Eine Steuererhöhung durch die Hintertür ist inakzeptabel

Die Deutsche Einheit war ein historisches Großereignis der Güteklasse A. Nach 28 Jahren Teilung, leidvollen Erfahrungen und Hunderten Toten an den Grenzanlagen des Arbeiter- und Mauerstaats DDR wurden die beiden Teile unseres Landes wieder zusammengefügt. Ein Volk, wie es in vielerlei Hinsicht unterschiedlicher nicht sein könnte. Viel Psychologie ist bis heute notwendig, und es wird noch viele Jahre dauern, bis wirklich zusammengewachsen ist, was zusammengehört. Um die materiellen Voraussetzungen zu schaffen, reichten – anders als viele Politiker damals annahmen – die laufenden Etats der Bundesrepublik nicht aus. Mehr als 2,2 Billionen Euro sollen es bisher sein, die ausgegeben wurden, um die Lebensverhältnisse in Ost und West auf ein Level zu bringen.

Damit all das gelingt, wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt, liebevoll „Soli“ genannt. Eine Leistung, die übrigens alle deutschen Steuerzahler erbringen, auch die in den jungen Bundesländern. Und eine begrenzte Leistung zu einem klar benannten Zweck sollte es sein. Der scheint nun weitgehend erfüllt, der Tag rückt näher, an dem der Soli auslaufen soll. Und nun passiert das, was in solchen Fällen immer passiert, und was einer meiner Onkel mal so zusammenfasste: „Politiker verstehen von Geld, dass sie es immer von den Bürgern haben wollen.“ Der Soli soll nämlich fortbestehen, aber nicht mehr „nach Himmelsrichtung“ verteilt werden. Heißt: jetzt wollen die West-Bundesländer ein Stück vom Kuchen haben. Ein verständlicher Wunsch, denn längst sind viele Städte auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik in erbarmungswürdigem Zustand, während Dresden, Leipzig, Erfurt, Potsdam und Co blühen.

Doch eine Fortführung des Soli für neue Zwecke wäre nichts anderes als eine massive Steuererhöhung. Bezeichnend, dass von unseren Spitzenpolitikern bisher nur der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) das so klar ausspricht. Eine Steuererhöhung ist aber nicht das, was der Soli sein sollte, sondern eine auf begrenzte Zeit angelegte Sonderabgabe für einen klar umrissenen Zweck: den Aufbau Ost. So sehr ich den Wunsch westlicher Bundesländer wie NRW und vieler Kommunen nach einem warmen Geldstrom in ihre maroden Haushalte und maroden Strukturen verstehe: Taschenspielertricks dieser Art sollte die Politik nicht versuchen, will sie nicht den letzten Rest Vertrauen ihrer Bürger verspielen. Der Soli sollte wie geplant enden. Und wenn die Regierenden mehr Steuereinnahmen wollen, sollten sie das so sagen und darüber abstimmen, damit jeder Bürger sich ein Urteil bilden kann, was er konkret finanzieren soll.

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Dieser Artikel wurde 15 mal kommentiert

  1. Maria Schmidt Antworten

    Danke lieber Klaus Kelle, für diese klären Worte – sehe ich auch so. Ich finde, dieses Thema hat das Zeug um eine Petition dazu einzureichen, da ich mir gut vorstellen kann, dass die Mehrheit der mündigen Bürger das genauso sieht.

  2. Rolf-Peter Medler Antworten

    Danke, für Ihren wichtigen NL und ihren Einsatz, Herr Kelle. Ich stehe hinter Ihnen, auch bei einer s.o. vorgeschlagenen Petition. Vorschlag: Veröffentlichen Sie doch bitte auch Ihren NL – z.B. in Facebook.

  3. Dirk von Ahlften Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,
    dass diese „begrenzte“ Abgabe nicht zurueckgenommen wird, war doch abzusehen. Bitte denken Sie an die Sektsteuer im Deutschen Reich anfangs 1910 zu Finanzierung der Hochseeflotte. Wie haben keinen Kaiser mehr, wir haben keine Hochseeflotte, aber wir haben noch die Sektsteuer!!!
    Mit freundlichen Gruessen
    Dirk von Ahlften

  4. Hans-Georg Streubel Antworten

    Frau Quadbeck von der Rheinischen Post (Leiterin der Redaktion in Berlin) hat sich diesem Thema gestern und auch heute in ganz klarer Wortwahl gewidmet. Die Artikel und Leitartikel sollten wirklich aufmerksam gelesen werden. Nichts anderes als um eine Steuererhöhung handelt es sich bei dem, was die Großkoalitionäre da am Bürger vorbei vorhaben. Der Umhang mit dem Geld der Bürger müssen die Politiker endlich lernen und begreifen. „Mein“ Bundesland NRW lebt und erlebt gerade die negativen Auswirkungen einer Verschwendungspolitik. Da wurden die Gelder für die Beamtenversorgung eingefroren, um später nach einem Gerichtsurteil zu erkennen, dass dies ein Fehler war. Um welche gigantischen Summen es dabei handelt, ist schon bemerkenswert. Das nachzuzahlende Geld steht nicht zur Verfügung und muss über Kredite beschafft werden. Was macht die Landesregierung? Der Bürger wird wieder einmal zur Kasse gebeten. Dies wird spätestens bei den Nebenkostenabrechnungen der Städte und Gemeinden festgestellt werden. Die Gebührenschrauben werden wieder angezogen. Statt darauf zu achten, sinnvoll mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen, wird Geld in ungeahnter Höhe verschwendet. Vielleicht hat auch die Politik erkannt, dass das Gesetz Rente mit 63 nach 45 Berufsjahren ein Fehler war. Die Wahnsinnssummen, die dieses unsinnige Gesetz verursachen, müssen der Steuerzahlen und die Rentner generieren. Gestern hat Herr Heil von der SPD im Bundestag den Begriff „soziale Gerechtigkeit“ bemüht. Es klingt wie Hohn, was derzeit in Berlin ausgekungelt wird. Soziale Gerechtigkeit gibt es nicht.

  5. Friedrich Weigl Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle, seit Ihrem hervorragenden Artikel in der RP über den Islam bin ich ein begeisterter Leser ihrer wöchentlichen Kommentare. Machen Sie weiter so und und bringen Sie auch weiterhin unpopuläre Themen zur Sprache.

  6. Wilfried Heerstraß Antworten

    die deutschen Bürgerinnen und Bürger demonstrieren nicht, wenn es um Bundes-und Landespolitik geht. Es wäre aber vermutlich hilfreich bzw. würde Eindruck hinterlassen, wenn die verlogenen PolitikerInnen einmal sehen würden, dass der Wähler nicht alles schluckt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Wilfried Heerstraß

  7. Helmut Schliebs Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,
    Ihre Bemerkungen zu dem Thema „Soli“ haben wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Die Politiker in der Großen Koaltion sind im Geld ausgeben und in teuren Und zum großen Teil schon in Einlösung befindlichen Versprechungen nicht mehr zu übertreffen. Der Soli soll nun beibehalten werden, eine Steuererhöhung mit verlogenen Argumenten. Der Wähler sollte sich das nicht mehr bieten lassen und eine Volksabstimmung darüber anstreben! Aber das ist in Deutschland nur sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich.

  8. Karin Dahl Antworten

    Lieber Herr Kelle, nun bin ich auch eine treue und begeisterte Leserin Ihrer Blogs – sie stoßen – so wie Ihre Kolumnen in der RP zuvor – auf meine volle Zustimmung. Wenn man sich den unglaublichen, leichtfertigen, dreisten, strafwürdigen Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers durch Politiker aller Couleur vor Augen führt (s.a. jährlichen Bericht des Bundes der Steuerzahler), dann fragt man sich,wieso Manager und Arbeitnehmer
    wegen Veruntreuung bestraft werden und Politiker nicht. Im Gegenteil! Gute Versorgung und Macht sind wichtiger als das für dumm verkaufte Volk. SOLIdarität??Eine Besserung ist nicht in Sicht!
    MfG Karin Dahl

  9. Rainer Schütze Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,

    dem Artikel von Frau Dahl ist nichts hinzuzufügen. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen, Ihr Beitrag natürlich auch.
    Ich vermisse Ihre Freitags-Kommentare, politisch inkorrekt, in der RP. Ihr Nachfolger Reinhold Michels ist total auf Helmut Kohl fixiert. Kritische Beiträge gegen Kohl sind ihm offenbar zuwider, wie die Kolumne wieder einmal vom 28.11.14 gezeigt hat.
    Mfg
    Rainer Schütze

  10. Berthold Kremm Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,
    Sie haben – wie so oft – völlig Recht. Aber dass der „Soli“ auch nach Abschluss des Aufbaus Ost weiter bestehen bleiben würde, war doch von Anfang an klar (siehe Sektsteuer). Warum jetzt auch wieder abschaffen? Hat sich doch – aus Sicht der Politiker – bewährt!
    Und was machen wir jetzt? Bei der nächsten Wahl jemand anderes wählen? Beim Thema Steuererhebung waren sich die Parteien – und zwar alle Parteien – immer noch schnell einig.

  11. Helmut Zilliken Antworten

    Noch vor wenigen Wochen berichtete ein Handwerker – der was von seinem Fach versteht (Garten- und Landschaftsbauer) – , welche Materialien in einer ostdeutschen Stadt als Gehwegplatten verbaut wurden. Gruselige Quadratmeterpreise kann ich nur sagen. Und das im wahrsten Sinne „öffentlichen Raum“. Noch Fragen, ob Ostdeutschland noch den Soli überhaupt benötigt!?

  12. Dieter Krüll Antworten

    Ehrlicher wäre es, den Soli wie versprochen aufzugeben und dann eine Steuererhöhung zu beschließen. Denn um nichts anderes handelt es sich hier. Der Schwur Angela Merkels vor der Wahl „keine Steuererhöhungen“ war doch absehbar gelogen. So sind Politiker eben, natürlich nur zum Wohle aller Bürger (Ironie). Bei einer Steuererhöhung könnte man die unselige Mautgebühr für Ausländer direkt mit begraben und die zukünftige Anhebung zu Lasten der Autofahrer gleich mit erledigen.

    Dieter Krüll

  13. Alfons Wöhrl Antworten

    Herr Kelle hat recht.
    Aber nicht nur mit dem Soli wird der Bürger grundgesetzwidrig betrogen. So wäre notwendig, alle Mittel der Bundes- und Länderhaushalte mit Zweckbindung einzustellen. Zuwiderhandlungen sollen als Straftatbestand der Untreue verfolgt werden.

  14. Alexander Droste Antworten

    SOLI

    … das auch als Abgabe in NRW von Gemeinden mit dicken Polstern an solche mit dicken Schulden. Einerseits verständlich andererseits ein Aufruf zu Misswirtschaft, damit man nicht zahlen muss, bzw. weil ja nichts Schlimmes passieren kann.

    Den SOLI zum Aufbau Ost haben alle Erwerbstätigen und Steuerzahlenden geleistet, für alle. Er wurde für einen bestimmten Zeitraum erhoben und die Begünstigten haben zumeist was draus gemacht. Nun müssen sie auch auf eigenen Füßen stehen können.
    Die Misswirtschaft mancher Kommunen bzw. deren Verarmung durch Abwanderung oder Überalterung kann ein SOLI nicht auffangen. Da müssen andere Konzepte her.
    Der SOLI muss jetzt ablaufen und unsere Volksvertreter sollen sich den Kopf zermartern, wie sie ohne Steuererhöhungen Effekte von Wanderbewegungen und Demokrafiewandel steuern können. Auch der sorgfältige Umgang mit den Ressourcen sollte sehr streng gehandhabt werden. Das liegt aber vor allem in der Kompetenz der Länder und Gemeinden. An erster Stelle stünden aber für mich Anreize für Firmen zu schaffen in Unternehmen zu investieren und ihnen den Rücken zu stärken. Denn da, wo es brummt, geht es meistens allen gut.

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