GASTSPIEL ROLAND NOÉ: Wenn selbst Katja Kipping die Twitter-Zensur zu viel wird

Zurück in die Zukunft? Oder vielleicht doch eher ein Zurück in die Vergangenheit, in George Orwells Jahr 1984? An nichts anderes erinnern die Vorgänge rund um die letzten Stunden von US-Präsident Donald Trump. Um diesen, der zweifelslos in den letzten Tagen einige Fehler gemacht hat, soll es in diesem Kommentar aber nicht gehen. Ich möchte hier vielmehr über das Verhalten der großen sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Google nachdenken. Was ist passiert?

Unter dem Eindruck der erschütternden Ereignisse beim Kapitol begannen Internet-Giganten wie Facebook und Twitter plötzlich die Accounts von Donald Trump zu sperren, mit der vagen Begründung, dass dieser angeblich zu Gewalt aufgerufen habe. (Dass er dies nicht gemacht hat, weiß jeder, der seine Rede am 6. Januar tatsächlich angehört hat. (OT-Text: „marching over to the Capitol building to PEACEFULLY and patriotically make your voices heard“) Aber jedoch zum auf der Zunge zergehen lassen und Nachdenken: Die BIG TECHS drehen einfach von heute auf morgen dem eigenen, immer noch amtierenden (!) Präsidenten das Mikrofon ab. Diese Ungeheuerlichkeit sollte man doch auf sich wirken lassen. Meiner Meinung nach sollten alle Alarmglocken läuten, völlig unabhängig von der Person Donald Trump und wie man auch zu ihm stehen mag.

Nur wenige Stunden später trendete bei Twitter der Hashtag #HangMikePence (dt.: „hängt Mike Pence“) bei Twitter – für Twitter ist dieser Aufruf zur Gewalt allerdings offensichtlich kein Problem. Weiterhin auf Twitter aktiv ist auch Ali Chamenei, das Staatsoberhaupt des Iran, der dort seit 2018 schreiben darf, dass Israel ein Krebsgeschwür sei und entfernt werden müsse. Sein Tweet mit diesem Inhalt war nie der Aufmerksamkeit wert, gelöscht zu werden. Die Antifa in Portland darf zum Beispiel weiterhin auf Twitter aktiv sein, um ihre gewalttätigen Aktionen zu organisieren. Kamala Harris, die neue demokratische Vizepräsidentin der USA, durfte 2020 wochenlang die Proteste in den Städten, bei denen Polizisten erschossen, Geschäfte geplündert und es zu Brandschatzungen kam, auf Twitter verharmlosen. Sie lobte ausdrücklich diese „Bewegung“. Es gäbe unzählige weitere Beispiele, an denen sichtbar wird, dass Twitter kein grundsätzliches Problem mit Gewalt-Tweets hat.

An diesem Wochenende sollten uns noch weitere Begebenheiten hellhörig machen. Die Sperrung Donald Trumps von Twitter sorgte zuerst für einen großen Zustrom zu den Twitter-Alternativen Parler und Gab. Inzwischen haben sich viele, vor allem Christen und Konservative, zumindest einen Zweiaccount dort zugelegt. Parler dürfte am Wochenende Millionen neue User bekommen haben. Doch die BIG-TECHS wollten auch das verhindern. So begann Google und Apple damit, die genannten Alternativen aus den jeweiligen App-Stores zu sperren, so dass man sie nicht mehr downloaden konnte. Begründung: Es solle auf Parler Gewaltverherrlichung geben. Mit einer ähnlichen Begründung müssten Google und Apple allerdings auch Twitter aus ihren Download-Stores aussperren, wovon aber selbstverständlich nicht die Rede ist. Daraus folgt, dass tatsächlich seit Sonntag die Alternative zu Twitter, die Parler App, nicht mehr heruntergeladen werden kann. Auch Amazon nutzte seinen Einfluss und kündigte Parler kurzfristig die Speicherplätze. Parler ist damit gezwungen, die Server zu übersiedeln, was möglicherweise einige Tage dauern könnte. So hat man also in einer gezielten Aktion einen unliebsamen Konkurrenten vermeintlich ausgeschaltet. Doch Parler wird wiederkommen. Auch beim sozialen Netzwerk GAB hatte man schon vor einiger Zeit ähnlichen Druck ausgeübt. Doch GAB ist inzwischen unabhängig, hat eigene Server und hat am Wochenende ebenfalls massiven Zuwachs bekommen.

Das Verhalten von Twitter und Facebook wird von Vielen kritisiert, die sicher nicht im Verdacht stehen, Anhänger von Donald Trump zu sein. „Wenn allein Twitter, Facebook & Co darüber entscheiden, ob ein übler Präsident wie #Trump weiter senden kann, halte ich das auch für gefährlich. Es ist nicht Sache von Konzern-Chefs zu bestimmen, wer stumm gestellt wird. Das muss demokratisch geklärt werden“, twitterte ausgerechnet Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken in Deutschland. WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt stellte fest: „Bei Twitter, Facebook und anderen Tech-Giganten handelt es sich nicht um die vierte Gewalt im Staat (…) Tech-Unternehmen kann man es nicht erlauben, Präsidenten stumm zu schalten, als besäßen sie einen On/Off-Schalter für die Macht.“ Ralf Schuler von der BILD-Zeitung erinnert: „Ganz gleich, was man von Trump hält: Plattformen, die Politik machen oder Meinungen zensieren, passen nicht in die freie Welt. Heute trifft es den (vermeintlich) richtigen, morgen andere.“

Die NZZ schreibt zu den Entwicklungen: „Die sozialen Netzwerke haben mit Trump ihren einflussreichsten Nutzer von ihren Plattformen geworfen. Die von vielen bejubelte Entscheidung ist vor allem eines: Ein noch nie da gewesener Eingriff in die politische Debatte.“ Der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham erklärte auf Twitter „Der Ajatollah kann twittern, aber Trump nicht. Das sagt viel über die Leute aus, die Twitter führen.“ Trumps Sohn Donald Trump Jr. schrieb: „Redefreiheit existiert nicht mehr in Amerika. Sie starb mit den großen Tech-Unternehmen, und was übrig ist, ist nur noch für ein paar Auserwählte da. Das ist absoluter Irrsinn!“

Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador hat die Aktionen von Facebook und Twitter übrigens ebenfalls scharf verurteilt, aus dem EU-Raum hingegen hört man tiefes Schweigen. Man darf gespannt sein, wann Angel Merkel und andere Politiker das Thema „Meinungsfreiheit“ wieder in den Mund nehmen. Wie ein Hohn wirkt angesichts der jüngsten Entwicklungen eine Aussage von Jack Dorsey, dem CEO von Twitter aus dem Jahre 2015: „Twitter steht für die Freiheit der Meinung.“

Doch nun zurück zum eingangs erwähnten Jahr 1984. Im berühmten düsteren Roman von George Orwell aus dem Jahr 1948 steht so einiges, was in der heutigen Situation nur allzu passend erscheint. Denn irgendwie erfüllt sich möglicherweise gerade eine düstere Vision eines totalitären Überwachungsstaats, in dem nur wenige Tech-Konzern-CEOS bestimmen können, was weltweit als „Meinung“ erlaubt ist – und was nicht. Tech-Konzerne agieren nicht mehr als Dienstleister, sondern eindeutig parteiisch. „Freiheit bedeutet, die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ist. Gilt dies, ergibt sich alles Übrige von selbst“, heißt es im Roman „1984“. „Big Tech ist jetzt Big Brother“, erklärt Dan Bongino, US-amerikanischer Radio- und Fernsehmoderator und Miteigentümer von Parler, am Sonntag.

Was kann man tun? Ich denke: Christen müssen aufwachen und handeln, und wir sehen, dass das bereits passiert. JEDER von uns kann handeln- und es kann auch jeder zukünftig von der Big Tech Zensur betroffen sein. Auch wenn PARLER möglicherweise kurzfristig OFF sein sollte: für alle Twitter-User ist PARLER oder auch GAB eine sehr gute Alternative. Seit dem Samstagmorgen strömen Konservative in Massen zu PARLER und auch GAB (dort soll der Traffic um 900-1.000 % angestiegen sein) und errichten dort neue Accounts, manche löschen sogar ihren Twitter-Auftritt. Was Twitter weh tun wird, sind schwindende User-Zahlen. Dadurch kann Twitter weniger Werbeeinahmen erzielen. Und das Abstellen des bisherigen Twitter-Aushängeschilds Trump, mit dem der Konzern viel Geld verdient hat, dürfte massiv schaden. Viele der fast 90 Millionen Follower von Trump könnten sich von Twitter dauerhaft abwenden und werden auf eine andere Plattform wandern. Der Exodus begann bereits am Wochenende und kann andauern.

Auch bei Facebook sollten sich Christen meiner Ansicht nach genau überlegen, ob sie solche unglaublichen und massiven Eingriffe in die Meinungsfreiheit noch mittragen wollen. So werden christliche und auch konservative Stimmen seit Monaten immer wieder gesperrt und ausgeschlossen. Daher ist präventives Handeln das Gebot der Stunde.

Facebook beispielsweise untersagt seit Monaten beispielsweise Werbungen zum Thema „Pro Life“ oder auch Banner, die an die Opfer von islamistischem-Terror erinnern. Dieselben Werbungen waren 2019 noch möglich. kath.net verwaltet derzeit noch einen Facebook-Auftritt, baut aber im Jahr 2021 bevorzugt den MeWe-Auftritt auf und wird dort mehr veröffentlichen als auf Facebook. Wir sehen dort und auf Plattformen, auf denen die Meinungsfreiheit hochgehalten wird, unsere Zukunft! Längerfristig werden wir uns daher wohl von Facebook verabschieden.

Viele hellhörig gewordene Menschen verabschieden sich in diesen Tagen auch vom Whatsapp-Messenger (ein Teil des Facebook-Konzerns) und wechseln zu Telegram und Signal. Auch die kath.net-Redaktion wird Whatsapp ab sofort boykottieren, seit Sonntag findet unser interner Austausch bei zensurfreien Unternehmen statt. Mein ganz persönlicher Aufruf ist: Nur Mut, viele kleinen Schritte sind ein langfristiger Weg in die Freiheit, machen wir uns möglichst unabhängig von den großen Tech-Konzernen.

Roland Noé ist Chef des reichweitenstarken katholischen Portals kath.net in Österreich.

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Dieser Artikel wurde 8 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Schade, ich kann Twitter keinen auswischen und zu Parler wechseln, denn ich habe keinen Twitteraccount. Facebook nutze ich auch so gut wie nie außer zur Beobachtung z.B. von Klaus Kelle 😀
    Es ist beunruhigend, dass Big Data so viel Macht besitzt. Ich finde es aber auch ausgesprochen beruhigend, dass die Macht von Big Data begrenzt ist und gerade abgestraft wird. Danke für den Beitrag.

    • Johannes Antworten

      Die Macht Twitter und FB mag man begrenzen können. Man kann auch ausweichen auf andere Plattformen. Das wird auch eine Zeitlang passieren. Dann aber wird das „Imperium“ mit einer schlichten Gesetzesänderung zurückschlagen: z.B. dem gesetzlichen Verbot, in z.B. Deutschland und/oder Europa bestimmte Apps überhaupt technisch zu installieren. Und die derzeit größten Hard-/Softwareanbieter werden das umsetzen (wollen). Die, noch vorläufige, technische Abschaltung von Parler ist m.E. das Menekel an der Wand für die Freiheit der Meinung.

      • Labrador Antworten

        Das geschieht doch schon. Wenn Google (Android) und Apple (iOS) bestimmte Apps verhindern, wenn selbst Mozilla, der Hersteller vom Browser Firefox, von Zensur trötet, dann bleiben PC mit Linux und einem Browser aus der KDE der Gnome, der Xfce … Suite.
        Da gerade viele junge nur mehr Handy/Tablet kennen und für die PC, Maus oder Tastatur Fremdwort sind, ist das ein “heftiger Schlag in die Magengrubel der real existierenden Meinungsfreiheit.

        Sobald die entsprechenden Apps aus dem App Store entfernt sind, haben nur mehr Besitzer eines PC, auf dem man ein beliebiges Betriebssystem installieren kann, Zugriff auf freie Information.

        Das ist für Junge und für wenig Technik-Affine eine große Hürde.

        • Johannes Antworten

          Denke die Kriminalisierung von Programmen (oder Apps) per Gesetz wird plattformunabhängig sein; da wird leider kein Schlupfloch offen gelassen werden. Auch der eigene „altmodische“ PC haut eine Menge an Metadaten heraus, die an entsprechenden Stellen abgegriffen, analysiert und bewertet und rückverfolgbar werden.

  2. Tom S Antworten

    Also ehrlich gesagt verstehe ich die Aufregung nicht. Das sind private Unternehmen die Dienste kostenlos (ok, gegen Werbung und Daten ) zur Verfügung stellen. Daher entscheiden sie auch was dort passiert. Warum sollte ein Nutzer eine Recht darauf haben dort seine Meinung sagen zu können? Egal wer. Das hat auch nichts mit Beschneidung der Meinungsfreiheit zu tun, die kann man immer noch äußern, halt dann nur noch auf dem Marktplatz und nicht auf einer Plattform. Klassisches De-Plattforming also. Viel schlimmer finde ich, das genau so etwas täglich passiert, sowohl bei der Presse, aber noch schlimmer bei den steuerfinanzierten ÖRR. Das. Ist der eigentlich Skandal.

    • Labrador Antworten

      Dann sind Sie auch damit einverstanden, dass eine Telefongesellschaft nach Tageslage bestimmt, ob und mit wem Sie telefonieren dürfen, die E-Werke, ob Sie brav waren und heute Strom bekommen, die Gewichtskontrolle am Eingang zum Bahnhof, ob Sie heute verreisen dürfen. Sind auch alles private Gesellschaften, richtig?

      Lesen Sie dazu doch Danisch “Twitter-Sperren: Das verlogene Geschwätz der Angela Merkel (Bundeskanzlerin)”

      Wo ist eigentlich der Unterschied zu privaten Verlagen? Ist nicht anders als bei Twitter, Facebook und Co. alle sind Privat. Hätten die Zeitungen keine “Leserbriefe” könnten Sie dort gar nicht aktiv teilnehmen. Dieser Punkt scheint mir rgendwie unlogisch.

      Beim ORR Stimme ich ihnen zu, solange sie den Verstoß gegen eine ausgewogene Berichterstattung meinen. Ein Recht auf einen TV Auftritt haben Sie auch bei den ORR nicht

  3. Labrador Antworten

    Schon richtig, aber das private entfernen der Apps reich, um der (großen ?) Mehrheit zumindest Mittelfristig den Zugang zu entziehen.

    Bereits das nächste iOS Update könnte auch eine zuvor installierte Parler-App blockieren.

    Bei Android dauert das aufgrund der sehr seltenen Sicherheitsupdates natürlich länger.

    Ich denke, die werden nicht gleich per Gesetz kommen, das wäre derzeit noch zu früh, sondern erst mal schauen, wie wirkungsvoll, die Flucht ins Privatrecht (@Dansich) ist.

    Wenn mat technikaffin ist und einen PC hat, dann kann man DNS Sperren umgehen, Auf E2E Verschlüsselung setzen, etc, aber dazu benötigt man ein Betriebssystem und einen Browser die das nicht verhindern. Damit fällen OSX und Windows aus, Mozilla schießt den Firefox gerade ins Abseits…
    Klar kann die EU die chinesische Große Firewall kopieren. Dann bleiben uns nur mehr Brieftauben 🙂

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