Gestern war ich nach längerer Zeit wieder einmal im nordrhein-westfälischen Landtag. Zwischen 2004 und 2007, müssen Sie wissen, war ich – außerhalt von Wochenenden und Ferien natürlich – fast täglich hier. Als Landtagskorrespondent der BILD war mein Job, Geschichten abseits der Tagesordnung zu finden. Wo ist mit Geld geschlampt worden? Wer plant morgen eine nachrichtlich interessante politische Initiative? Welches Politiker hat ein sexuelles Verhältnis mit seiner Fahrerin? Wer hat als verantwortlicher Kommunalpolitiker für ein großes Bauprojekt gestimmt und besitzt nun plötzlich ein Ferienhaus in Skandinavien? Ja, der politische Alltag ist interessanter als viele Bürger denken.

Ich habe meinen Job mit Leidenschaft gemacht, wenngleich man als Journalist der bösen BILD-Zeitung nicht allzu beliebt bei bei den Kollegen von Regionalzeitungen und Staatsfunk in der Landespressekonferenz ist. Die sprechen in der Kantine beim Salatteller gern auch mal ab, wie sie gemeinsam – aus rot-grüner Sicht – irgendein Ereignis am nächsten Tag kommentieren oder berichten werden. Wenn wir drei, vier eher schwarz gesinnten Journalisten an deren politisch korrekten Mittagstisch vorbeischlenderten, zwinkerten wir uns zu, wohl wissend, was die „Rothühner“ da wieder ausheckten.

Das erste, was mir gestern auffiel, war das Parkverhalten mancher mutmaßlicher Abgeordneter in der Tiefgarage des Landtags. Unglaublich, wie viele Fahrzeuge so geparkt wurden, dass zwei Stellplätze belegt sind. Sozialverhalten unterirdisch! Kurz habe ich überlegt, ob ich die Autos solcher asozialer Volksvertreter fotografieren und veröffentlichen soll, mich dann aber dagegen entschieden. Das würde bestimmt irgendwie gegen Persönlichkeitsrechte der Falschparker verstoßen, und FDP und Grüne würden massiv gegen mich vorgehen…

In der Eingangshalle des Hohen Hauses traf ich direkt den besten Lobbyisten, den die nordrhein-westfälische Landespolitik in den vergangenen 50 Jahren erlebt hat. Natürlich sage ich nicht wer und für wen, aber wir taten sofort das, was Lobbyisten und Journalisten bei solchen Gelegenheiten grundsätzlich tun: wir verabredeten uns für demnächst zum Mittagessen, ließen gegenseitig unsere Familien grüßen und gingen dann unserer Wege.

Es wäre mal eine Studie wert, wie sich Politiker verhalten, die man seit mehr als zehn Jahren kennt, wenn da so ein Schreiberling aus der Vergangenheit, der längst nicht mehr auf den Einladungslisten für Häppchen und Reisen steht, plötzlich wieder auftaucht. Ein Minister freute sich immerhin, als er mich entdeckte und lobte, wie gesund ich aussehe. Er aber auch, und außerdem ist er einer der beiden Top-Besetzungen im Kabinett von Armin Laschet. Wir tranken schnell einen Cappuccino. Ein anderer Minister, von dem ich annahm, dass er mich nett findet, sah mich, drehte sich sofort zu einer Mitarbeiterin um und tat geschäftig so, als habe er mich nicht gesehen. Und dann rauschte noch einer vorbei, beseelt von seiner eigenen Wichtigkeit, der früher nicht oft genug Themen bei mir anbot, wie toll er doch eigentlich ist.

Politiker und Journalisten können letztlich keine Freunde sein, sagt man. Das stimmt nicht. Aber eine Studie übers Parken und schnell Weggucken wäre der Zirkus am Rhein allemal wert…

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Dieser Artikel wurde 9 mal kommentiert

  1. Konrad Kugler Antworten

    Der Beitrag ist wirklich interessant, auf die Studie verzichte ich großmütig.

    Ich habe einmal am Stammtisch ganz energisch gegen die Behauptung protestiert, alle Politiker seien korrupt. Heute sehe ich das etwas differenzierter. Die unangemessene Höhe der Diäten und die steuerfreie Kostenpauschale sehe ich inzwischzen als korrumpierend an.

    Eine Person, die im Dienst des Staates reich wird, kann keinen edlen Charakter haben.

    ja mei

  2. Wolfgang Andreas Antworten

    Lieber Herr Kugler!

    Ich habe eine Kladde, diese nenne ich „Weise Worte“ und schreibe dahinein Zitate, kluge Worte, wichtige Abhandlungen; an meinen Schrank klebe ich auf DIN A4 das „Weise Wort der Woche“. – Stammt der Satz „Eine Person, die im Dienste…“ von Ihnen?
    Freundliche Grüße!
    PS: In München gab es vor 15 Jahren einen Lehrer, der schrieb jede Woche unter dem Titel „Ja mei“ eine wunderbare Glosse in eine kleine Zeitung. Vielleicht lebt er noch?

  3. colorado 07 Antworten

    Werter Herr Kugler, Sie schreiben, „Eine Person , die im Dienst des Staates reich wird, kann keinen edlen Charakter haben.“ So pauschal würde ich das nicht sagen, aber in vielen Fällen scheinen Sie recht zu haben.
    Aber noch einen Elias Canetti dazu: „Der Erfolg ist ein Rattengift. Nur wenige kommen davon.“

    • W. Lerche Antworten

      Meinen Sie mit Erfolg den persönlichen Aufstieg mit Bereicherung und Vollvesorgung bis zum Lebensende (und das der holden Gattin) oder meinen Sie das für uns alle nützliche Ergebnis der Tätigkeit von Volksvertretern?
      Falls Sie letzteres meinen, würden mich einige Beispiele sehr interessieren. Es kann doch kein Zufall sein, dass für mich, ein fleißiger Selbständiger als Vertreter der Mittelschicht in den letzten (mindestens) 20 Jahren nicht ein positives Korn im Ergebnis „erfolgreicher“ Regierungstätigkeit in Bund und Land abgefallen ist, während diese Leute sich regelmäßig die Bezüge erhöhen…von meinem Geld.
      Zum anderen gönne ich diesen „Volksvertretern“ die pauschalen, d. h. bürokratiefreien Bezüge. Ich dagegen sitze an Wochenenden, wenn andere ihre Freizeit in der Sonne verbringen, am Schreibtisch und muss jeden Beleg korrekt buchen und abheften. Und spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung wird alles nochmal durchgekaut und jeden Tag mindestens 1000 Euro Nachzahlung konstruiert. Ich möchte auch pauschal versteuert werden, so wie unsere Volksvertreter! Ich schaffe Werte und habe es bürokratisch schwer, dagegen verballern Volksvertreter Werte und machen es sich leicht. Ich möchte, dass es alle so leicht pauschal versteuern können, so wie unsere Politiker das für sich selbst genehmigen. Dahinter hängt Lebenszeit, Regenerierung, Lebensqualität, die sie sich selbst genehmigen und allen anderen entziehen.

  4. colorado 07 Antworten

    Ich meine Ersteres, sehr geehrter Herr Lerche, und dass bei Ersteren der Charakter meist Schaden nimmt.

    • W. Lerche Antworten

      Herr Schulz ist doch auch durch seine Volksvertreter-Tätigkeit in Brüssel reich geworden. Ich stelle mir gerade vor, wie Ihre Aussage zu ihm passt.

  5. Alexander Droste Antworten

    Achtung, Folgendes nicht auf die Goldwaage legen!

    „Politiker und Journalisten können letztlich keine Freunde sein, sagt man. Das stimmt nicht. Aber eine Studie übers Parken und schnell Weggucken wäre der Zirkus am Rhein allemal wert…“

    Dürfen denn Politiker und Journalisten überhaupt Freunde sein? Wo doch Journalisten als wichtigste Aufgabe haben in den Journalen zu petzen, was Politiker schlimmes auskungeln. Und dann ist da ja die allgegenwärtige „Lügenpresse“.

    Schließlich: „Eine Person, die im Dienst des Staates reich wird, kann keinen edlen Charakter haben.“ Das trifft natürlich auf alle Politiker zu und auf die ganzen bestochenen Journalisten natürlich auch. Wer von den Journalisten die Traute hat, Tacheles zu schreiben ist schnell weg, wer die Traute als Politiker hat Tacheles zu reden, auch. Das bedeutet, dass die Ausnahmen darin bestehen, dass sie zu feige sind.

    So, genug böse gehetzt. Stimmt ja auch gar nicht.

    Achtung: Folgendes auf die Goldwaage legen!

    Korruption, Heuchelei und Bigotterie sind der Todfeind der Demokratie. Mehr Ehrlichkeit und Ethik im Sinne von Meinungsfreiheit, Meinungsäußerung und Mitbestimmung wünsche ich mir. Transparenz tut derzeit insbesondere Not, sonst driften die Lager noch weiter auseinander.

    Wer macht eigentlich mit bei „Deutschland spricht“?

  6. W. Lerche Antworten

    Ja und nun lieber Herr Kelle, wie kriegen wir die Moral wieder hin?
    War es nicht Herr Kohl (CDU), der als Letzter bis zuletzt die Besinnung auf unsere Werte auf der Agenda hatte, eine Erneuerung in diesem Sinne? Und wie wurde er dafür belächelt und von wem! Und wer unterstützte ihn dabei?

    Wenn Merkel über Werte spricht, auch über europäische Werte, dann frage ich mich stets, was sie damit meint. Vermutlich meint sie damit, alle die nach Deutschland wollen, von zu Hause abzuholen.

    Wenn plötzlich alle ihr Häuschen verkaufen wollen, die anderswo ihren verdienten Lebensabend zu verbringen, dann wird man dafür nicht viel bekommen.

    Ob die Leute nun hingucken und gleich wieder weggucken, weil sie erschrocken sind, Sie zu sehen, erachte ich als das kleinere Übel. So ungefähr stelle ich mir vor, wie das im alten Rom gelaufen ist.

  7. S v B Antworten

    Ach ja, alleine mit der Hajo Friedrichs’schen Grundforderung, dass man sich „als Journalist niemals mit irgendeiner Sache gemein machen dürfe, nicht einmal mit einer guten“ haben wohl die meisten Journalisten heute doch schon ganz enorme Schwierigkeiten.

    Ich habe mich bisweilen gefragt, ob ich selbst bereit wäre, mich als Politikerin durch reale, bzw. vermeintlich unabdingbare Denk-, Kommunikations- und Verhaltensmuster verbiegen zu lassen. Die Beantwortung einer solch grundlegenden Frage ist äußerst schwierig, weshalb sie mutmaßlich im Theoretischen stecken bleiben muss. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Zahl derjenigen, die sich ernsthaft gelobt haben, einen überdurchschnittlichen moralischen Maßstab an die eigene Person anzulegen, der es ihnen erlaubt, allmorgendlich dem eigenen Konterfei mit Selbstrespekt entgegen zu treten, inzwischen merklich abgenommen haben könnte.

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