Wie tolerant und „bunt“ wollen wir denn sein?

Die Zeitung „Jüdisches Berlin“ der Jüdischen Gemeinde in der Hauptstadt wird neuerdings nur noch in neutralen Umschlägen verschickt, damit für Außenstehende Juden nicht mehr erkennbar sind. Gleichzeitig werden jüdische Gläubige aus Sicherheitsgründen davor gewarnt, in der Öffentlichkeit die Kippa tragen. Man könne ja eine Basecap darüber aufsetzen. Aktueller Grund für all‘ das sind die Anschläge von Paris und Kopenhagen, bei denen gezielt Juden ermordet wurden, aber auch eine zunehmend feindliche Stimmung in einigen Stadtteilen Berlins. Bezirken mit hohem Anteil an Muslimen, um es deutlich auszusprechen. Immer wieder sind in den vergangenen Monaten Menschen jüdischen Glaubens in der Öffentlichkeit beleidigt, bedroht und sogar angegriffen worden.
Vor zwei Jahren sorgte der Fall eines Rabbiners wenigstens für etwas Aufsehen, der von vier arabischstämmigen „Jugendlichen“ vor den Augen seiner siebenjährigen Tochter zusammengeschlagen wurde. Einer der Schläger sagte zu dem keinen Mädchen: „Ich bring‘ Dich um.“ So etwas passiert heutzutage in Deutschland, und jeder der es wissen will, kann es wissen. Wo ist der „Aufschrei“ der vielbesungenen „Zivilgesellschaft“? Wo sind die Politiker, die Gewerkschaften und Kirchen, die sich unübersehbar und kompromisslos schützend vor die Juden in Deutschland stellen? Wer schaltet im Kölner Dom angesichts solcher Taten mal das Licht aus? Es ist ein gutmenschliches Versagen epochalen Ausmaßes, was wir derzeit erleben. Und ich empfinde das so, ohne dafür auf die Nazi-Herrschaft Bezug nehmen zu müssen.
Wir wollen ein freies, tolerantes und „buntes“ Land sein. Fein, aber dann kann es nicht sein, dass gesellschaftliche Gruppen daraus ausgeschlossen oder wegen ihrer Überzeugungen oder ihres Glaubens beleidigt, bedroht und sogar angegriffen werden, ohne dass es eine massive Reaktion des Staates und der Gesellschaft gibt. Gläubige Juden haben ihren Platz in einer freien Gesellschaft, gläubige Muslime und Christen auch. Flüchtlinge verdienen gesellschaftliche Solidarität, ebenso wie Alte, Kranke und Behinderte. Kinder brauchen ganz besonders unseren Schutz. Kommunisten und Anarchisten haben das Recht, zu demonstrieren für oder gegen was sie wollen. Pegida hat dieses Recht auch. Und der Christopher Street Day. Eine „bunte Gesellschaft“ muss für alle offen sein, die sich friedfertig und gesetzestreu verhalten, weil die Gesellschaft sonst weder „bunt“ noch tolerant ist. Das sage ich auch ausdrücklich an die Adresse derjenigen Medien und Stichwortgeber, die neuerdings bemüht sind, Menschen zu gefährlichen Rechtsextremisten zu erklären, weil sie ihr Elternrecht wahrnehmen und ihre Kinder vor ideologischen Zugriffen der Gender-Industrie in den Schulen Baden-Württembergs und Niedersachsens schützen wollen. Eltern-Demonstrationen, die wegen der irrationalen Hetze ihrer Gegner – leider medial breit transportiert – inzwischen regelmäßig von einem Großaufgebot der Polizei geschützt werden müssen. Der politische Meinungskampf und der Kampf gegen Lebensmodelle, Traditionen und Gläubige ist im modernen, „bunten“ Deutschland längst keine Sache von Worten und Argumenten mehr.

image_pdfimage_print

Dieser Artikel wurde 10 mal kommentiert

  1. Helga Haverkamp Antworten

    Die Nachricht, Juden sollen sich in der Öffentlichkeit nicht zu erkennen geben, entsetzt mich. Auf welchem Weg sind wir denn?

    • Huneke Lutz Antworten

      Ihr Artikel trifft, wie immer, auf den Punkt. Die Gutmenschen sind sowohl auf dem linken Auge, wie auch dem Auge des Islam blind!

  2. heribert joppich Antworten

    geht es noch schlimmer!? Was sind wir eigentlich für ein Volk? Wie mimmer wird aus der Geschichte nicht gelernt.

  3. Fritz - Ulrich Hein Antworten

    Schuld an dieser Entwicklung haben aber seit Jahrzehnten Politiker, din in den Gemeinden (Städte, Stadtteile usw.) Siedlungspolitik betreiben und nicht darauf achten, dass eine gesunde Durchmischung von Mietern in den Häusern, Straßenzügen und Stadtteilen stattfindet. Die Ghettoisierung ist Wurzel des Übels.

  4. Alexander Droste Antworten

    Ein Gärtner ist ein Philosoph und ich bin Gärtner. Daher fallen mir nachfolgende Gedanken zu.

    Seit dem ich denken kann, steht am Jüdischen Altenheim täglich ein Wachposten der Polizei. Früher habe ich mich darüber gewundert. Wohnen hier wichtige Staatsbeamte? Nein, es werden einfache Leute wie du und ich vor Attentaten geschützt. Hä, wieso? Aha!

    Ich finde es beschämend, dass Juden immer noch angefeindet werden, nur weil sie Juden sind. Ich kenne eigentlich nur warmherzige und lustige Juden. Für mich sind sie liebenswert. Es mag auch garstige geben. Na und? Normal! Diese Leute hier haben wenig mit der Politik Israels zu tun, auf die man vielleicht ärgerlich sein kann.

    Aber sind denn die Anfeindungen allgemeines gesellschaftliches Phänomen Deutschlands oder sind es Randgruppen, Rechtsextreme oder Ultras der Muselmanen, die ihren Hass ausleben? Werden Gewalttäter nicht von der Justiz verfolgt wie alle Verbrecher? Sind diese Gewalttäter besonders gefährlich, zahlreich, oder gar gesellschaftlich akzeptiert oder sind sie einfach „nur“ Verbrecher?

    Wenn einer Signale setzt wie eine Kippa, ein Kopftuch oder einen Irokesenschnitt, so will er etwas demonstrieren: Ich bin anders als ihr. Ich bin einer von denen, die etwas besonderes wollen (oder sind?). Das kann man so oder so meinen und auch empfinden. Für mich ist dann Offenheit die beste Begegnung damit: Welche Bedeutung hat dein Signal? Wie echt ist dein Anliegen?

    So fällt mir z.B. zur Burka vieles ein, was ich völlig unverständlich oder zumindest übertrieben finde und bei deutschen Konvertitinnen habe ich in diesem Zusammenhang nur Eitelkeit und Egozentrik ausmachen können.

    Ich bin für Vielfalt, denn darauf entsteht immer etwas Fruchtbares. Ich bin für Interesse am Anderen, weil jeder etwas vom Andern lernen kann. Ich bin aber auch für Ordnung und gegen Wildwuchs. Jedes hat seinen Platz, damit es das Sosein des Anderen nicht einschränkt. Da fängt der Begriff Freiheit an: Die Zurücknahme von Egoismus und Eitelkeit.

  5. Felix Becker Antworten

    Ich erinnere mich noch daran, dass 68er es als „gegen die Menschenrechte verstoßend“ brandmarkte z.B. Kenntnisse der deutschen Sprache zu verlangen. Auch wurde ein Abfragen über Kenntnisse unseres Grundgesetzes als „albern“ bezeichnet. Wer gar von deutscher Leitkultur sprach, wurde dumm (um es zurückhaltend zu formulieren) bezeichnet.
    Nun lernen wir das Ergebnis solchen Denkens kennen!

  6. Johannes Fritz Antworten

    Ein „gutmenschliches Versagen epochalen Ausmaßes“.. wortgewaltig, Lob von mir.
    „[A]uf die Nazi-Herrschaft Bezug“ nehmen? Warum eigentlich nicht?
    Sieht man sich z.B. an, dass die versch. Behörden und Ämter relevante Akten zum Fall Adolf Eichmann immer noch [!] unter Verschluss halten, wundert mich das wenig, dass gewisse Import- und auch Eigenanbaujudenhasser gelegentlich nicht die volle Härte des Gesetzes spüren, zurückhaltend gesagt.
    Sind ja außerdem nur Ausdruck von wahlweise Israelkritik, Gesellschaftskritik, Verzweiflung wg. Arbeitslosigkeit, oder so halt.

  7. Attila Varga Antworten

    Es ist immer erhellend, wenn die hauptberuflichen Anhänger von Toleranz und Buntheit, die immer wieder Hass, Hassverbrechen und Hassdelikte beweinen, bei jeder abweichenden Meinung, bei jeden Zweifel an ihren Theorien augenblicklich Gift und Galle geifern. Ist dies nicht Hass? Oder ist nur die Angst, seinen gut bezahlten Lehrstuhl, seinen Futternapf in der PC-Industrie zu verlieren?

  8. kay kastning Antworten

    Aufgrund unserer historischen Schuld sind wir besonders dem Schutz der Juden verpflichtet, egal ob in Deutschland oder sonstwo.
    Aber: Historische Schuld haben auch andere Nationen, kein Wort, nirgendwo, wie Indianer in den USA nachwievor diskriminiert werden, oder Aboriginies in Australien. Die Liste liesse sich unendlich fortsetzen…

    Die Freiheit auch gegen Extreme zu verteidigen, das hat unsere Nation noch nicht gelernt, schließlich haben wir seit der Kaiserzeit ein paar Jahre Weimarer Republik praktizieren dürfen, mit bekanntem Ende.
    Die einzigen Deutschen, die ihre Freiheit erstritten haben, sind die Ost-Deutschen. Uns Wessis wurde sie verordnet.
    Und der dt. Michel krakeelt an Stammtischen, oder schreibt in Blogs.
    Wir müssen noch sehr viel über Demokratie lernen, vor allem, diese zu verteidigen…

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert