Am Dienstag erscheint das 700-Seiten starke Buch der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (Co-Autorin ist ihre langjährige Büroleiterin Beate Baumann) im Verlag Kiepenheuer & Witsch. »Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021« wird es heißen, kostet 42 Euro und erscheint zeitgleich in mehr als 30 Ländern. Das muss man erstmal hinbekommen, so eine globale Bedeutung bis heute. Bei aller Kritik, die an Frau Merkel, ihrer Deformation der CDU und dem Schaden, den Sie an unserem Land und uns allen angerichtet hat, ist zwingend festzustellen: die Frau ist immer noch bedeutend.

Ihr Biografie enthält Erinnerungen und Begegnungen mit den Großen der Weltpolitik, die wir alle hören und lesen wollen, die diese Jahre erlebt und in meinem Fall publizistisch begleitet haben.

All die Verschwörungstheorien, die schon vor zehn Jahren verbreitet wurden, waren die wirklich alle Nonsens? Jahrelang habe ich die Geschichten immer barsch zurückgewiesen. Ein deutscher Bundeskanzler, eine deutsche Bundeskanzlerin ist nicht bestechlich, lässt sich nicht am Halsband anderer Mächte durch die Manege führen.

<strong>Ich bin mir heute nicht mehr so sicher in diesem Urteil</strong>

Eine Frau aus der Uckermark, deren Familie über die innerdeutsche Grenze von Hamburg nach Brandenburg übersiedelte. Wolhlgemerkt: Im gleichen Jahr verließen 180.000 Ostdeutsche die DDR in Richtung Westen! Doch Angela Merkels Vater, der evangelische Pastor Horst Kasner, macht mit seiner Familie rüber nach Perleberg, um im Dorf Quitzow eine evangelische Pfarrstelle anzutreten und am Aufbau des Sozialismus mitzuwirken, wie er selbst bekennt.

Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, beantragte Angela Merkel die Mitgliedschaft in der Ost-SPD und wurde abgelehnt. Dann engagierte sie sich im neugegründeten Demokratischen Aufbruch, dessen Vorsitzender der Rechtsanwalt Wolfgang Schnurr wurde, wie sich dann herausstellte eine Informeller Mitarbeiter (IM) der DDR-Stasi. Schnurr war häufig bei den Kasners zu Gast. In seinem Buch „Merkels Maske“ schreibt der Autor Hinrich Robohm später, Nachbarn und Freunde von Angela Merkel in ihrer DDR-Zeit hätten ihm versichert, sie habe immer wieder bekundet, dass sie sich auf keinen Fall der CDU anschließen würde. Was sie ja auch nicht tat, da der Demokratische Aufbruch dann insgesamt in der CDU aufging. Ohne dass Frau Merkel jemals einen Beitrittsantrag bei Helmut Kohls Partei unterschreiben musste.

<strong>Und dann war sie nunmal da…</strong>

Eine linksgestrickte Gorbatschow-Verehrerin aus der DDR ist plötzlich Bundesvorsitzende der rheinisch-katholisch geprägten CDU. Und noch besser. wird dann – an allen Platzhirschen vorbei – Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. In der Stasi-Unterlagenbehörde kein einziger Zettel über sie, keine Notiz, keine Information – obwohl über ihre Familie, Nachbarn, Freunde reichlich Aktenordner vorhanden waren in der Normannenstraße.

Hat man die Ordner über Angela Merkel vielleicht einfach dort in irgendeinem Schrank übersehen? Hat man sie bei der Gauck-Behörde falsch abgelegt und nicht wiedergefunden? Oder hat Stasi-Chef Micha Wolf bei seinen zahlreichen Flügen nach Moskau im Noevember und Dezember 1989 auch Interessantes von Angela Merkel im Diplomatengepäck gehabt?

<strong>Ich bin heute zu 100% sicher, dass es Letzteres war</strong>

Aber ich kann es natürlich nicht beweisen, weil ich halt keinen Zugang zu den Akten in Moskau habe. Interessant wäre auch ein Einblick in die sogenannten „Rosenholz-Dateien“,  381 Datenträger mit 350.000 Dateien, hauptsächlich mikroverfilmte Karteikarten der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der Stasi. Als sich der ostdeutsche Volkszorn am 15. Januar 1990 in der Stasi-Zentrale an der Ostberliner Normannenstraße entlud, waren nicht nur Tausende aufgebrachte Bürgerrechtler dort und verwüsteten die Büros, nicht nur Journalisten, wie ich damals auch, die sich Eindrücke verschaffen und ein paar Blätter von den Schreibtischen wahllos einstecken wollten, sondern auch ein, zwei Personen, die genau wussten, was sie taten.

Jedenfalls tauchten die Mikrofilme zwei Jahre später beim amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA auf.

<strong>Unter welchen Umständen, dafür gibt es verschiedene Erklärungen</strong>

Der frühere Station-Chief der CIA in der russischen Botschaft in Moskau, Milton Bearden, behauptete später, die Rosenholz-Dateien seien nicht am 15. Januar 1990 von CIA-Agenten in der Normannenstraße sichergestellt worden, wie vorher vermutet und sogar in Hollywood-Filmen nahegelgt wurde. Vielmehr habe sich ein Agent des russischen Geheimdienstes KGB 1992 bei einer amerikanischen Botschaft in einem osteuropäischen Land gemeldet und eine zwar schlechte, aber noch lesbare Kopie der Mikrofilme aus Ost-Berlin zum Kauf angeboten. Für 75.000 US-Dollar sei der Deal dann realisiert worden.

<strong>Sehr konkret ist auch eine andere Geschichte</strong>

Nach der habe der HVA-Oberstleutant Rainer Hemmann 1989 den Befehl erhalten, die Stasi-Mikrofilme zum KGB nach Berlin-Karlshorst zu bringen zum Verbindungsoffizier zur Stasi, Alexander Prinzipalow. Der sollte dann dafür sorgen, die Dateien nach Moskau zu schaffen. Doch der eingeweihte KGB-Oberst namens Alexander Sjubenko stand in Kontakt mit einem CIA-Agenten in Berlin. Ein KGB-General wurde mit einbezogen, und die drei Geheimdienstler schafften es in den Verwirrungen des Zusammenbruchs der Sowjetunion, die „Rosenholz-Dateien“ im Sommer 1992 nach Langley zur CIA zu schaffen. Gegen eine kleine Aufwandsentschädigung, versteht sich.

Die Herren Sjubenko (1995) und Prinzipalow (1997) hatten allerdings nicht viel davon, beide starben kurze Zeit später unter mysteriösen Umständen, jeweils am Steuer ihrer Autos.

<strong>Doch zurück zu Angela Merkels Erinnerungen</strong>

Sie hatte 2008 in Bukarest beim NATO-Gipfel verhindert, dass die Ukraine (und Georgien) Beitrittkandidat des Bündnisses werden konnte.

Nach eigenen Angaben im Buch habe sie gewusst, dass Russlands Präsident das niemals hinnehmen werde wegen der militärischen Bedeutung der ukrainischen Halbinsel Krim für die russische Schwarzmeerflotte.

Merkel versichert – wenig überraschend – dass sie sich Anfang November einen Sieg der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris gewünscht hätte, erzählt von ihren Begegnungen mit Donald Trump und natürlich der legendären Fernsehdiskussion am Wahlabend 2005 mit Gerhard Schröder.

Über all das werden Sie in den nächsten Tagen bis zum Überdruss in allen Medien hören und lesen. Aber die wichtigste Fragen werden sicher nicht beantwortet.

Wer ist diese Angela Merkel wirklich? Und was war ihr Auftrag?

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Dieser Artikel wurde 7 mal kommentiert

  1. Neu-Romantiker Antworten

    Merkels Verdienst ist es, die Wehrpflicht abgeschafft bzw. ausgesetzt zu haben. Aber ihre Einwanderungs- und Sozialpolitik war verfehlt. Sie machte zu sehr Politik für die Reichen und die Unternehmer, wobei sie einige Zeit von der FDP unterstützt wurde. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

  2. gerd Antworten

    »Freiheit. Erinnerungen 1954 – 2021«

    Ich halte mich dann doch lieber an Jesus Christus: „Die Wahrheit wird euch frei machen!“
    Da steht nix von Demokratie, Kanzler, Bestechlichkeit, Verschwörungen, Wahlen oder Erinnerungen zwischen 1954-2021.

  3. S v B Antworten

    Wow, vielleicht wäre die akribische Aufklärung der mysteriösen Vorgänge eine Aufgabe für 007? Zumindest der Vorlauf zur Kanzlerschaft des Kohlschen Mädchens, will heißen insbesondere die hektischen und großteils dubiosen Geschehnisse während des eigentlich erwartbar holprigen Übergangs von der DDR zur BRD würde wohl mehr als genügend Stoff für einen neuen Bond-Film liefern. Der Titel From Russia with Love ist allerdings schon seit langem vergeben, wie man weiß. Lediglich als Arbeitstitel würde er sich noch anbieten. Oh ja, was Klaus Kelle uns hier nur im Abriss erzählt, ist schon eine ganz besondere Geschichte. – Und irgendwann könnte dann auch mal über die Fortsetzung, dann vielleicht im Stile eines Biopic, einer cineastisch aufbereiteten Biographie, gar eines Epos, nachdenken. Beide Teile wären wahre Leckerbissen nicht nur für ambitionierte Drehbuchautoren, sondern auch für alle anderen am Gesamtwerk Beteiligten. Wetten, dass beide Streifen die Kinokassen ordentlich zum Klingeln brächten? Alleine in Deutschland dürften sie wohl Millionen einspielen. Na also, ran an den Speck! Es muss ja nicht gleich morgen sein…

    • H.K. Antworten

      Äääähemmm …

      Also …

      Bei unserer alternativlosen „Mutti“-Kanzlerin von „Speck“ zu sprechen …

      Aber „BRD“ ist selbstredend ok …

      Ääähemmm …

      • gerd Antworten

        Für 15 000 Euro monatliche Pension die Murksel vom Steuerzahler abkassiert, könnte die Ex- Kanzlerin 500 kg. Südtiroler Speck in die Pfanne kloppen oder sich aufs Brot legen. Mahlzeit….

    • S v B Antworten

      @H.K.

      Hatte ich’s mir doch schon gedacht, dass Sie sich am Speck festbeißen würden…
      Und dann auch noch gerd. Tz tz tz tz tz!

      Dabei hatte ich mich sicherheitshalber bei Google der Bedeutung besagter Redewendung rückversichert. Er steht – u. a. – für Na denn mal los, Dann wollen wir mal, Ab die Post oder auch -hanseatisch – Na denn man tau! Der von mir letztlich gewählte Ausdruck schien mir in diesem Zusammenhang allerdings passender.

  4. Günther M. Antworten

    Die Frage: „Wer ist diese Angela Merkel wirklich?“

    Vielleicht mit Ludwik Marian Kaźmierczak (*1896 in Posen) dem Großvater väterlicherseits beginnen:
    Wer und wo war der im Zeitraum zwischen 1915 und 1926 (Geburtsjahr von Frau Merkels Vater) wirklich?

    Und:
    Welche Rolle hat der – 1928 als Polizei-Oberwachtmeister, 1930 von Kaźmierczak zu Ludwig Kasner umbenannte, ab 1943 Polizei-Hauptwachtmeister im Berliner Adressbuch aufgeführte Großvater in den Jahren des 3. Reiches gespielt?
    Ludwig Kasner starb im Februar 1959 im 63. Lebensjahr.
    Seine Tätigkeit nach 1945 ist ebenfalls unbekannt.
    * Nebel so weit das Auge reicht.

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