Gastspiel Volker Seitz: Entwicklungshilfe wird die Armut in Afrika nicht beseitigen

In diesem und im kommenden Jahr kann Entwicklungsminister Gerd Müller mit 10,2 Milliarden Euro planen. Ab 2021 sind laut Finanzministerium, das die öffentlichen Ausgaben mit Sparmaßnahmen in den Griff bekommen will, nur noch 9,3 Milliarden Euro eingeplant. Diese Kürzung nimmt Müller zum Anlass öffentlich zu klagen, dass dann die Arbeitsfähigkeit seines Ministeriums nicht mehr gewährleistet sei.

Zahlreiche Zeitungen von der Augsburger Allgemeinen bis zu ZEIT berichten mit einem Aufschrei der Entrüstung von den geplanten Kürzungen. Dabei weiß man auch im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung  (BMZ), dass eine massive Aufstockung der staatlichen Entwicklungshilfe nach aller Erfahrung keine wesentliche Verbesserung der Lebensverhältnisse in den afrikanischen Ländern bewirken wird. Vielmehr ist zu erwarten, dass große Teile der zusätzlichen Mittel in falsche Kanäle fließen und der Exodus anhält.

Das unbestreitbare zentrale Thema Familienplanung wird in BMZ Papieren mit Allgemeinplätzen abgehandelt: „Die demografische Entwicklung stellt in vielen Ländern eine große Herausforderung für das Bemühen, das Entwicklungs- und Wohlstandsgewinne zu erhalten. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es verstärkter Anstrengungen in Schlüsselbereichen wie sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte, Bildung und sozialer Sicherung.“

So gern ich lese, dass verstärkte Anstrengungen endlich vorgesehen sind, so gern wüßte ich, wie denn die „verstärkten Anstrengungen“ aussehen sollen. Will man mit solchen banalen Sätzen die kirchlichen Hilfe-Organisationen nicht gegen sich aufzubringen? Immerhin will die Association of Protestant Churches in Africa (AACC) das Bevölkerungswachstum drosseln. „Kein Geldbetrag kann die Armut beseitigen, wenn wir nicht endlich die Bevölkerungsexplosion bremsen.“ sagte Brig Muwador von AACC am 19. März in der ARD „Report München“. Das Thema ist für Afrikaner sehr delikat, und wenn man es anspricht, darf man es nicht vom demographisch-ökonomischen her tun, sondern mit dem Blick auf Mütter und schon vorhandene Kinder, deren Lebensverhältnisses sich verschlechtern, wenn noch mehr Kinder hinzukommen.

Insgesamt hat die Entwicklungshilfe, auch wegen der Bevölkerungsentwicklung, bisher keine grundlegende und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Subsahara-Afrika in Gang gesetzt. Im Gegenteil ,die Entwicklungshilfe ist zu einer Maschinerie geworden, die immer mehr ihrer Selbsterhaltung dient.

Außerdem will das BMZ mit derzeit 160 Gender-Projekten weltweit, die Entwicklungsländer und sogar China (einem wichtigen Geberstaat in Afrika) von der deutschen Gender-Politik überzeugen. Sicherlich gibt es Einsparmöglichkeiten bei umstrittenen Projekten wie z.B. „Integration des Genderansatzes in die marokkanische Wirtschaft und Sozialpolitik“; „Förderung eines zivilgesellschaftlichen, landesweiten Gendernetzwerkes in China“ und der  „Beschäftigungsförderung durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien Moscheen in Marokko“.

Einsparungsmöglichkeiten gibt es auch bei verfehlten Entwicklungsprojekten. In der F.A.Z. vom 19. März wird aus einer bisher unveröffentlichten Studie einer Gruppe von acht jungen Forschern des Seminars für Ländliche Entwicklung der Berliner Humboldt-Universität zitiert. Demnach verbreiten Wildhüter in Kamerun in Naturschutzgebieten Angst und Schrecken. Brisant ist der Bericht, weil neben dem WWF (seit 1990) auch die KfW-Bankengruppe im Auftrag des BMZ (seit 2007) den Großteil des Entwicklungsprojekts finanziert. Die KfW wird mit der Aussage zitiert „Die Bevölkerung profitiert vom Naturschutz“.

Die Betroffenen sehen das anders, weil Elefanten, Schimpansen und Gorillas regelmäßig ihre Ernten vernichten. Ein Befragter empörte sich:“Elefanten werden besser geschützt als die Menschen“. Der Plan, hohe Einnahmen zu generieren haben sich nach der Studie nicht erfüllt. 2016 seien gerade mal 96 Besucher gekommen. Als Gründe werden politische Instabilität, die schlechte Erreichbarkeit und mangelhafte Infrastruktur genannt. Die KfW teilte den Forschern mit, dass sie die Erkenntnisse“sehr ernst“nehme und habe den Dialog mit dem WWF und den Behörden in Kamerun“ intensiviert“.

Volker Seitz war  in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea. Er ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“.

 

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Dieser Artikel wurde 9 mal kommentiert

  1. HB Antworten

    Wir haben unsere Entwicklungshilfe verzehnfacht und umgeleitet in die hiesige Asylindustrie.

  2. Stefan Schmidt Antworten

    Tja…ein Fass ohne Boden sowas. Geld hilft nicht. Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort, im Sinne der Alternative Help Association und anderen bringt vielleicht was.

    Eine andere EU Wirtschaftspolitik wär sicher der Kracher, aber dazu wird es eh nicht kommen, weil es nur noch mehr EU geben wird und darüber freuen sich die Konzerne sehr.
    Und außerdem greift ja auch China nach Afrika.

    Alle verfolgen ihre eigenen Interessen…..außer wir, wir verfolgen die Interessen von allen anderen. Und wer verfolgt dann unsere Interessen? upsi….

    Und nicht nur Entwicklungshilfe wird die Armut nicht beseitigen auch Massenmigration nach Europa beseitigt die Armut nicht, da sie einfach bestehen bleibt und abermillionen Kinder jedes Jahr dort wieder hineingeborenn werden.

  3. Torsten von Stein Antworten

    Ich erinnere mich als Rotznase in den 60 zigern, (ich mochte so 8 Jahre alt gewesen sein) von Tür zu Tür gegangen bin um für Äthiopien Marken für 25,- Pfg zu verbimmel.
    Oft wurde mir die Tür vor der Nase zugeschlagen und das bissl Geld für die Marken hat der Pionierleiter auf seine Fahne geschrieben….. Das war vor mehr als 50 Jahren in der DDR. Mein Vater sagte damals schon, „traue nie einem Kommunisten“.
    Was hat es genutzt ? Nix!
    Zwischenzeitlich gab es 50 Jahre Äthiopen -Hilfs-Organisation und Karl Heinz Böhm (Respekt) hat lange Zeit für diese Hilfe gelebt.
    Was hat es genutzt? Bis heute sind Länder in Afrika, die sich auf ihre Versklavung berufen und für Recht und Freiheit kämpfen seid Jahrzehneten nicht in der Lage sich selbst zu ernähren. Und immer sind andere Mächte Schuld!
    Nein, wer bei mir klingelt und nach Hilfe für Afrika lacht bekommt ein silberhelles Lachen!

  4. Volker Seitz Antworten

    Hinzu kommen noch Milliardenbeträge für Humanitäre Hilfe aus dem Auswärtigen Amt. Selbstverständlich bedürfen Opfer von Naturkatastrophen und anderen Unglückfällen unserer Hilfe. Aber muß das kleine Deutschland zweitgrößter Geberstaat sein? Deutschland rangiert -wie die F.A.Z. am 5. April 2019 berichtet- hinter den USA ( 6,6 Milliarden US Dollar), mit 2,9 Milliarden (darin sind entsprechende Beiträge für Hilfe durch die EU Kommission nicht eingerechnet) vor den ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien (2,5 Milliarden) und Frankreich (682 Milliarden). Die reichen Ölländer Saudi-Arabien (385 Milliarden), VAE (281 Milliarden) und Katar (nicht bekannt) sind mit weit geringeren Beträgen oder garnicht vertreten, obwohl die humanitäre Hilfe vor allem den muslimischen Ländern Jemen, Syrien und Irak zugute kommt. Saudi-Arabien führt allerdings im Jemen Krieg und verursacht den humanitären Notstand dort. Insgesamt stieg die Gesamtsumme humanitärer Hilfe im Jahr 2017 auf 23 Milliarden Dollar. Wie das Netzwerk von Hilfsorganisationen (ALNAP) in Berlin mitteilte, seien “ viele Hilfsorganisationen in ihrer Arbeit zu risikoscheu, manche Organisationen zeichneten ein übertriebenes Bild ihres Engagement in Krisengebieten, um auf private Spender attraktiv wirken zu können“

  5. Volker Seitz Antworten

    Sorry, in meinen obigen Kommentar haben sich Fehler eingeschlichen. Bei Frankreich, Saudi-Arabien und VAE muß es natürlich Millionen heißen.

  6. Herbert Grüner Antworten

    Solange nur Geld fließt, wird nicht wirklich denjenigen geholfen, denen man helfen möchte!
    Wir bezeichen als Korruption, was für Afrikas Staatenlenker höchst legitime traditionelle afrikanische Sichtweise darstellt, wonach der eigene Clan alles bekommt und alle anderen gnadenlos darben.
    Es darf nur noch Geld an solche Staatenlenker fließen, die bereit sind, ihrStammesdenken zu überwinden und an das ganze Staatsvolk zu denken. Der derzeitige Präsident Ruandas macht es vor: Für ihn gibt es nur noch Ruander – und das Land macht unglaubliche Fortschritte.
    Der unselige Einfluss von afrikanischen Medizinmännern, wonach Geburtenregelung ein Trick der Weißen sei, Afrikas Völker zum Aussterben zu verhelfen und gegen eigene Aids-Erkrankung nur hilft, ein junges Mädchen zu entjungfern, gehört in die gleiche Traditions-Kategorie – auch das müsste radikal bekämpft werden. Es ist eine ganz einfache Rechnung: 3 % Wachstum bedeutet eine maximale Bevölkerungszunahme von 3%, und zwar nur, um den aktuellen Standard halten zu können.
    Migrationsproblem: Es müssen Arbeitsplätze für die breite Bevölkerung geschaffen werden, die im Vorfeld natürlich bereits entsprechend geschult werden müssen (Bildung verbessern!). Warum wird dieses nicht priorisiert?
    An den genannten 3 Brennpunkten müsste intensiv gearbeitet werden, alles andere ist reine Geldverschwendung!

  7. Heinz Johansmeier Antworten

    Dass seit Jahrzehnten große Teile der finanziellen Mittel in falsche Kanäle fließen, müsste jetzt endlich Anlass sein, die Mittelverwendung von einem unabhängigen Gremium zu überprüfen, was bislang skandalöserweise wohl nicht geschieht. Bei Prüfungen im Inland quartieren sich z. B. Vertreter des Bundesrechnungshofs (BRH) manchmal über Wochen in den zu überprüfenden Behörden ein und sprechen dort mit zuständigen Beschäftigten ausgiebig über Einzelfälle. – Für den Bereich der Entwicklungshilfe im Ausland ist das natürlich ungleich schwieriger. Angesichts der Milliardensummen, die in diesem Bereich weiter ausgegeben werden, müssen hier neue Wege gegangen werden. BRH-Mitarbeiter könnten zunächst in die Arbeits-und Projektabläufe innerhalb des BMZ intensiv eingearbeitet werden, mit anschließender längerer Abordnung an deutsche Auslandsvertretungen in Afrika. Vor Ort schließlich würden sie – zusammen mit Rechnungshöfen anderer EU-Länder – Projekte und Mittelverwendung überwachen. Dies würde naturgemäß auf Widerstand von vielen Seiten stoßen. Angesichts der kommenden starken Verteilungskämpfe, für die die jüngsten Proteste bei uns gegen den „Mietenwahnsinn“ ein Fanal sind, wird jedoch bei denen, die schon länger hier leben und die Folgen der deutschen Entwicklungspolitik in Form verstärkter Zuwanderung (erneut) finanzieren sollen, der Druck derart zunehmen, dass die Politik hierzulande sich unkonventionellen Ideen immer weniger wird verschließen können.

  8. Christine Lamine Antworten

    Erst wird Afrika durch China und europäische Staaten ihrer Bodenschätze beraubt, durch Müllentsorgung verunreinigt, durch deutsche Rüstungsexporte befriedet und angeblich aus humanitären Gründen durch deutsche Rettungsschiffe die menschliche Arbeitskraft entzogen. So kann Afrika kein eigenständiger und sich selbst ernährender Kontinent werden. Das alles tut man diesem riesigen Kontinent nur aus Eigennutz und christlicher Nächstenliebe an.
    Ich finde, man soll die Entwicklungshilfen grundsätzlich auf den Prüfstand stellen, denn auch China bekommt von Deutschland Entwicklungshilfe, nur es heißt nicht mehr so. Unsere Regierung nennt das jetzt Hilfe für wirtschaftliche Zusammenarbeit, oder man könnte auch sagen, die Bremse für deutsche Wirtschaft, denn China boomt wirtschaftlich und benötigt unsere Hilfe ganz und gar nicht.

  9. Baglafecht Antworten

    Es geht darum, sich auf ein Konzept zu einigen. Das Konzept, afrikanischen Sttaten mit Finanzspritzen unter die Arme zu greifen, ist „westlich“ gedacht, weil wir von unseren eigenen Voraussetzungen ausgehen. Das Konzept der Chinesen „Ihr gebt uns Schürfrechte, wir erstellen dafür eure Infrastruktur“ ist sehr lukrativ – für die Chinesen.
    In Afrika wurden die Staatsgrenzen von den Kolonialmächten mit dem Lineal auf der Landkarte gezogen, quer durch Stammesgebiete. Die Idee des modernen Staates wird in Afrika von nur sehr wenigen verstanden. Die Meisten gehören einem Stamm an und sprechen die Stammessprache, dazu eventuell Kisuaheli („ki“ heißt „Sprache“), Englisch oder Französisch, Zango, Lingale oder Haussa. Innerhalb eines solchen Staates leben oft Dutzende verschiedener Stämme mit ebenso vielen Sprachen. Oft sind sie sich untereinander nicht grün. Oft bedient der jeweilige Regierungschef bevorzugt seinen eigenen Stamm, während andere leer ausgehen. Deshalb sind Regierungswechsel in Afrika immer sehr interessant zu verfolgen, denn da werden die Karten neu gemischt, Pfründe neu verteilt, Rechnungen beglichen.

    Afrikanern ist Familienplanung generell nicht zu vermitteln. Große Geschenke sind da wirksamer als mühsame Überzeugungsarbeit, am Ende nützen beide nichts. Ich kann mich erinnern, wie die Polio-Impfung sabotiert wurde, weil irgendjemand gestreut hatte, sie mache unfruchtbar/impotent. Der Anblick von Poliokranken auf Afrikas Straßen ist grausam.

    Der „human-wildlife conflict“ ist ein weiteres, riesiges Problem. Es ist ganz einfach zu erklären: die Menschen vermehren sich rasant, brauchen immer mehr Flächen für den Anbau von Lebensmitteln und dringen dabei auch in Naturschutzgebiete vor. Die Wildtiere werden immer weiter zurückgedrängt und natürlich stillen sie ihren Hunger dort, wo sie schon immer geweidet haben, auch wenn da jetzt Mais und Süßkartoffeln angebaut werden. Folge: Giftköder, Fallen, gezielte Jagd auf geschützte Arten.

    Wer ist nun an dieser Entwicklung schuld?
    Selbstverständlich die ehemaligen Kolonialherren, denn überall wo die weißen Siedler ankamen, stieg die Lebenserwartung der Eingeborenen sprunghaft an. Dank der Kolonialverwaltung gab mehr zu essen, es gab bessere medizinische Versorgung, die Säuglingssterblichkeit ging zurück, Krankheiten wie Cholera und Malaria forderten immer weniger Opfer, die Lebenserwartung verdoppelte und verdreifachte sich.
    Eigentlich sollte man den Pionieren Denkmale setzen, denn sie haben sich ihre Existenz mühsam aufgebaut und gaben ihren einheimischen Arbeitern dauerhaft Lohn und Brot. Die Sichtweise, welche heutzutage verbreitet wird, verdreht die Tatsachen und geht auf sozialistische Indoktrination zurück.

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