GASTSPIEL SEBASTIAN REISCHMANN mit guten Argumenten für eine Minderheitsregierung

Fälschlicherweise wird von den politischen Führungen aller Parteien und den Medien so getan, als bestünden nur die Möglichkeiten einer Jamaika-Koalition oder Neuwahlen. Wer so denkt, denkt nicht in politischen Inhalten, sondern rein mathematisch, um auf mindestens 355 Sitze zu kommen. Wer sich die Inhalte betrachtet, muss zu dem Ergebnis kommen, dass das unwürdige Jamaika-Drama, das nun seit Wochen aufgeführt wird, zur Katastrophe führen muss.

Einerseits würde eine solche Koalition Stillstand für unser Land bedeuten oder sogar weitere fatale (Fehl-)Entscheidungen treffen. Zudem hätte ein solches Bündnis gravierende negative Folgen für die Stabilität unseres politischen Systems, und eine weitere Zersplitterung des Parteienspektrums wäre die unvermeidliche Folge.
Tatsächlich verfügen Union und FDP über 46 Prozent der Sitze im Deutschen Bundestag und es gibt keine Möglichkeit, gegen Schwarz-Gelb Politik zu machen oder im Klartext: Dieser Bundestag wird nichts aber auch gar nichts entscheiden, was Union und FDP nicht wollen – solange es denn Union und FDP mit ihren Wahlprogrammen ernst meinen und es selbst nicht wollen.

Möglich und sinnvoll ist daher eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung. Jetzt gibt es eine ganze Reihe politischer Leichtmatrosen, die eine solche Konstellation als instabil bezeichnen. Schnell wird die argumentative Überforderung auch hier mit Phrasen zur internationalen Politik zu kaschieren versucht. Bei rein oberflächlicher Betrachtung mag diese Schutzreaktion aus Angst vor der eigenen Courage, die notwendig ist, um diesen Schritt zu beschreiten, noch einleuchten.

Durchdenkt man diese Option jedoch ganz konkret, so wird jeder klar denkende Mensch sehen, dass eine schwarz-gelbe Regierung nicht weniger stabil wäre, als jede andere Option. Die Regierungsbildung an sich würde ein paar Tage länger dauern, da zunächst eine absolute Mehrheit von mindestens 355 Sitzen nötig wäre, über die Union und FDP nicht verfügen. 14 Tage und ggf. weitere Wahlgänge später, reichen Union und FDP jedoch die einfache Mehrheit der Stimmen und sie könnten einen neuen Kanzler wählen. Verhindern könnte das nur ein gemeinsamer Gegenkandidat von Kommunisten, Grünen, SPD und AFD – mir jedenfalls fehlt jede Vorstellungskraft dazu, dies als realistisch und damit als Gefahr für Schwarz-Gelb anzusehen. Der neue Kanzler ernennt seine Minister und die neue Bundesregierung ist arbeitsfähig wie jede andere Bundesregierung seit 1949 auch.

Natürlich besteht das Risiko, dass die Regierung mit Gesetzesvorhaben scheitern kann. In den meisten Fällen wird das jedoch nicht passieren, da zur Beschlussfassung die einfache Mehrheit reicht. Es müsste kein Abgeordneter einer anderen Fraktion zustimmen, sondern es würde reichen, wenn sich je nach Thema maximal ein Drittel einer anderen Fraktion enthält. Der helle Kopf hat jetzt schon gemerkt: Dadurch würde eine schwarz-gelbe Koalition schon mal mindestens soviel schwarz-gelbe Politik durchsetzen können, wie es in einer Jamaika-Koalition möglich wäre. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dadurch deutlich mehr bürgerliche Politik gemacht werden könnte als bei Hinzunahme der Grünen. Jedes Gesetzesvorhaben, das tatsächlich scheitert, würde es auch bei Jamaika nicht geben. Unter Schwarz-Gelb gibt es jedoch die realistische Option, während es bei Jamaika schon qua Koalitionsvertrag ausgeschlossen wäre, dass es überhaupt zu einem solchen Gesetzesvorhaben kommt.

Kurzum: schwarz-Gelb hat null Risiko. Man bekommt mindestens das durch, was man auch mit Jamaika durchsetzen könnte, muss dafür aber keine grünen Inhalte übernehmen und die eigene Glaubwürdigkeit opfern. Wahrscheinlich bekommt man jedoch deutlich mehr eigene Politik umgesetzt. Im Bundesrat muss man sich ohnehin mit Grünen und Roten einigen, aber diesen Prozess erleichtert auch ein Jamaika-Koalitionsvertrag nicht.

Abseits von der technischen Umsetzung sind linke Inhalte bei der Bundestagswahl krachend gescheitert. Einen wieder und wieder herbei geredeten Wählerauftrag für Jamaika gibt es schlichtweg nicht. Rot-Rot-Grün verfügt gerade mal über 40 Prozent der Sitze und es gibt daher einen klaren Wählerauftrag für eine Ende links-grüner Politik. Wenn eine neue Bundesregierung unter Zuhilfenahme der Grünen weiterhin linke Politik macht, also Politik, die nur eine Minderheit will, während sie von einer Mehrheit abgelehnt wird, haben wir statt einer Minderheitsregierung eine Minderheitenregierung. Im Interesse der Glaubwürdigkeit aller Parteien und für die Stabilität unseres politischen Systems ist deshalb eine Minderheitsregierung die deutlich bessere Option als eine Minderheitenregierung!

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Dieser Artikel wurde 4 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Die AfD hat schon angekündigt die Minderheitsregierung von Schwarz-Gelb zu dulden. Was wäre, wenn … ?

  2. Andreas Schneider Antworten

    Genau diese Überlegung, Herr Droste, wird den Herrschaften im Hinterkopf herumspuken. Und da ja offenkundig die Ausgrenzung eines parlamentarischen Widersachers Priorität gegenüber pragmatischen Entscheidungen genießt, wird man wohl lieber mit „Jamaika“ die Quadratur des Kreises anstreben.

    Und nein – ich bin nicht etwa Anhänger oder Wähler der AfD.

  3. Ruth Antworten

    Mit guten Argumenten dürfte einer Minderheitsregierung durchaus sinnvoll sein – vorausgesetzt Frau Merkel tritt zurück. Dann als Alternative lieber mit Herrn Lindner als Kanzler dieser Minderheitsregierung – er dürfte auch weniger Probleme haben, von einer „Mehrheit“ gewählt – akzeptiert zu werden.

    Gleichzeitig darf man nicht vergessen, was die Ziele der einzelnen Parteien sind. Im Wahlprogramm der AfD, die nun mal 3-stärkste Kraft bei den Bundestagswahlen wurde, findet man viele, durchaus sinnvolle Vorschläge – es wäre nichts verkehrt daran, davon das ein oder andere ebenfalls umzusetzen.
    Viele Punkte darin haben viel mit dem Programm der FDP gemein!

    Wenn sich die CDU/CSU auch wieder darauf besinnen würden, Politik im Interesse des eigenen Landes zu machen und sich von dieser überheblichen Art verabschieden würden, könnten sie auch das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen. Dazu bedarf es aber auch kompetenter und vor allem engagierter Mitglieder an der Basis, die sich auch trauen, laut gegen die Fehlentscheidungen der letzten Jahre laut aufzumucken.
    Mit Frau Merkel und Herrn Seehofer an der Spitze werden sich noch mehr Wähler abwenden.

    Doch ich befürchte, so wie uns die Meinungsmacher-Medien seit Wochen seit Wochen berieseln, wird aus lauter Macht- und Scharf-auf-Posten-Besessenheit Jamaika an den Start gehen – also weiter wie gehabt.

  4. Norbert Meier Antworten

    Das Bedauerlichste an Ihrem Artikel ist eben die Tatsache, dass dieser so offensichtliche Weg von den Mainstream-Medien schlichtweg ignoriert wird. Lieber werden Jamaika-interessierte Politiker zitiert, in deren Aussagen Begriffe wie „demokratische Verantwortung“ oder „Wählerwille“ dominieren, die inzwischen ebenso zu leeren Worthülsen verkommen sind wie viele andere Werte. Gerade der „Wählerwille“ sollte doch offensichtlich sein: so wie es im letzten Parlament eine linke Mehrheit gab (dank der 5-Prozent-Grenze), so wurde diesmal ein Parlament mit Mitte-Rechts-Mehrheit gewählt. Und da hat dann eine Beteiligung der Grünen reinweg gar nichts mit dem „Wählerwillen“ zu tun.

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