Die SPÖ blieb trotz starker Verluste bei der jünsten Wiener Gemeinderatswahl stärkste Kraft. Die FPÖ legte mit HC Strache an der Spitze deutlich auf über 30 Prozent zu und bestärkte damit den Trend, dass diese Partei überall in Österreich auf dem politischen Vormarsch ist. Und dann gibt es da noch die Österreichische Volkspartei ÖVP. Sie ist eine der beiden Volksparteien im Nachbarland, die über Jahrzehnte prägend für Österreichs Entwicklung gewesen sind. Während die rote SPÖ in vielen Städten dominierte, lagen die Hochburgen der schwarzen ÖVP mehrheitlich in den ländlichen Regionen. Und nun hat vor einiger Zeit die ÖVP begonnen, sich zu reformieren. Man will nun „jünger, weiblicher und moderner“ werden, proklammierte die ÖVP, und falls Ihnen das bekannt vorkommt – exakt diesen Prozess durchläuft derzeit auch die deutsche Schwesterpartei der ÖVP, und die heißt CDU.

Der Erfolg dieser neuen jungen, weiblichen und modernen ÖVP ist bereits bei den Wahlergebnissen zu erkennen. Zwölf Mal wurden die Wähler in der Alpenrepublik in den vergangenen fünf Jahren zur Stimmabgabe gerufen. Bei allen zwölf Wahlen büßte die Österreichische Volkspartei Stimmen ein. Manchmal nur 1,5, manchmal aber auch 7,6 oder 8,7 Prozent. Mit der sogenannten Modernisierung ging es bergab. Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor. Bei der Gemeinderatswahl in Wien kam die ÖVP jetzt noch auf 9,2 Prozent, blieb dabei aber hinter den Grünen. Soweit also alles ganz normal, der Niedergang einer einstmals bürgerlich-konservativen Partei eben. Doch dieses Mal gab es noch etwas Bemerkenswertes beim Wahlergebnis in Wien. Eine junge Frau namens Gudrun Kugler (38) kandidierte auf einem erwartbar aussichtslosen Listenplatz für die ÖVP und machte richtig Wahlkampf. Klar sprach sie sich gegen die völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe von Mann und Frau aus. Familienfreundlichkeit sei wichtiger als gegenderte Ampelmännchen. Sexualaufklärung für eigene Kinder sei in erster Linie Sache der Eltern. Und Christin ist die hauptberufliche Juristin auch noch.

Nun muss man wissen, dass es im österreichischen Wahlrecht die sogenannten Vorzugsstimmen gibt. Die Wähler können auf dem Stimmzettel nicht nur ein Kreuz für die Partei ihrer Wahl machen, sondern zudem auch noch ein weiteres Kreuz für einen Einzelkandidaten vergeben. So können Kandidaten, die eigentlich keine Chance hätten, doch mit Unterstützung der Wähler zu einem Mandat kommen. Und als am Wahlabend in Wien feststand, dass die ÖVP von ihrem letzten jämmerlichen Ergebnis noch einmal 4,8 Prozent verloren hatte – rund ein Drittel – stellte sich heraus, dass Gudrun Kugler zahlreiche Vorzugsstimmen erhalten und damit ein Ratsmandat erkämpft hatte, was Linksmedien wie den „Standard“ nahezu zum Hyperventilieren brachte. Was war passiert? Viele bürgerlich-konservative und christlich eingestellte Wähler, die sich bereits von der ÖVP und ihrer angeblichen Modernisierung verabschiedet hatten, waren bereit, einer Frau zuhauf Unterstützung zu gewähren, die einen klaren Standpunkt zu vertreten wagte, so wie es einst ihre ganze Partei getan hatte.

Wenn ich bloß wüsste, was daraus die Lehre für uns in Deutschland sein könnte….

image_pdfimage_print

Dieser Artikel wurde 5 mal kommentiert

  1. Dorothea Hohner Antworten

    Der casus knacktus für Deutschland ist genau derselbe, lieber Herr Kelle. Die konservativen, christlichen Wähler fühlen sich vor den Kopf gestoßen von einer CDU, die weder christlich noch demokratisch, noch eine Partei ist. Die links/rot/Grün/Innen werden noch links überholt. Genderirrsinn, Frühsexualisierung in Schulen und Kindergärten, Homoehen, evtl. Adoptionen von Kindern für Schwule….das alles ist nicht dazu angetan, seine ureigensten Wähler bei der Stange zu halten….Wien hat es vorgemacht………

  2. Andreas Schneider Antworten

    Bei einem Zusammentreffen vor gut 3 Jahren bezeichnete mich ein alter Freund als „stramm konservativen Linken“ (ob meiner Unart, Gesichtspunkte aller Seiten – mit jenen der Grünen – zu berücksichtigen).

    Beide Seiten haben es nicht leicht bei mir. Was einmal „Links“ war, ist heute in ideologisch verbrämtem Dünnpfiff und einem absurden Minderheitenfetisch verkommen, wobei seit jeher einige Absonderlichkeiten feststellbar waren. Meine (zugegeben stärker ausgeprägte) konservative Seite hat stets unter dem zur Wahl stehenden Personal gelitten – Helmut Kohl wurde nie der Kanzler meines Vertrauens, und Angela Merkel habe ich von Anbeginn an als die komplette Fehlbesetzung betrachtet, als die sich sich nun in aller Deutlichkeit präsentiert. Da wird jeder Wahltag zum Qualtag.

    Die – mir bis dato unbekannte – Vorzugsstimme österreichischer Prägung, die Sie hier vorstellen, Herr Kelle, empfinde ich gerade unter diesem Gesichtspunkt als recht segensreiche Einrichtung. Wie oft habe ich mir gewünscht, einem Kandidaten meine Stimme direkt geben zu können – wobei denn aber dessen Partei meinen Vorstellungen im Wege stand!

    Als so definierter „konservativer Linker“ musste ich bisweilen annehmen, ein politischer Sonderling zu sein – aber Ihr Bericht zeigt mir denn doch, dass ich ganz offenkundig nicht allein stehe.

    In diesem Zusammenhang möchte ich auf den heutigen Beitrag http://www.focus.de/politik/deutschland/die-partei-stuende-vor-dem-nichts-warum-die-cdu-sich-den-aufstand-gegen-merkel-besser-zweimal-ueberlegen-sollte_id_5016830.html in „Focus online“ verweisen. Wie immer man über solche Umfragen denken mag – ist es nicht beschämend für diesen früheren Eckpfelier des konservativen Bürgertums, dass von den hier vorgestellten Kandidaten für eine mögliche Merkel-Nachfolge der seit Jahren aus der aktiven Politik ausgeschiedene Friedrich Merz die (wenn auch mit Einschränkung) beste Kritik der Redakteurin, empfängt, sondern auch die namentliche Abstimmung der Leser deutlich anführt?

    Keine gute Zeit für Konservative. 🙁

  3. Alexander Droste Antworten

    Vor einigen Jahren kam ich zu dem Schluss, dass sich das Parteiensystem überholt hat. Direkte Demokratie, Selbstverwaltung der verschiedenen Institutionen und projektbezogene Abstimmungen im Volk seien die modernere und bessere Variante, wenn, ja wenn der Bürger nicht verBILDet und RTLisiert wäre. Ich glaube auch, dass man Politik mit Videospielen verwechseln würde, so wie z.B. die amerikanische Außenpolitik. Es bleibt uns also wohl nichts anderes, als das, was wir zur Zeit haben. Mäkeln bringt allerdings nichts. Gestalten heißt aktiv werden. Demokratie ist kein Kuschelsofa. Das, was heute als Politik verstanden wird, ist Kuschelsofagenöle, wie man es nicht besser erleben kann.

  4. Siegfried Kieselbach Antworten

    Ja, Herr Kelle, das ist der Nachteil der Listenwahl (Zweitstimme) bei unserem Wahlsystem. Genaugenommen müsste es für den Wähler auch noch die Möglichkeit geben, ungeliebte Kandidaten von der Liste zu schubsen. Wird es aber leider nicht geben. Dazu haben die Parteien viel zu viel Macht. Obwohl eine solche Regelung die Zahl der Nichtwähler drastisch reduzieren würde.

  5. Chris Antworten

    Ich als Wiener kann Ihnen nur zustimmen, Herr Kelle.
    Die ÖVP bekommt keine Stimme mehr, die bauen generell und in Wien exponentiell ab.
    Viele bürgerliche Wähler sind zur FPÖ gewechselt, ich hab noch meine Hemmungen, einer populistischen und grundsatzfernen und pseudo-christlichen Partei meine Stimme zu geben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert