Was muss ein Staat tun? Und was nicht?

Es kommt in diesen Zeiten nicht häufig vor, dass Regierende etwas entscheiden und dafür in der Bevölkerung breite Zustimmung ernten. Der aktuelle Beschluss der Bundesregierung, die EU-Nichtraucherschutz-Richtlinie umzusetzen, wird dazugehören. Vom Frühjahr 2016 an werden auf Zigarettenschachteln neben den bekannten Warnhinweisen auch sogenannte „Schockfotos“ aufgedruckt. Bilder von faulenden Raucherbeinen oder krebsbefallenen Lungen sollen mindestens zwei Drittel der Schachteln bedecken, so wurde entschieden. Und die Grünen, die sich seit Gründung darum bemühen, Drogen aller Art – auch solche, die man rauchen kann – zu legalisieren, sind ebenfalls begeistert vom neuen Beschluss, wenngleich – das ist halt Oppositionsgeschäft – alles natürlich wieder viel zu spät kommt.

Bevor ich weiterschreibe, lassen Sie mich eins klarstellen: Nichtrauchen ist definitiv gesünder als Rauchen. Niemand zweifelt daran, dass Beschlüsse wie der mit den Schockbildern oder ein Werbeverbot fürs Rauchen von der Politik gut gemeint sind. Ich frage mich allerdings, ob der Einsatz unserer Regierung, den Menschen das Rauchen auszutreiben, tatsächlich zu ihren Aufgaben gehört. Ein Gesetz, das untersagt, in öffentlichen Räumlichkeiten zu rauchen, macht Sinn. Man will Nichtraucher und besonders Kinder davor schützen, Nikotindämpfe ungewollt einatmen zu müssen. Das gilt auch für Busse, Bahnen, Flugzeuge oder Restaurants. Alles nachvollziehbar und akzeptable Staatsaufgabe. Und natürlich kann ein Gesundheitsminister auch Broschüren verteilen lassen, in denen die schädliche Wirkung des Nikotingenusses deutlich gemacht wird. Aber haben sie ein Mandat dafür, Menschen mit derart drastischen Maßnahmen unter Druck zu setzen, ihre Lebensgewohnheiten zu verändern? Wenn jemand Rücksicht auf andere Menschen nimmt, aber für sich privat entscheidet, rauchen zu wollen – was geht das den Staat an? Nichtraucher schützen – klar! Aber warum maßt sich die Politik an, Menschen etwas komplett austreiben zu wollen, was immerhin rund ein Viertel der Erwachsenen tun und tun wollen?

Ich weiß genau, was mir jetzt einige schreiben werden, nämlich: Herr Kelle, wissen sie eigentlich was unser Gesundheitssystem jedes Jahr für die Behandlung von Raucherkrankheiten an Milliardenbeträgen aufwenden muss? Und ja, das weiß ich. Und dann frage ich Sie zurück: Wissen Sie denn, wieviele Milliarden die Solidargemeinschaft jedes Jahr aufwendet, um die Folgen des Alkoholmissbrauchs zu therapieren? Drucken wir Fotos von Säuferlebern auf Bierflaschen? Tausende Mitbürger verletzen sich alljährlich beim Wintersport. Drucken wir Fotos von zerbrochenen Schlüsselbeinen und Löchern im Schädel auf Skier und Snowboards? Wie viele tödliche Unfälle passieren im Straßenverkehr? Lässt unsere Regierung, lässt die EU, Fotos von Blutlachen auf Motorradtanks anbringen? Die Krankenkassen finanzieren auch alljährlich etwa 100.000 Abtreibungen aus unseren Beiträgen, ohne dass an Kliniktüren Fotos angebracht werden, die zeigen, was bei so einem Abbruch wirklich gemacht wird. Nein, tut mir leid, aber das Argument mit den Belastungen für das Gesundheitssystem zieht nicht, denn sonst wäre konsequent, auch in all den hier beschriebenen Fällen aktiv zu werden.

Nochmal: Ich werbe hier nicht für das Rauchen. Ich sage meinen Kindern immer wieder, dass sie es bloß nicht anfangen sollen. Mir geht es um die Frage: Was ist in einer freien Gesellschaft Aufgabe der Politik? Gehört es dazu, Leuten etwas madig zu machen, was sie tun wollen? Und wo endet das? Die grüne Idee, in staatseigenen Kantinen einen „Veggie Day“ einzuführen, wurde ja dankenswerter Weise schnell begraben. Vorerst. Aber was ist das für ein Denken? Wir, die Politik, wissen, was gut für euch ist, was ihr tun und lassen dürft. Denn das ist auch klar: Ein Gemüseteller ist gesünder als Currywurst mit Pommes Majo. Aber nochmal: Wenn ich genau diese Currywurst essen möchte – was geht das meine Regierung an?

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Dieser Artikel wurde 15 mal kommentiert

  1. Joachim Sina Antworten

    Das Argument mit der Kostenbelastung fürs Gesundheitssystem scheint mir ohnehin nicht glaubhaft. Den allergrößten Teil der Kosten verursachen die Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen im Alter. Raucher sterben jedoch früher. Insofern….

  2. Papsttreuer Antworten

    Man kann auch umgekehrt fragen: Was sind die vornehmsten Aufgaben eines Staates? Vermutlich nicht die schlechteste Antwort wäre wohl: Die Sicherstellung der Freiheit der Bürger durch äußere und innere Sicherheit! Vielleicht (!) noch das Auffangen unschuldig in Not geratener Menschen.

    Und, schafft das unser Staat derzeit? Stichworte No-Go-Areas im Inland, kaum einsatzfähiges Bundeswehrmaterial …? Stattdessen kümmert man sich natürlich lieber um Rauchverbote und Mülltrennung, das ist ja auch einfacher. Was muss ein Staat tun? Eigentlich nicht viel, aber das anständig!

  3. Dorothea Hohner Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    danke wieder für einen großartigen Artikel, sie haben genau meine Ansicht dargelegt…..Das Zauberwort heißt „Nuging“, und kommt, na woher wohl? Richtig, aus Amerika….Amerika sch…. uns zu, viele aber in diesem Land wollen das nicht.
    Ich wünsche Ihne frohe Weihnachten und ein gutes, neues Jahr. Bleiben Sie uns erhalten, mit alen Ihren vernünftigen Anschauungen, und bleiben Sie gesund,

    mit freundlichen Grüßen
    Dorothea Hohner

  4. Felix Becker Antworten

    Mit den Kosten für das Gesundheitssystem ist es so eine Sache. Was ist z.B. mit zu viel Zucker, zu wenig Bewegung (mit einem Verbot des hyperluxuriösen „Standbys“ an Fernsehgeräten würde man z.B. erreichen, dass „die Bevölkerung“ sich etwas mehr bewegt und man würde laut meinen Infos gleichzeitig 2 Großkraftwerke einsparen = Gesundheitsvorsorge und Umweltschutz). Ich denke, man sollte diese Diskussion lassen. Ich frage und suche aber die Logik, die hinter drastischem Warnen vor Rauchen und dem vehementen Eintritt für Drogenfreigabe steht?

  5. Wolfgang Antworten

    Hallo Herr Kelle

    Der Nichtraucherschutz im Sinne des passiven Mitrauchens ist in der Politik genau besehen gar nicht das Problem gewesen. Das eigentliche Problem war: Die Raucher setzen die Feuerwarnsysteme außer Kraft. Jahre bevor die Rauchmelder auch für Privathaushalte bindend wurden hatte die Industrie diese schon in vielen Betrieben im Einsatz und ich habe selbst mitbekommen, was dann für Dinge passieren. Irgendwann geht die Putzfrau, die mehr als 5 Jahre den Dienst getan hat in Rente und eine neue kommt. Und tags drauf geht während der Mittagspause der Feueralarm los. Was war passiert? Ganz einfach: Die Raucher hatten die Rauchmelder mit Zigarettenstummel verstopft und unbrauchbar gemacht. Die konnten mehr als 5 Jahre ungestört an ihrem Lieblingsplatz rauchen. Und die neue Putzfrau hatte davon nicht gewusst und die elend verdreckten Melder einfach mal gereinigt.

    Man hatte die Sache untersucht und konnte bestätigen, dass dies ein allgemeines Verhalten der Raucher ist. Die Raucher sabotieren Feuerwarnsysteme um in Ruhe rauchen zu können. Die Folge war dann die gesetzliche Regel, die wir aktuell kennen.

    Darüber hinaus würde ich mal nach „in bett geraucht brand“ https://www.google.de/search?q=im+bett+geraucht+brand&ie=utf-8&oe=utf-8&gws_rd=cr&ei=9udzVr_0N4SqsQG63p2QCw googlen. Die Geschichten dort sind sehr aufschlussreich.

    Herzliche Grüße
    Wolfgang

  6. Andreas Schneider Antworten

    Der Betreiber „meiner“ Kneipe hat diese etwa ein halbes Jahre nach Einführung des „Endlich rauchfrei!“ dicht gemacht. Auch ich als Nichtraucher habe mich unter den wenigen, aber recht verkniffen durchs Leben schreitenden Zeitgenossen nicht mehr wohl fühlen können. Meine Entscheidung, dort nicht mer hinzugehen, ebenso, wie mich zuvor unter Raucher begeben zu haben.

    Bei diesem Thema bewegt mich jedoch etwas sehr Persönliches. Mein 9 Jahre jüngerer Bruder war starker Raucher. Seit geraumer Zeit hatte er schon über eine gewisse Kurzatmigkeit geklagt. Am 3. Oktober 2004 kippte er nach einem Fußballspiel tot von der Bank im Umkleideraum der örtlichen Sportanlage.

    Die Obduktion ergab einen angeborenen Herzfehler, der auch seine Beschwerden begründete. Aber niemand hatte zuvor so etwas im Blick. Wie sein gesamtes Umfeld (auch der Hausarzt) war er selbst auf ein „erst mal mit Rauchen aufhören“ fixiert, was bekanntermaßen nicht so einfach ist.

    Gewiss kein Standardfall. Aber ich werde wohl mein Leben lang den Gedanken nicht mehr los werden, dass er ohne die allgemeine Stigmatisierung des Rauchens noch leben und seine Tochter heranwachsen sehen könnte.

    Hätten „Schockbilder“ etwas geändert?

  7. heribert joppich Antworten

    Rauchen und Zuckerverzehr usw. sind zwei total unterschiedliche Sachverhalte. Wenn ich Rauche und bin mit mehreren Menschen zusammen, schade ich deren Gesundheit in erheblichen Umfang. Wenn ich Zucker oder andere gesundheitsschädliche Utensilien zu mir nehme, schade ich nicht der Gesundheit anderer sondern nur meiner Gesundheit. Der Konsum sonstiger Drogen ist ein anderes Thema und bedarf ein anderen und intensiveren Betrachtung.

  8. Verena v. Buch Antworten

    Ich bin seit meiner 1. SCHWANGERSCHAFT vor 41 Jahren Nichtraucher
    Es geht mir auch seitdem besser
    Aber ich bin ganz auf Ihrer Seite und wuerde nie einen Raucher von
    mir aus auf den Balkon schicken.
    Jeder soll fuer sich selbst verantwortlich sein
    Die Regierungen haetten wichtigere Aufgaben.
    Frohe Weihnachten .

  9. Konrad Kugler Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    sagen Sie Ihren Kindern auch, daß viele Raucher liebend gerne aufhören würden, wenn sie es fertig brächten. Rauchen macht unfrei!

  10. Rosemarie Steins Antworten

    Geht den Staat garnichts an. Kann auch nicht nachvollziehen, dass er das in Restaurants oder Lokalen verbieten kann, da diese Lokalitäten freiwillig aufgesucht werden. Der Betreiber, da Hauswirt und Gastgeber muss bestimmen können, ob sein Lokal für Raucher oder Nichtraucher öffnet. Außerdem bezweifle ich, dass das sog. Mitrauchen so schädlich ist. Mein Vater war starker Raucher und dann auch meine Brüder und ich und trotzdem erfreuen sich meine nichtrauchenden Schwestern seit 70-80 Jahren bester Gesundheit. Hier geht es meiner Meinung nach nur um Machtgehabe, wie scdhön, wenn ich anderen was vorwerfen kann.

  11. Alexander Droste Antworten

    Wieso gestaltet man nicht gleich die Verpackung von Zigaretten als krebszerfressene Organe? Warum nicht die Zigaretten selber als verstopfte Arterien?
    Natürlich konsequenter weise sollen Wein- und Bierflaschen die Form und Farbe von Schrumpfleber bekommen. Immerhin sind andere Drogen noch nicht offiziell erlaubt, aber wenn, bekommen die Grünen ihr Hasch in verschrumpelten, schmutzig grauen Gehirnen verpackt zu kaufen.

    Willkommen in Absurdistan!

  12. Karin Dahl Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    sie sprechen mir mal wieder aus der Seele! Unser Staat mischt sich zuviel in unser Privatleben ein, das Rauchen ( ich bin Gelegenheitsraucher ) gehört definitiv dazu. Ich bin nie gezwungen, mich privat in die Gesellschaft von Rauchern oder Nichtrauchern zu begeben. Ich bin aber ständig gezwungen mich der unerträglichen staatlichen Reglementierung und Einflussnahme auf mein Denken und Handeln auszusetzen (was gesund ist, was politisch korrekt ist, was gendermässig zu geschehen hat, etc).
    Der Staat hat wesentlichere Aufgaben und dort mangelt es gewaltig an Willen und Umsetzung, in den vorangegangenen Kommentaren hinreichend genannt.

    Bleiben Sie dran, Herr Kelle, eine ausgewogene Stimme der Vernunft wie Ihre ist in diesen Zeiten nicht hoch genug einzuschätzen.

    Beste Wünsche allen für friedliche, schöne Feiertage und ein gutes neues Jahr!

  13. Ursi Stewart Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    Sie haben wieder mal die Sache auf den Punkt gebracht. Ich (Nichtraucher) lebe in Australien und wir haben die ‚Abschreck‘-Packungen schon seit langer Zeit. Normalerweise ist Australien kein ‚Nanny-State‘ wie die EU oder Amerika, aber ich finde, hier greift die Regierung zu sehr ins Privatleben ein. Wenn ich mit Freunden oder Familie zusammen sitze, stoeren mich die wahrhaft grauslichen Abbildungen auf den am Tisch liegenden Packungen mehr, als das Rauchen an sich.

    Ein gesegnetes Weihnachtsfest, und Ihnen und Ihrer Frau viel Erfolg und Kraft fuer 2016!

  14. Walter Lerche Antworten

    Was ist aus dem mündigen Bürger geworden? Zunehmend komme ich mir vor wie im Kindergarten. Ich lese „was ändert sich in 2016“ und versuche etwas Substanzielles für mich herauszufinden – Fehlanzeige! Alles nur oberflächliche, unwichtige „Änderungen“, um zu zeigen „wir tun etwas“. Mit Aktionismus der politischen Verantwortlichen verwöhnt kann ich diesmal nicht mal den erkennen. Und je größer die Bilder ins Auge fallen, um so deutlicher sollen wir erkennen, wie aktiv und stark unser Gesetzgeber ist. Große Symbolik, wenig dahinter. Eigentlich sollte das ein gutes Zeichen sein, weil es suggeriert, es gibt keine größeren Probleme, wir haben alles im Griff. Was zu erschaffende Gesetzestexte angeht, ist mir aufgefallen, dass dazu unsere Regierung allein auf sich gestellt dazu nicht imstande ist, weil dies üblicher Weise irgendeine Lobby für sie tut. Bei Themen ohne Lobby-Hintergrund fallen Gesetzestexte besonders dilletantisch bis ganz aus. – Dieses Dillema beschränke ich inzwischen nicht mehr nur auf unsere Eliten in Staat und Gesellschaft, sondern ich finde das 1:1 in vielen mittelständischen Unternehmen wieder, wo nach dem Generationswechsel z.B. der Sohn von Beruf das Zepter übernommen hat oder es einem übergeben hat, der sich am besten darstellen konnte. Ein Mitarbeiter solchen Unternehmens trat mir entgegen und sagte: „Wenn Sie wissen wollen, wie Deutschland ist, dann schauen Sie unsere Firma an!“ Dieses Unternehmen gibt es zwischenzeitlich nicht mehr.

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