Russisches Öl auf hoher See umgeladen: So werden Sanktionen ausgehebelt

Erst kommt das Fressen, dann die Moral, Sie kennen alle diesen leider allzu wahren Satz von Bertold Brecht. Jeder ist sich selbst der Nächste, könnte man auch parallel hinzufügen. Es gibt ohne Ende Beispiele in der Geschichte, wo Staaten und auch Menschen untereinander nur sich selbst die Nächsten sind, wenn Gefahr oder Not droht.

Und Brecht hat ja auch Recht, die Grundbedürfnisse von uns allen wollen befriedigt werden. Im persönlichen Lebensumfeld wollen wir alle ein Dach über dem Kopf haben, etwas zum Essen und zum Trinken im Kühlschrank, wir wollen Strom haben, um das Licht anknipsen zu können und den PC am Laufen zu halten. Und wenn es kalt wird, dann wollen wir unsere Bude aufheizen – mit Strom, Gas oder Öl. Egal wie, aber warm muss es werden, wenn es kalt wird.

Das Manager Magazin deckte gestern in einem spannenden Artikel auf, wie sich die EU-Staaten trotz aller tapferen Sanktionen mit Taschenspielereien über Bande doch wieder russisches Öl für den heimischen Markt organisieren. Und dabei hatte uns doch Außenministerin Annalena Baerbock gerade versprochen, dass wir – also Deutschland – bis Ende des Jahrens keinen Tropfen Erdöl mehr aus Russland beziehen werden. Weil Russland nämlich mit unserem Geld Städte in der Ukraine bombardieren und Menschen zu Tausenden umbringen und vergewaltigen lässt. Das kann niemand wollen, der noch alle Latten auf dem Zaun hat. Aber wenn es kalt wird, muss dennoch geheizt werden.

Im März sanken nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Ölexporte aus russischen Häfen in die Mitgliedstaaten der EU, auf 1,3 Millionen Barrel pro Tag. Doch schon im April stiegen die Ölexporte wieder auf durchschnittlich 1,6 Millionen Barrel pro Tag an, wie das „Wall Street Journal“ mit Verweis auf „TankerTrackers.com“ mitteilte. Der Trick ist ganz einfach und hat früher schon funktioniert, um westliche Sanktionen gegen den Iran und Venezuela zu unterlaufen.

Also konkret: Da startet ein Schiff mit Öl aus einem russischen Hafen und deklariert die Fracht mit „Bestimmungsort unbekannt“. Das kam vor dem russischen Angriff auf die Ukraine nahezu nie vor. Inzwischen ist es fast die Regel, und so fährt unser Schiff also zu einem Treffpunkt irgendwo auf hoher See, wo größere Schiffe ankern. Die warten dort darauf, die Öl-Fracht unseres Schiffes zu übernehmen. Und in dem gigantischen Tank des großen Schiffes ist aber schon Öl, das aus anderen Ländern stammt und normal deklariert wurde. Ergo: Nach dieser Aktion ist nicht mehr feststellbar, woher die Tankerfracht eigentlich ursprünglich stammt.

Dass wir das dank „Manager Magazin“ wissen, ist den Tanker-Trackern zu verdanken, die global tatsächlich stattfindende Schiffsbewegungen genau registrieren. Hier finden Sie die. Das MM berichtet auch ganz konkret:

„Ein Beispiel: In der vergangenen Woche übernahm ein Tanker vor der Küste von Gibraltar drei Ladungen Öl von Schiffen, die aus den russischen Ostseehäfen Ust-Luga und Primorsk ausgelaufen waren, wie Schiffsverfolgungsdaten zeigen und die Betreiber des Schiffes und an dem Umschlag beteiligte Personen berichteten. Schiffsaufzeichnungen zeigen, dass der Tanker seine Route in Südkorea startete und nun Rotterdam ansteuert, einen der wichtigsten Umschlagplätze für den europäischen Ölhandel.“

Von Südkorea nach Rotterdam angemeldet, mit drei Betankungen unterwegs aus Russland. Eigentlich ganz einfach. Und auf hoher See auch nicht zu unterbinden. Freie Handelsrouten und so.

Es ist alles nicht schön, aber wenn es frisch wird im Oktober wollen die Deutschen und die Menschen in all den anderen EU-Ländern, dass es warm wird im Wohnzimmer und dass heißes Wasser aus dem Duschkopf kommt. Die Möglichkeiten sind übersichtlich, aber immerhin gibt es welche. Denn meine Haltung ist und bleibt: Wir alle können und dürfen dem russischen Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine nicht tatenlos zuschauen.

Und da wir richtigerweise nicht militärisch direkt eingreifen können und wollen, weil es dann nur noch ein Schritt bis zum Dritten Weltkrieg und damit zum großen schwarzen Abgrund wäre, bleiben nur die Sanktionen. Und die dauerhaft, hart und konsequent. Ergo: Schiffe, die identifiziert werden, solche Deals mit russischem Erdöl zu machen, dürfen nicht mehr in westlichen Häfen anlanden. Weder in Südkorea noch in Rotterdam oder sonst wo. Wenn man will, dann kann man dieses Unterlaufen der Sanktionen gegen Russland stoppen. Wenn…

Unsere Regierung und die anderen westlichen Staaten müssen unkonventionell und schnell handeln. Kaufen, was anderswo zu bekommen ist – das wäre das eine. Und wenn die Klimaziele dann erstmal nicht erreicht werden – dann ist das eben so. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Welt in den nächsten Jahren am Klimawandel untergeht ist geringer, als dass das durch den putinschen Größenwahn passiert. Also fahrt endlich die drei zum Jahresende abgeschalteten Atomkraftwerke in Deutschland wieder hoch! Auch das wäre eine sinnvolle Maßnahme, damit es bei Ihnen und uns zu Hause warm und hell bleibt.

Dieser Beitrag von Klaus Kelle erschien erstmals bei TheGermanZ am 25. April 2022.

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Dieser Artikel wurde 4 mal kommentiert

  1. H.K. Antworten

    Sanktionen sind zum Teil Druckmittel, die wirken.

    Es fragt sich immer, auf welcher Seite.

    Und es stellt sich ebenfalls grundsätzlich die Frage, wie sie umgangen werden.

    Glaubt irgendjemand, daß Sanktionen gegen z.B. Nordkorea gegen das System wirken ? Das Volk hat zu leiden, der Despot fährt weiterhin S-Klasse bzw. Maybach, und er isst sicher nicht ein Körnchen Reis weniger als ohne Sanktionen.

    Und Herrn Putin & Co. geht es ähnlich.

    Und ebenso muß sich der Michel ( und die Micheline auch ) ganz sicher nicht die Augen reiben, wenn herauskäme, welche Deals und Absprachen ohne jegliche Kenntnis der Öffentlichkeit zwischen den tatsächlichen Mächtigen dieser Welt im Hintergrund stattfinden.

  2. Hildegard Königs-Albrecht Dr. Antworten

    Das Schlimme ist, daß die Politiker , die sich für Sanktionen feiern lassen, ganz genau im Bilde sind, daß die meisten Beschränkungen erfolglos bleiben und eher dem eigenen Land als der Gegenseite schaden.
    Die gegen Rußland verhängten Sanktionen schaden unserer Wirtschaft und vielen Menschen auf der ganzen Welt.
    Putin nimmt den Schaden für das eigene Volk gelassen hin. Sein Öl und Gas, auch seinen Weizen und Düngemittel kann er mit den angeführten Tricks oder auch an andere Abnehmer verkaufen.

    • H.K. Antworten

      „ … die Politiker , die sich für Sanktionen feiern lassen …“

      Fragt sich, von WEM sie gefeiert werden !

      Der Großteil der Bevölkerung hat überhaupt keinen Schimmer, was es heißt, wenn hier kein russisches Gas mehr ankommt.

      Solange jeder meint, es würde reichen, einen Pullover mehr anzuziehen und einige „Durchblicker“ von links und grün und FFF der Ansicht sind, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen würd Herrn Putin erschrecken und den Krieg beenden lassen, kann man nur den Kopf schütteln.

      Wenn die z.B. Industrie kein Gas mehr bekommt, sind manche Werke tot. Und die können nicht mal eben per Knopfdruck wieder eingeschaltet werden.

      Und da Rußland bereits forderte, die Gaslieferungen in Rubel zu zahlen, Europa das aber ablehnt, verwundert es nicht, wenn gerade gemeldet wurde, daß die russischen Gaslieferungen an Polen aufgrund fehlender Rubelzahlungen eingestellt werden sollen.

      Fragt sich, wann es Deutschland trifft.

  3. Friedrich Albrecht Antworten

    Nach den schlechten Erfahrungen mit der Opec in den 1980er Jahren wurde doch gesetzlich festgelegt, daß die deutsche Mineralölwirtschaft stets einen Ölvorrat für den Verbrauch von drei Monaten vorzuhalten hat. Wenn das noch gilt, verstehe ich das Herumeiern von Habeck und Scholz bezüglich Importstopp für russische Öl nicht.

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