menschen völlig verblödet und abgestumpft, welche nicht mehr über genügend Vorstellungsvermögen verfügen.

    Man kann ja auch mal Schrottboote bis an die Kante mit Grusellustigen weit raus aufs Mittelmeer schicken, ein überfülltes Zeltlager wäre auch mal ein Event. Auch schön bei brütender Hitze: Kein Schatten, kein Wasser, kein Essen – Kurzurlaub nur 14 Tage! Mit Maschinenpistolengeknatter im Hintergrund. …

    Herr Kelle, der Wahnsinn greift weiter um sich.

  2. maryan m Antworten

    Echte Skurilität im Gruselkabinett des xtreme actions-Zeitalters.. ich verstehe den Sinn dahinter nicht.. selbst therapeut. Ansatz? Für was?

  3. Dieter Krüll Antworten

    Selbst Schauspielhäuser sind inzwischen auf Dschungelcamp Niveau gesunken.
    Armes Deutschland.

    Dieter Krüll, Neuss

  4. Hans Wolfgang Schumacher Antworten

    Auf den Punkt, Herr Kelle. Einfach nur krank.

    Übersättigte dekadente „Gutmenschen“ verschafften sich mit dieser Aktion einen kleinen Kick und können sich jetzt in ihrem Umfeld mit dieser „Aktion“ brüsten:

    „Hach, was haben wir doch wieder tapfer ( und schmerzfrei und ohne Kosten ) für das Gute gekämpft!“

    Widerlich.
    Was wohl echte Flüchtlinge, die einen solchen von ihren letzten Ersparnissen teuer bezahlten LKW – Transport überlebt haben, von diesem Happening halten?

  5. Uwe_aus_DO Antworten

    Angesichts dieses Kommentars und der heutigen Nachrichten lade ich ein zum Gutmenschen-Betroffenheits-Solidaritätsmarsch von Dortmund nach Frankfurt, entlang der A 45.

    Ernsthaft: Wenn diese Effekthascher diese Zeit doch genutzt hätten, Flüchtlingen vor Ort zu helfen….

  6. S v B Antworten

    Die Events, die Kicks, müssen wohl immer irrsinniger ausfallen, damit sich manch einer heute zutage überhaupt noch zu spüren vermag. Dies macht anscheinend vor nichts mehr halt, vor gar nichts, wie man sieht. Allerdings zeichnet sich diese Entwicklung schon seit längerem ab. Jeder, der auch nur mit einem Mindestmaß an Sensibilität ausgestattet ist, konnte den Lauf der Dinge sehr gut verfolgen. Der nach oben offene Skala der totalen Geschmacksverirrung hält zukünftig sicher noch weitere unliebsame Überraschungen für uns bereit. Einfach nur widerlich, das Ganze.

  7. Andreas Schneider Antworten

    In der Nachrüstungsdebatte der frühen 80er Jahre fiel in Bezug auf die damals heftig diskutierte Neutronenbombe der Satz „… Perversion des Denkens“.

    Heute kann man dagegen so pervers handeln (!), wie man möchte. Wenn DAS unser gesellschaftlicher Fortschritt dreier Jahrzehnte sein soll…

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