Besuch vom Ordnungsamt

Zugegeben, wir haben den Bereich hinter unserem Grundstück ein wenig vernachlässigt in den vergangenen Monaten. Und, zugegeben, die Verwaltung hatte alle Bürger unserer Stadt vor ein paar Wochen in einem Brief darauf aufmerksam gemacht, dass wir alle auch für den unmittelbaren öffentlichen Straßenraum eine gewisse Eigenverantwortung trügen, zum Beispiel, wenn es schneit und glatt ist, den Weg frei zu machen und zu streuen, damit andere Menschen nicht in Gefahr geraten, wenn sie dort entlang gehen.

So weit, so gut

Und natürlich auch nachvollziehbar. Ein bisschen erinnerte mich das an meine Zeit im schönen Baden, wo es – wie überall im Ländle – die „Kehrwoche“ gibt für Mieter. Also: jede Woche ist einer dran mit Putzen, im Hausflur aber auch auf dem Gehweg vor dem Haus. Das fand ich immer vollkommen idiotisch. Klar, wenn Schnee fällt, gehe ich mit der Schippe raus. Und wenn am Straßenrand McDonalds-Verpackungen liegen oder auch mal anderer Unrat, dann schaffe ich den weg. Wie jeder normale Mensch.

Aber ich habe da im Hochsommer alte Frauen gesehen, im Kittel mit einem Besen, die eine völlig saubere Straße – also die Fahrbahn – fegten. Man hätte da vom Asphalt essen können, doch sie fegten. Weil, es war ja „Kehrwoche“ und sie mussten ran…

Gestern dann fand ich einen behördlichen Zettel im Briefkasten. Von der Stadtverwaltung, mit einem Aktenzeichen, dass man „am 27.12.24 um 14.20 Uhr „folgende Feststellung getroffen“ habe: Die Straßenreinigung sei „nicht ordnungsgemäß ausgeführt“ worden. Baamm!

Konkret: Es liege „Laub auf dem Gehweg“, der sei auch noch „versandet und verkrautet“ am Gartenzaun hinter dem Grundstück.

Und wir hätten jetzt Zeit bis zum 15. Januar, „die aufgeführten Mängel abzustellen“.

Meine spontane Reaktion war Empörung

Was geht das den Staat an, ob unser Gehweg versandet ist? Glatteis – klar. Aber Sand und Laub? Freie Unordnung für freie Bürger oder so…

Bevor Sie nun beginnen, mich zu beschimpfen, natürlich fege ich Laub… aber erst am Montag, denn am Sonntag ist das, glaube ich, behördlicherseits verboten.

Und darum geht es mir: Ich reagiere automatisch allergisch, wenn Behörden in meine Lebensalltag eingreifen, und wenn es dann auch noch unsinnig ist. So, wie bei vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen zum Beispiel.

Am Mittwoch war ich morgens auf der A2 irgendwo bei Braunschweig unterwegs. Erster Weihnachtstag, kilometerweit kein Auto zu sehen, dreispurig ausgebaut, und ein Schild ordnet an, dass ich nur 70 fahren darf. WARUM???? Darf man das noch fragen in Deutschland?

Oder die kleine Geschichte aus meinem Buch „Bürgerlich, christlich sucht…“ 2017, wo ich meine Begegnung mit einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes von Tönisvorst am Niederrhein schildere. Alle ausgewiesenen Parkplätze vor der Sparkasse besetzt, ich wollte einfach nur Kontoauszüge ziehen. Vor dem Gebäude angehalten, ohne irgendwen zu behindern, rein, nach eineinhalb Minuten raus, und da stand er. Der Mann vom Ordnungsamt, übergewichtig, in einer dunkelblauen Uniform mit dem großen weißen Schriftzug ORDNUNGSAMT auf dem Rücken. Er schrieb ein Knöllchen für mich über 10 Euro. Ich sprach ihn freundlich an, und erklärte, dass ich nur 90 Sekunden hier gestanden habe, und ob das dann jetzt wirklich sein müsse. Er sagte Ja und auf meine Frage nach dem Warum wies er hinter sich und sagte. „Weil da ein Schild steht!“

Klar, aber das ist doch nicht vom Himmel gefallen. Das hat doch ein Amt dort aufstellen lassen. Und ich will als steuerzahlender Bürger einfach nur wissen: WARUM steht das Schild da überhaupt?

Als ich vor Jahren meinen Führerschein vorübergehend abgeben musste, weil ich mehrfach auf Autobahnen geblitzt worden war, ermahnten mich unsere Kinder immer wieder: „Papa, halt Dich einfach an die Regeln! Fahr wie vorgegeben, dann wirst Du auch nicht geblitzt.“

Ja, so stellt sich der Staat seine guten Bürger vor

Und mir geht es auch nicht, um die einzelne Maßnahme. Wenn ich an einem Kindergarten vorbeifahre und es wird „10“ von mir gefordert, dann fahre ich auch nur 10 km/h. Aber jede noch so unsinnige Verfügung befolgen zu müssen, einfach, weil da ein Schild steht, oder von meinen Steuern Mitarbeiter bezahlt werden, die kontrollieren, ob unser Gehweg versandet ist – das widerstrebt mir total.

P.S. Bevor Sie mich jetzt beim Rathaus melden: Es widerstrebt mir, aber natürlich werde ich am Monat alles erledigen wie gewünscht. Nicht, dass ich beim Ordnungsamt noch einen roten Punkt auf die Akte geklebt bekomme mit einem Stempelaufdruck: „Widerspenstig“. Dann ist irgendwann morgens bei uns Hausdurchsuchung, und ich weiß dann gerade nicht, wo der Bademantel liegt….

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Dieser Artikel wurde 13 mal kommentiert

  1. Tina Hansen Antworten

    Laub auf dem Gehweg – das muss karmisch sein, das ist genau mein Stichwort!
    Und es begab sich aber zu der Zeit, genauer: an einem dunkelnden Oktoberabend in diesem Jahr, dass ich auf dem Weg zur Straßenbahn ein wenig eilig war, unaufmerksam wohl auch. Auf einem großen Batzen feuchten Laub kam es denn auch zu dem unschönen Vorfall, dass ich ausglitt und wie ein Kind zu Boden schlug, die Hände instinktiv nach vorne gestreckt, so dass mir größeres Leid erspart blieb. Allein das linke Knie war angeschlagen und der rechte Knöchel verstaucht. Was folgte, war eine Odyssee durch die niedersächsische Landeshauptstadt, um einen Röntgentermin zu ergattern. Meine Hausärztin ist lieb, hat aber kein Röntgengerät. In den ersten 10 angerufenen Facharztpraxen ging niemand ran, in der 11. eine junge Frau, die mir beschied: „Termine erst wieder in 3 Wochen!“ Schlussendlich landete ich dann mit einem Überweisungszettel der Hausärztin in der Notaufnahme eines Krankenhauses, wo ich nach eigener Einschätzung nicht hingehörte, aber wat mutt dat mutt. Der Fuß wurde geröntgt und war verstaucht. Also nix Wildes, nur eben lästig. Ich war dann 3 Tage krankgeschrieben. Behandelt habe ich den Knöchel mit einer hervorragenden Salbe aus der Drogerie, die ich selber gekauft und bezahlt habe, um weitere ärztliche Konsultationen zu umgehen. Nach einigen Wochen schwoll der Knöchel ab, dann konnte ich wieder ordentlich geradeaus gehen, und inzwischen klappt es sogar mit Treppe abwärts ganz wunderbar. Das erste Schreiben der Krankenkasse zu dem Vorfall erreichte mich Mitte November. Ein zweiseitiges Dokument mit ca. 36 detaillierten Fragen zum Tathergang. Nach einigem Grübeln und einem kurzen Telefonat mit dem hilfsbereiten Kundenservice der AOK habe ich dann alles ausgefüllt und unterschrieben und abgeschickt. Wahrheitsgemäß. Und die Sache dann vergessen, zumal der Fuß ja wieder wunderbar in Ordnung ist. Bis zum 23.12. Fa erreichte mich nämlich ein weiteres Schreiben der AOK. Seufzend öffnete ich das Kuvert und entnahm ihm… Achtung, Klaus Kelle!… den Fragebogen Feuchtes Laub! Der liegt jetzt vor mir und erinnert mich irgendwie an die alte Bundesrepublik. Ungegendert, keine arabische Übersetzung, deutsche Bürokratie in ihrer schönsten Form. Ziel der Erhebung ist demnach, meinen Schadensersatzanspruch gegen den säumigen Mieter, Hausbesitzer oder auch die Kommune zu ermitteln. Ha! Ich werde mich jetzt an die Arbeit machen.
    Fröhliches Fegen wünsche ich derweil 😁

    • GJ Antworten

      Ach herrje. So einen ähnlichen Fragebogen habe ich hier auch liegen, den ich noch nicht ausgefüllt habe. Da geht es auch um Prüfung, ob irgendjemand haftbar gemacht werden könnte für mir entstandenen Gesundheitsschaden. Und ich weiß echt nicht, was ich da schreiben soll. Die Wahrheit würde mir mutmaßlich zum Nachteil gereichen in Zeiten, wo Überbringer von Botschaften oder Benennung von Tatsachen als Verschwörungstheoretiker und Delegitimierer behandelt werden.

      • Tina Hansen Antworten

        Auch Laub im Spiel? – Scherz beiseite, Sie hat es mit Ihren gebrochenen Knochen ja deutlich schlimmer getroffen als mich. Gute Besserung weiterhin!

  2. Chris Antworten

    Ich finde durchaus in Ordnung, wenn kontolliert wird. Bei uns macht das jetzt die Stadt und kassiert nach Grundstückslänge ab. Da unter dee Woche meist der Strassenrand zugeparkt ist, fährt das Reinigungsfahrzeug immer vorbei. Nix gesäubert, zahlen müssen wir trotzdem.

  3. Achim Koester Antworten

    Wir nähern uns mehr und mehr der amerikanischen „Recht“sprechung, in der die Eigenverantwortung nur noch eine untergeordneteRolle spielt. Alles muss geregelt und mit Hinweisen versehen sein (Katzen nicht in die Mikrowelle), selbst da, wo der gesunde Menschenverstand angebracht wäre. Natürlich unter Strafandrohung.
    Frage: wo war diese Verordnung bei der Impfkampagne?

    • Tina Hansen Antworten

      Was ist denn das für eine Frage, verehrter Herr Koester? Die Impfung war hochwirksam und nahezu nebenwirkungsfrei. Das ist doch immer wieder erklärt worden.

      • Achim Koester Antworten

        @Tina Hansen
        Wie konnte ich das nur übersehen, Asche auf mein Haupt.
        Als Buße trinke ich einen Monat lang nur Corona Bier, OK?
        🤮🤮🤮🤮🤮

  4. Hildegard Königs-Albrecht Dr. Antworten

    Meine Zustimmung, dass vieles in Deutschland überreguliert ist.
    Aber ein undicherer oder zugeparkter Gehweg ist ein Ärgernis und die Vorredner bestätigen das Gefahrenpotential.

    Besonders schwierig wird es, wenn ein behinderter oder älterer Mensch mit Rollator unterwegs ist.
    Ich denke, man sollte sich einfach mal in die Situation von Mitmenschen versetzen und dann den inneren Schweinehund überwinden und sich an die Arbeit machen!

    • Tina Hansen Antworten

      Tatsächlich hatte ich für meine fast 52 Jahre bisher viel Glück (toi toi toi) in Sachen Gesundheit. Das muss nicht so bleiben, wir alle werden älter. In diesen Herbstwochen, in denen ich mich mit dem zunächst schmerzenden, dann immer noch schwachen Knöchel an 5 Tagen pro Woche mit den Öffis durch die Stadt bewegte, Rolltreppen beim Umsteigen inklusive, fiel mir die Rücksichtslosigkeit vieler Zeitgenossen erstmals so richtig auf. Da wird gerempelt, geschubst, überholt, Teenager flätzen in der Bahn auf gleich 2 Sitzen, während ein klappriger Senior von mindestens 80 zittrig vor ihnen steht… Und der Boden im Supermarkt ist nass und rutschig, doch nirgendwo warnt ein entsprechendes Schild… Interessant, wie anders man seine Umwelt plötzlich wahr nimmt, wenn man mal ein Handicap hat! Insofern bitte auch ich herzlich ums Laubfegen im Herbst!

      • GJ Antworten

        In diesem Alter war ich auch noch in Saft und Kraft. Dann kam Merkels Grenzöffnung, Coronapolitik und Faeser/Ampel. Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er/sie/es bricht. Mit 50 glaubte ich noch, ein erfahrener Fels in der Brandung zu sein. tempora mutantur et nos cum illis. Das habe ich mir aus meiner Schulzeit gemerkt. Frau Merkel hätte einen weiteren Satz berücksichtigen sollen: quidquid agis prudenter agas et respice finem. Hat sie aber nicht, oder das geschah alles mit voller Absicht. Letzteres befürchte ich zwischenzeitlich.

  5. GJ Antworten

    Aufgrund meiner zwischenzeitlichen körperlichen Zipperlein – Sehbehinderung und Krücken – erlebe ich auch vieles anders/ehrfürchtiger. Nach bettlägerigen Weihnachten durfte ich heute Abend Dank meiner Familie ein schönes Essengehen zelebrieren. Komischerweise kam der Wein ausschliesslich aus Südafrika. Aber gut war es.

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