Man fasst sich an den Kopf und ist fassungslos. Fast möchte man über die Verschwörungstheorie von den Einflussagenten nachdenken, die im Auftrag der Herrschenden eine neue politische Kraft zerstören sollen. Warum leistet sich eine Partei, die ständig unter dem Eticket „rechtsextrem“ angegriffen wird, einen Vorsitzenden wie Alexander Gauland? Björn Höcke mit kantigem Kinn und unnachahmlich abstoßender Gestik im Dresdner Bierkeller? Ein Provinzfürst aus Thüringen. Wolfgang Gedeon – unappetitlicher Landespolitiker mit Hang zum Antisemitismus? Eine Zumutung für ein deutsches Parlament. Aber Gauland? Vorsitzender der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag? Angeblich ein Profi, gestählt durch jahrelanges Strippenziehen in der CDU?

Warum redet der so? Warum will der Mann all das wieder einreißen, was er selbst geschaffen hat? Warum – um es im Volksmund zu sagen – kann er nicht zum Thema Nazizeit wenigstens die Schnauze halten, um nicht all den vielen anständigen und keineswegs radikal denkenden Mitgliedern und Mandatsträgern seiner Partei nicht in die Rücken zu fallen?

Warum müssen „Rechtskonservative“ unbedingt immer wieder eines der größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte öffentlich relativieren? Natürlich kann die über lange Strecken großartige Geschichte Deutschlands nicht auf „diese zwölf Jahre“ reduziert werden. Natürlich hat Deutschland in Kultur und Wissenschaft, übrigens auch in der Politik, Großartiges geleistet. Aber ein Weltkrieg mit 52 Millionen Toten und unsäglichem Leid rund um den Globus, mit sechs Millionen vergasten und verbrannten Menschen – Männern, Frauen und Kindern – sind für Gauland ein „Vogelschiss“? Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Dieser Mann, der unablässig – übrigens zu recht – fordert, dass Angela Merkel in den Ruhestand gehört, er gehört selbst so schnell wie möglich in den Ruhestand. Nicht nur, weil er „Vogelschiss“ gesagt hat – sondern weil er offenbar genau so denkt!

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Dieser Artikel wurde 16 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Die Reaktion auf eine solch törichte Banalisierung eines Jahrhundertverbrechens könnte man ebenso kommentieren, wie Sie es tun. Aber es ist ja ein prima Anlass, wieder einmal die Sau durchs Dorf zu treiben und dann noch mit „Volksverhetzung“ eins obendrauf zu setzen.

  2. Heidi Bose Antworten

    Ja, das fällt mir immer wieder auf: wer in der ehemaligen DDR in die Schule gegangen ist, hat vom 3. Reich anscheinend sehr wenig – und wenn – dann nicht als Schuld und Verantwortung erfahren. Und da auch das Christentum nicht existent war mit mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa fehlt ebenfalls anscheinend jedes Gefühl für diese unbeschreiblich grausige Zeit. In der ehemaligen DDR versteckt man sich dann ganz häufig hinter Stalin. Eigentlich ist hier auch schon eine Integration gescheitert.

    • Lesebrille Antworten

      Wer an einem Verbrechen teilnimmt, ist schuldig. Unschuldig ist also, wer nicht daran teilgenommen hat, weil es zu einer Zeit vor der eigenen Geburt stattfand. Die heutigen Deutschen sind darum an den Ereignissen von damals unschuldig und tragen dafür auch keine Verantwortung.

    • W. Lerche Antworten

      Die vertriebenen Menschen und die in Ostdeutschland haben die Folgen des 3. Reichs hart erlebt und getragen. Vermutlich im Gegensatz zu Ihnen.

      • Heidi Bose Antworten

        Auch dieses Leid ist unbenommen, aber hier nicht das Thema. Hier geht es um die Jahre davor.

        • W. Lerche Antworten

          Sie schreiben „In der ehemaligen DDR versteckt man sich dann ganz häufig hinter Stalin. Eigentlich ist hier auch schon eine Integration gescheitert.“ – Meinen Sie damit die Zeit „davor oder danach“?
          Es geht hier schon auch darum, was Sie schreiben.
          Und was bedeutet Ihr Satz mit der „Integration gescheitert“? Meinen Sie mich? Oder Meinen Sie eine Integration in die heutige dekadente west-bundesdeutsche Gesellschaft? In was genau müsste man sich da hinein integrieren, sofern es da Ihrer Meinung nach welche Defizite gäbe?

          • Heidi Bose

            Hallo Herr Lerche,
            so sehr westlich sehe ich unsere heutige dekadente westdeutsche Gesellschaft gar nicht. Wir hier im Westen haben schon auch viel integriert, über das sich diskutieren ließe. Ich bin halt katholisch großgezogen mit dem: besinnen, bereuen, bessern, bekennen, büßen. Jetzt, nicht mehr katholisch, erkenne ich die Bedeutung dieser Worte als philosophische Grundlage aber immer noch an. Wie will man schlimme Ereignisse künftig verhindern, wenn man sich der Verantwortung aus der Vergangenheit nicht stellt? Ein persönlicher Angriff gegen Sie lag und liegt mir fern!

          • W. Lerche

            Wenn Sie die staatspolitische Aufarbeitung des Nationalsozialismus meinen, dann stellen wir sowohl in der östlichen als auch den 3 westlichen Besatzungszonen Defizite fest. Teilweise gibt es Gemeinsamkeiten und ebenso unterschiedliche Wege:
            Gemeinsam, was mir auf die Schnelle oberflächlich einfällt:
            Wehrmacht-Generäle wurden auf beiden Seiten in den Aufbau der jeweils neuen, jungen Armee eingebunden: In der DDR General Paulus (Stahlingrad), in der BRD General-Feldmarschall Milch (Top-Manager, Organisations-Talent, Realist) für den Aufbau der Luftwaffe. (Übrigens hörte man nicht auf ihn bzgl. des Einkaufs von Starfighter, was viele Jahre lang zahlreichen jungen Piloten das Leben kostete.)
            Unterschiede:
            Ein Fall „Filbinger“ (Stuttgart), jemand mit „Verantwortung für Deutschland“, die Herr Kelle Herrn Gauland in seinem Beitrag abspricht, wäre in der DDR undenkbar gewesen.

            Im Wort Nationalsozialismus steckt das Wort „Sozialismus“. Schon als Kind fand ich es kurios, dass in der DDR genauso aufmarschiert und in Schulen zum Apell angetreten wurde, wie es die verhassten Nazis zurvor taten. Dieses zu sagen oder offen zu vergleichen wäre größter Frevel gewesen, führte zur Hexenverbrennung.
            Und man schaue mal die Mitglieder der Linken, wie viele damals mitmarschiert sind, möglicherweise sowohl bei Hitler als auch bei Honnecker! Ja natürlich, die Leute sind lernfähig, sie können für ihre früheren Fehler nichts…. hmmm.
            Übrigens, auch unsere Bundeskanzlerin als allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit in der DDR, als aktiver, zuverlässiger Reisekader, als stabile Säule des Bollwerks im Kampf gegen den Kapitalismus, marschierte im Gleich-Tritt der Genossen. Wer hätte gedacht, dass die mal 16 Jahre (fast eine Generation) mal Kanzerlin des kapitalistischen Deutschland sein würde… 🙂

            Und was gegen Herrn Gauland inszeniert wird, dass ist moderne Hexenverbrennung. Es geht gar nicht darum, was er meinte oder zum Ausdruck bringen wollte, es geht nur darum, ihn als besonnen Kopf der AfD zu verunglimpfen. Er hat danach klargestellt und seine Wortwahl bereut. Aber auch dass nutzte den damaligen Hexen nichts. Gab es da nicht mal eine Universität in Rinteln, die für Hexen-Gerichte Gutachten erstellten, nach denen dann geurteilt worden war. – Na ja, so viel im Wesentlichen hat sich bis heute nicht geändert. Wie sollte es auch, denn die Menschen ändern sich nicht. Nur weil wir heute mit Smartphone im 5-G-Netz surfen, macht uns das nicht zu anderen, besseren Menschen.

            Warum also ehem. DDR-Bürger den Nationalsozialismus weniger verarbeitet haben sollten als Bürger der BRD, erschließt sich mir nicht.

  3. Ruth Antworten

    Manchmal habe ich den Eindruck, man will Herrn Gauland unbedingt falsch verstehen.
    Wie lange ist die Weltgeschichte? Wieviel Unleid geschah in den letzten 2000 oder 3000 Jahren? Wo überall überall gab es Kriege, Kriegsverbrechen während dieser 2000-3000 Jahre? Wie lange dauerte die Zeit die man heute als Drittes Reich bezeichnet? Wieviel Jahre?

    Ich will gewiss nicht die Verbrechen, die in dieser Zeit des Dritten Reiches geschahen, verharmlosen, anzweifeln oder gar bagatellisieren.
    Und ich unterstelle auch einem Herrn Gauland, dass er dies nicht beabsichtigt hat.

    Hat er nicht vielmehr auch darauf hinweisen wollen, was in all den anderen über 2000 Jahren für politische Verbrechen geschahen. Warum diese relativ kurze Zeitspanne des Dritten Reiches immer wieder und wieder politisiert wird.
    Was war mit dem Kosovo? Was war in Vietnam? Oder dem Koreakrieg? Dem Spanischen Bürgerkrieg, dem 1. Weltkrieg oder der Mexikanischen Revolution? Dem Russisch-Japanischen Krieg und dem Burenkrieg? Was war mit Armenien, als es zu einem regelrechten Völkermord kam?
    Was jedoch wird immer wieder thematisiert? Die Gräueltaten während der mexikanischen Revolution? Nein? Oder die im spanischen Bürgerkrieg? Auch nicht.
    Aber immer eifrig drauf auf uns Deutsche, wegen dem Dritten Reich, wofür weder Sie, sehr geehrter Herr Kelle, noch ich noch irgendjemand sonst heute, der nach 1930 geboren wurde, auch nur in irgendeiner Weise verantwortlich ist.
    Aber dennoch wird auf „uns“ immer wieder rumgehackt, wir sollen Vergeltung zahlen, sollen verantwortlich für alles und immer wieder sein. Und natürlich sollen wir uns schuldig fühlen, nicht nur unsere Großeltern, sondern auch unsere Eltern, wir sowieso und am besten auch noch unsere Kinder und Enkelkinder – und natürlich eifrig weiter Vergeltung „bezahlen“.

    Ist nicht irgendwann mal genug?

    Kann man nicht genauso intentsiv und medial engagiert auf Probleme, Fakten und Tatsachen hinweisen, die von Mitgliedern der AfD geäußert werden, die durchaus notwendig, sinnvoll und korrekt sind? Nein, dazu schreibt man keine Zeile, das wird alles totgeschwiegen. Aber wehe ein Herr Gauland verwendet Worte, die wenn man nur will, auch missverstehen kann, dann aber Hau drauf aus allen Reihen?

    Das ist genauso absurd wie die Verurteilung eines über 90 jährigen Greises wegen Mordes, obwohl dieser als Teenager nur als Buchhalter im Dritten Reich gearbeitet hat. Oder eine hoch in die 80 jährige Alte in den Knast zu stecken, weil sie dummes Zeug plappert – dafür läßt man aber Vergewaltiger und „Männer mit Messern“ lieber frei herumlaufen.

    • Heidi Bose Antworten

      Meine Mutter war im Krieg Lazarettschwester. Sie hat alle zusammengeflickt, zusammengeschlagene Juden, verletzte Soldaten, die schnell wieder in den Krieg sollten und auch SS’ler und SA’ler („die sind am Schwersten gestorben“).
      Mein Vater war im Afrikacorps von Rommel in Sizilien stationiert. Abgeschossen vor Griechenland, aus dem Wasser gefischt, zusammengeflickt und wieder in die Maschine. Zweiter Abschuss im Suezkanal. Danach, zu Glück, sechs Jahre in englischer Gefangenschaft in Australien.
      Meine Tante, jetzt rüstige 98 Jahre alt, als junges arbeitsloses Mädchen vom Arbeitsamt der Wehrmacht zugeteilt. In Lyon musste sie Formulare ausfüllen für die Deportierung von Franzosen in deutsche Fabriken. Sie spricht viel davon.
      Alles Naziverbrecher für den Rest ihres Lebens, in dem sie sich reichlich schwer taten und tun? Und ich, bin ich auch noch schuldig?

  4. S v B Antworten

    Der eine oder andere AfD-Politiker gefällt sich bisweilen offenbar in der Rolle des Elefanten im Porzellanladen. Im Falle des politisch so erfahrenen Herrn Gauland ist dies sicher verwunderlicher ist als in manch anderem Falle. Vielleicht ist Gaulands neuerlicher Faux-pas einer idiotischen Wortwahl tatsächlich einem altersgerecht zunehmenden Starrsinn anzulasten. no-frills-communication, sozusagen. Anders kann ich mir seine sich häufenden lapsus allmählich nicht mehr erklären. Schade eigentlich.

  5. Hans Wolfgang Schumacher Antworten

    Was aus Alexander Gaulands Rede gerne verdrängt wird ist sein wichtiger Satz:

    “ Ja. Wir bekennen uns zur Verantwortung für die 12 Jahre.“
    Was aus seiner Rede aber lediglich hängenbleibt, ist der ominöse Vogelschiss.

    Nun hat Alexander Gauland in seiner Rede aber weder die 52 Millionen Toten des 2. Weltkriegs noch den Holocaust als Vogelschiss bezeichnet.

    Deutlich erkennbar gemeint war, dass im Vergleich zu der über tausendjährigen Deutschen Geschichte, die ZEITSPANNE der 12 Jahre nur ein Vogelschiss sind.

    Man darf die Geschichte Deutschlands eben nicht auf die 12 Jahre Naziherrschaft reduzieren. Dagegen anzugehen nicht nur legitim, sondern notwendig. Und nein, man muss zu diesem Thema nicht „einfach mal die Schnauze halten.“

    Aber zum Umgang mit allen Aussagen von AfD- Politikern gilt der Satz von Kardinal Richelieu:

    „Man gebe mir 6 Zeilen, geschrieben von dem redlichsten Menschen, und ich werde etwas darin finden, um ihn aufhängen zu lassen.“

    • W. Lerche Antworten

      Treffender Kommentar, Herr Schumacher!
      Lieber Herr Kelle, was sollte denn Ihrer Meinung nach die Alternative zum „Maulhalten“ sein? Und wie darf man über dieses Thema 3. Reich frei reden, oder erfordert es Rituale?
      Es scheint so zu sein, dass wenn man bloß das 3. Reich erwähnt, bei den „korrekten“ Zuhörern alle Muskeln anspannen und sie darauf warten, sich mindestens vom Gesagten distanzieren zu müssen. Dann wird gar nicht mehr richtig hingehört, die Ohren verkrampfen, man empört sich und man instrumentalisiert es. Was in welchem Kontext gesagt und damit gemeint worden ist, spielt keine Rolle. – Kann man denn nach so langer Zeit nicht vernünftig und ohne Scheu und ohne Phrasen über dieses Thema reden? Oder geht das nur privat zu Hause?

      • Klaus Kelle Antworten

        Mit „Maulhalten“ meine ich nicht, dass man darüber nicht reden soll – ganz im Gegenteil. Ich meine die Formulierung. Wenn ein von „uns“ entfesselter Weltkrieg mit 52 Millionen Toten, darunter sechs Millionen Juden und Regimegegner, die erschossen und vergast wurden, für manche Leute ein „Fliegenschiss“ ist, dann frage ich mich, ob das nicht die ganz falsche Formulierung ist von einem, der Verantwortung für Deutschland tragen will..

        • W. Lerche Antworten

          Na ja, kann man so zuspitzen, muss man aber nicht. Leider findet Politik und verantwortliches Handeln nur im „Sagen“ und „Reden“ statt, anstatt durch Handeln. Anders als Sie nehme ich Anstoß am Handeln derjenigen, die in und für Deutschland seit einigen Jahren Verantwortung tragen. Deren Tun ist der eigentliche Skandal, wie sie eine Gesellschaft ideologisch verblöden, dekadente Entwicklungen erzeugen bzw. mindestens begünstigen, wie sie Millionen Kulturfremde unkontrolliert ins Land lassen und diesen Zustand nicht wirklich abstellen. „Sagen“ tun diese Leute hin und her, sie reden das Volk besoffen. Was sie tun sollte der Maßstab sein.

  6. colorado 07 Antworten

    Ich möchte vorausschicken: Auch mir fehlt für die „Vogelschiss“ – Vokabel jegliches Verständnis, und die Nazizeit war eine schaurige Zeit mit schrecklichen Ergebnissen. Sie zu verharmlosen gehört sich einfach nicht.
    Aber diese Hysterie, die sich jetzt um Gauland herum aufbaut, scheint mir trotzdem übertrieben und in manchem Munde sogar scheinheilig zu sein.
    Haben wir nicht schon oft genug Verharmlosungen des DDR-Unrechtsstaats oder des stalinistischen Terrorsystems gehört und niemand ist dagegen auf verbale Barrikaden gegangen?
    Die Mauer sei ein „notwendiges Übel“ gewesen, sagte zum Beispiel eine heute höchst etablierte Repräsentantin einer linken Partei. Diesen Ausrutscher nahm man hin. Kaum jemand hörte davon.
    Jetzt aber, bei Gauland, geht`s ab wie die Feuerwehr, wie auf ein gefundenes Fressen.

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