Der Jurist und Autor Heinrich Schmitz muss wohl gestern immer noch sauer gewesen sein, dass er am (Kar-)Freitagabend auch in diesem Jahr nicht öffentlich tanzen durfte. Und so hat er im Debattenmagazin „The European“ in einem Beitrag mal so richtig gegen das staatliche Tanzverbot abgeledert. Juristisch wie gewohnt bestens begründet und aus meiner Sicht insgesamt zustimmungsfähig. Allerdings fehlen ein paar Gedanken und vor allem eine klare Konsequenz aus dem Geschriebenen. Und weil Heinrich – den ich wirklich immer gern lese – diese paar Kleinigkeiten nicht erwähnt hat, erlaube ich mir auf diesem Weg eine Ergänzung.

Ja, es ist wahr: Genau genommen könnte der Staat das „Tanzverbot“ an stillen Feiertagen abschaffen. Was hindert Christen denn daran, so fragt der Autor, „wenn in den geschlossenen Räumen einer Kneipe Andersgläubige ein Fest feiern? Oder wenn andere in den schalldichten Räumen einer Diskothek abtanzen wollen?“ Die Antwort lautet: Nichts hindert uns. Insofern ist seine Schlussfolgerung auch konsequent. Warum sollen die, die nicht glauben können oder wollen, still sein, wenn (viele) andere Menschen trauern? Allerdings stellen sich aus meiner Sicht auch andere Fragen: Ist es wirklich zu viel verlangt, an ein bis drei Tagen im Jahr mal aufs „öffentliche Tanzen“ zu verzichten? Ich meine, so ein Jahr hat ja 365 Tage, da würde man doch bei ein wenig guten Willen vielleicht noch andere öffentliche Tanzmöglichkeiten finden können als ausgerechnet am Karfreitag? Ist das nicht im Grunde wieder so ein Popanz, den man aufbaut, um der Kirche eins auszuwischen? Sehr schön beschreibt Schmitz die fehlenden Grundkenntnisse beträchtlicher Teile unseres Kulturvolkes, die meinen, Ostern habe ursprünglich irgendwas mit Hasen und Eiern zu tun. Das führt mich dann direkt zum Kern.

Christliche Feiertage wurden einstmals nicht als Urlaubsverlängerung oder zum Grillen erdacht und geschaffen, sondern um den Gläubigen die Möglichkeit zu eröffnen, an den besonderen Hochfesten ausreichend freie Zeit zu haben, diese mit Würde und entsprechend den Traditionen ihres Glaubens zu feiern. Diese staatliche Garantie für Gläubige lässt sich als Privilegierung aus dem Grundgesetz-Artikel 4 begründen. Von mir aus kann man die Regeln für religiös Unmusikalische ändern. Wenn ich bete oder trauere, können andere meinetwegen in der Disco tanzen. Oder „Germany’s next Topmodel“ suchen. Oder sich in einer Kneipe vollaufen lassen. Oder was auch immer. Dies ist ein freies Land, der Staat sollte sich weitgehend raushalten aus dem Leben der Menschen. Das tut er zwar sonst auch nicht, aber wir könnten ja jetzt damit anfangen. Nur eins ist klar: Wenn wir das neu regeln, dann gilt auch der Grundsatz: Wer tanzen geht, der kann auch arbeiten. Warum sollen diejenigen, die christliche Feiertage nicht für Christliches nutzen wollen, an diesen Hochfesten frei haben? Wer Freitagsabends ins Saturday Night Fever startet, der soll Freitagmorgens ins Büro oder die Werkstatt gehen. Die Vorteile mitnehmen, aber nicht einmal bereit sein, an einem bis drei Tagen im Jahr wenigstens Rücksicht auf die Religionen zu nehmen, denen sie die zusätzliche freie Zeit verdanken, das ist dann wirklich nicht mehr logisch.

Man könnte sogar noch weitergehen. Das Weihnachtsgeld wird natürlich nicht von den Kirchen gezahlt, sondern von den (meisten) Arbeitgebern. Es wurde einst erfunden, um Arbeitnehmern mit einer zusätzlichen Gratifikation zu ermöglichen, am Fest der Geburt Jesu Christi mehr Geld in der Tasche zu haben, um diesen besonderen Tag auf ordentlichem Standard feiern zu können – mit Geschenken, mit Weihnachtsbraten oder was auch immer. Der Bezug ist klar, denn genau deshalb heißt es ja „Weihnachtsgeld“ und nicht „Skiurlaubsgeld“. Ich empfehle deshalb allen tapferen Kämpfern gegen christliche Dominanz und staatliche Bevormundung, zukünftig das Weihnachtsgeld zurückzuweisen. Schließlich wollt Ihr euch doch nicht etwa schnöde kaufen lassen, oder? Wenn das Christliche rein privat ist und Nichtgläubige sich nicht vom Staat zwingen lassen wollen, bei all diesen Anlässen mitzumachen – bitte sehr! Geht zu Eurem Arbeitgeber und zeigt, wie konsequent Ihr bei der Ablehnung all dessen seid.

Zwei Bemerkungen noch zum Text von Heinrich Schmitz. Er geht auch auf die anderen Religionsgemeinschaften in Deutschland ein und fragt, ob die nicht auch Anrecht auf eigene Feiertage haben? Gute Frage. Noch besser aber ist die daraus resultierende weitere Frage: Wenn Muslime und Juden in Deutschland gesetzliche Feiertage zusätzlich erhielten – wären die dann auch für alle Nichtgläubigen und für alle Christen in Deutschland wieder Freizeit? Und der zweite Punkt: Der Autor schreibt: „Wäre doch cool, wenn Juden, Christen und Muslime einen gemeinsamen Feiertag feiern könnten.“ Nein, lieber Heinrich, daran wäre nichts „cool“, finde ich. Oder, wie man bei den modernen Menschen so sagt: „Lasst bunte Blumen blühen!“ Da würde ich hinzufügen: Und fahrt nicht mit dem Rasenmäher drüber.

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Dieser Artikel wurde 14 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Bravo! So deutliche Worte gehören ins Fernsehen auf allen Kanälen. Dieses ignorante Herumgetrampel und Rosinenpickerei geht mir schon lange auf den Senkel.

  2. Uwe_aus_DO Antworten

    Jawohl, einfach genial. Warum ist da nicht schon früher jemand drauf gekommen? Oder ist dieser Gedanke so sehr gegen Mainstream und bürgerliche Bequemlichkeit gerichtet, dass sich bisher niemand getraut hat, das mal laut zu sagen?

    In diesem Sinne allen Lesern hier Frohe Ostern!

  3. Alexander Droste Antworten

    Dann müssten aber auch Oster- und Weihnachtsferien abgeschafft werden. Die machen dann auch keinen Sinn mehr.

    In einer Zeit der Beliebigkeit, des Hedonismus, Narzissmus und Kulturvergessenheit ist es mir nur recht, wenn wenigsten eine Ordnung im einstmals christlich geprägten Deutschland aufrecht erhalten wird, nämlich einer christlichen. Eine muslimische wäre mir zu dogmatisch und intolerant. Und es ist sicherlich auch nicht falsch, wenn man an christlichen Feiertagen den Gläubigen, Andersgläubigen und Ungläubigen die Gelegenheit einräumt, sich mit Vorstellungen einer freiheits- und friedliebenden Glaubensgemeinschaft auseinander zu setzen.

    Also schön ruhig bleiben und nicht „abzappeln“ am Karfreitag.

  4. sven behrens Antworten

    Gut geschrieben Klaus

    Wie hörte ich letztens in einer Diskussion zu dem Thema “ Diesen freien Tag haben wir uns erkämpft , warum soll ich arbeiten gehen ? “

    Das war die Antwort auf meinen Hinweis das man wohl arbeiten könnte wenn man mit dem Christentum nicht mehr am Hut hat als die freien Tage .

    Nun ja , erkämpft haben dürfte diesen Tag wohl Jesus am Kreuz , wenn man schon so spitzfindig sein möchte.
    Erkämpft wurde von diesen Leuten eher nichts, nicht einmal der 1.Mai den die Gewerkschaften sich gerne auf die Fahnen schreiben und der letztenendes im Dritten Reich eingeführt wurde .

    Noch so ein Punkt. Das Dritte Reich lehnt man natürlich zu Recht ab , den Feiertag nimmt man gerne mit und da schließt sich der Kreis …

  5. Gisbert Britz Antworten

    Gero Jenner nennt das Dekadenz, wenn der Staat auf Nebengebieten (Feiertagsregelung) dem Bürger Narrenfreiheit einräumt, dafür aber bei den Hauptgebieten (Außenpolitik, Finanzen, Bundeswehr) die Zügel umso straffer anzieht.
    Mir als Rentner ist das wurscht.

  6. Markus Ritter Antworten

    Ich kann in dem Artikel nichts geniales entdecken. Die Grundthese, dass diejenigen, die den Feiertag nicht begehen dann auch arbeiten gehen können, ist jetzt weder besonders neu, noch besonders genial. Die habe ich schon vor 20 Jahren so oder so ähnlich gehört.
    Und von mir aus könnte man es mit den jetzt gesetzlichen Feiertagen gerne so halten, wie man es mit den jetzt kirchlichen tut. Der Gläubige kann an diesen Tagen unbezahlten oder bezahlten Urlaub nehmen, alle anderen gehen ganz normal arbeiten. So wie das ein Katholik an Allerheiligen in Hessen machen kann, oder an Fronleichnam in Mecklenburg-Vorpommern. Das freut die Arbeitgeber sicher und ähnlich wie mit dem Buß- und Bettag kann man damit vermutlich die nächsten 5 Steigerungen der Pflegeversicherung abdecken.

    Allerheiligen ist in Baden-Württemberg ein stiller Feiertag mit Tanzverbot. In Rheinland-Pfalz ist es ein ganz gewöhnlicher Tag. Stört es die Mannheimer Gläubigen eigentlich, wenn sie wissen, dass am 1. November frühmorgens in Ludwigshafen Menschen tanzen, oder reicht da der Rhein als natürliche Trauergrenze aus?

    Auf meiner Gehaltsabrechnung steht im Übrigen nicht Weihnachtsgeld, sondern tarifliche Sonderzahlung. Ich hoffe, dass das die gläubigen Nicht-Gewerkschaftsmitglieder nicht in allzu große Gewissensnöte stürzt. Wobei die die Gehaltserhöhungen ja auch immer mitnehmen, scheint also nicht allzu schlimm zu sein, an den „Errungenschaften“ anderer teilzuhaben, ohne was dafür getan zu haben.

    Wenn mir nur irgendjemand sagen könnte, was ihn denn wirklich daran stört, könnte man ja diskutieren. Aber ich sehe nirgends echte Gründe. Natürlich muss ich am 31. Oktober nicht in eine Disco gehen, aber ich muss auf Autobahnen auch nicht schneller als 120 km/h fahren, oder nach 22.00 Uhr in Baden-Württemberg Alkohol kaufen.

    Wieviele bekehrt man denn, wenn man das Tanzverbot aufrecht erhält? Wer sagt sich „statt in die Disco geh ich morgen früh in die Kirche“? Vermutlich niemand. Und wer trauert besser, wenn er weiß, dass es zu dem Zeitpunkt keine öffentliche Tanzveranstaltung gibt (private sind ja zum Glück erlaubt)? Vermutlich auch niemand.

  7. Felix Becker Antworten

    Muss man den, der unbedingt auch am Karfreitag und ein paar anderen Tagen tanzen will und dies juristisch gut begründet, wirklich ernst nehmen?

  8. Verena v. Buch Antworten

    Ich habe vor Jahren in einem evangelischen Landstrich als Katholikin in einem jüdischen Büro gearbeitet. Das war genial. Jeder hat die Kirchlichen Feiertage der anderen respektiert. Ihr Artikel, Herr Kelle, spricht mir wieder einmal aus der Seele.

  9. Müller-Langguth Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle, beim Herumschmökern in Ihren Freitagsnachrichten der letzten Wochen stiess ich – glücklicherweise – auf den bislang von mir übersehenen Beitrag zu den kulturell bedingten, staatlich anerkannten Feiertagen. Großartig – weshalb lässt dieser Ihr Gedanke sich nicht unüberhörbar verbreiten ?!
    mit besten Grüssen

  10. Klaus Kelle Antworten

    Ich arbeite dran, lieber Herr Müller-Langguth. Helfen Sie mit und verbreiten Sie den Text weiter. Das gute alte Schneeballsystem funktioniert noch immer.

    Beste Grüße, Klaus Kelle

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