GASTSPIEL Stefan Simmnacher fragt: Kann denn Steuer Sünde sein?

„Die Stadt Monheim im Bundesland Nordrhein-Westfalen hat jahrelang einen zu niedrigen Gewerbesteuersatz von den ansässigen Unternehmen verlangt“, stellte heute die EU-Wettbewerbskommissarin Verstager fest. Sie verlangt von der Gemeinde Monheim, die zu wenig gezahlten Steuern von einem Gewebesteuer zahlenden Unternehmen aus Irland samt Zinsen einzuziehen. Und zwar nur von diesem Unternehmen, weil das irgendwie böse ist, nur vier Millionen Euro Steuern bezahlt hat und sowieso zu viel Gewinne erwirtschafte.

Die Kommunen Harsewinkel und Langenfeld werden nach Ansicht von Beobachtern mit unter 400 Punkten Hebesatz bei den Gewerbesteuern die Nächsten sein. Man sei noch auf der Suche nach einem passenden Unternehmen in diesen Städten.

Experten erwarten nun auch ein Vorgehen der EU gegen die Umsatzsteuer in Deutschland, die im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nur bei 19% statt 25% liegt. Diese Steuersubvention würde dann von den Bürgern unter Vorlage der Quittungsbons nachgezahlt werden müssen.

Bevor Mancher nun in den großen Hype gegen das böse Apple-Imperium einstimmt, sollte er dieses fiktive Szenario einmal durchspielen. Denn es unterscheidet sich in Nichts von dem aktuellen Vorgehen der EU-Kommission gegen dieses eine Unternehmen. Es ist simple Willkür, mit der die Kommission hier gegen ein bestimmtes Unternehmen vorgeht. Bislang haben wir nichts gehört von einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland wegen seiner niedrigen Steuersätze und Lokalsteuern. Überhaupt muss man sich mal das Schlagwort „Steuersubvention“ auf der Zunge zergehen lassen. Was ist denn eine „Steuersubvention“? Eine Subvention wäre zum Beispiel eine Bevorteilung eines konkreten Unternehmens mit niedrigen Steuern oder dem Verzicht auf Steuern im Gegensatz zu anderen Wettbewerbsteilnehmern im gleichen Land. Aber niedrige Steuersätze sind doch keine Steuersubvention. Wenn wir in Deutschland beschließen, keine Steuer auf Katzen zu erheben, obwohl die Franzosen das tun… Ist das dann eine Steuersubvention?

Natürlich siedeln sich Unternehmen dort an, wo die Steuersätze niedrig, die Bürokratie gering, die Standortbedingungen und die Infrastruktur gut sind. Es ist Aufgabe der Staaten, die Balance zu finden, wie niedrig sie die Kosten gestalten können, um gleichzeitig gute Straßen, Breitband oder Kultur und soziale Stabilität sicherzustellen. Das nennt man Wettbewerb und es ist der Wettbewerb, der Staaten daran hindert, in die eine oder andere Richtung zu überziehen. Tut er es doch, wird die Rechnung später kommen.

Aber viel Schlimmer ist es, wenn andere Staaten sich einmischen wollen. Wenn sie Ihre eigene Steuerpolitik als alleinig seelig machend ansehen und gleichzeitig eigene Pseudo-Steuersubventionen tunlichst nicht diskutieren wollen. Stichworte könnten bezüglich Deutschland sein: Kinderfreibetrag, Steuerfreigrenze, Abschreibungsregelungen, Abwrackprämien, Konjunkturpakete, Vorsorgebeiträge, Riester-Rente und vieles mehr. Es ist nicht Aufgabe der EU, sich in die nationale Steuerpolitik einzumischen. Das war und ist explizit in den europäischen Verträgen festgelegt. Nach den Grenzüberschreitungen bei der Haftung für Staatsschulden und der Niedrigzinspolitik ist hier der nächste Dammbruch zu befürchten. Ich jedenfalls finde es gefährlich für unseren Mittelstand, was sich da zusammenbraut. Denn auch hier bei uns könnten wir viele angebliche Subventionen mit Brüssel zu debattieren haben, wenn die europäische Kommission ihr neues Spielzeug so spannend findet. Dann geht es aber nicht mehr um das angeblich so böse Apple-Imperium. Dann trifft es den Handwerksmeister in Harsewinkel – übrigens laut Gewerbesteuerliste 2015 des IT.NRW: „die Mähdrescherstadt“

Stefan Simmnacher ist Politikwissenschaftler, hat an der London Guildhall University und an der Universität Trier jeweils mit einem Master als political scientist abgeschlossen. Er ist beruflich Geschäftsführer eines politischen Wirtschaftsverbandes in Nordrhein-Westfalen und war ehrenamtlich lange Zeit kommunalpolitisch engagiert.

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Dieser Artikel wurde 4 mal kommentiert

  1. Jens P. Antworten

    Grundsätzlich habe ich auch ein Störgefühl, wenn willkürlich einfach Geld ohne eine richtige Rechtsgrundlage eingetrieben wird.
    Mich stört es aber auch sehr extrem, dass es Irland betrifft und nicht Luxemburg. In Irland sind meines wissens die Steuersätze gesetzlich geregelt, in Luxemburg gibt es Privatabsprachen, die unter Verantwortung von Juncker getroffen wurde. Es zeigt sich wider mal, dass Juncker kein Europäer ist, sondern nur an Luxemburg denkt. Jetzt wird ein Steuerwettbewerber beschädigt, obwohl Luxemburg wesentlich unfairere Praktiken durchführt.

  2. Felix Becker Antworten

    Eine bestimmte Verwendung der Begriffe „Steuersubvention“ und „Steuerschlupflöcher“ stört mich schon lange! Wenn Monheim niedrige Steuern erhebt und Unternehmen das nutzen, dann handelt es sich doch nicht um eine Subvention, sondern um Wahrnehmung der grundgesetzlich garantierten kommunalen Hoheit und deren Nutzung durch Steuerzahler! Das gilt auch für die Festlegung des Mehrwertsteuersatzes durch die BRD!
    Mit Verwendung der Begriffe „Steuersubvention“ und „Steuerschlupflöcher“ soll ein politisches Ziel durch Aufwiegelung der Stimmung in der Bevölkerung erreicht werden. Dabei ist es so, dass (sofern es die gibt) Steuerschlupflöcher und Steuersubventionen durch Politiker erzeugt werden – hier liegt dann die „moralische Schuld“ und nicht bei denen, die Steuergesetze nutzen!

  3. Friedrich Albrecht Antworten

    Also ich kann Herrn Simmnacher nicht zustimmen. Er hat aus meiner Sicht einfach ausgeblendet, daß der Vergleich mit dem hiesigen Handwerker unpassend ist, weil es sich bei Apple nicht um Gewinne handelt, die in Irland erwirtschaftet wurden, sondern um Gewinne aus anderen EU-Staaten die per interner Verrechnungstricks nach Irland verschoben worden sind. Von einem Autor seiner Vorbildung und Position hätte ich einen seriöseren Beitrag erwartet.

  4. Stefan Simmnacher Antworten

    Lieber Herr Albrecht, ein Einwurf, der immer wieder wiederholt wird und der nicht ganz auszublenden ist. Aber das macht den sich gut anhörenden Satz „Gewinne müssen dort versteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden“ nicht wirklich klarer.
    Wenn BMW ein Fahrzeug produziert und exportiert, so profitiert i.d.R. Deutschland von der Körperschaftssteuer und die Kommune von der Gewerbesteuer. Im Verkaufsland fällt Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer an. In einer globalisierten und arbeitsteiligen Welt wird es aber immer schwerer klare Produktionsorte, Entwicklungsorte, usw zu definieren. Wo entsteht denn das Produkt IPhone? Dort wo es entwickelt wird und wo das KnowHow herkommt? Dort, wo die Hauptkomponenten gefertigt werden? Dort, wo es assembled wird? Dort, wo es verkauft wird sicherlich nicht! Oder dort, wo die Firmenzentrale sitzt? Wie definieren Sie denn da noch Verrechnungstricks? Fazit – und das finde ich sehr seriös: Natürlich wählen Unternehmen Standorte, wo Ihre Gewinne (und nur die) versteuert werden, indem sie dort ihre Zentrale ansiedeln. Die Vorstellung, woanders (Absatzland, Entwicklungsorte) fielen keine Steuern an ist einfach falsch. Und genau da hat der Standortwettbewerb seinen Sinn. Hätte Apple nur einen Briefkasten in Cork, wäre es absolut okay, wenn internationale Organisationen dagegen vorgingen. Aber das ist nicht so und genau deswegen lehne ich die o.g. Platitüde „versteuern wo erwirtschaftet“ ab. Die, die sie gebrauchen,kommen bei der ersten Nachfragte, wie sie das denn meinen, meist arg ins Schwitzen. Aber danke für die Chance, dazu zu antworten.

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