Das Amtsgericht Düsseldorf hat jetzt eines der letzten Alleinstellungsmerkmale von zur Miete lebenden Männern verteidigt. Wer im Stehen uriniert und dabei Spritzer verursacht, die den Marmorboden im Badezimmer stumpf werden lassen, muss keinen Schadenersatz leisten – es sei denn, der Eigentümer hätte den Mieter vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es derartige Kollateralschäden geben könnte. So, wie bei dem berühmten Fall aus den USA, wo vor Jahren ein Kunde von McDonalds zwei Millionen Dollar erstritt, weil ihn das Unternehmen nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatte, dass heißer Kaffee unter Umständen heiß sein könnte. Doch zurück nach Düsseldorf. Ich bin noch unentschieden, ob dieses Urteil ein Beleg dafür ist, in was für einem problemfreien Land wir leben, wo sich Gerichte mit derartigen Dingen beschäftigen. Und bitte, bevor ich empörte Zuschriften bekomme, dass man ja den Hauseigentümer verstehen müsse, der ein versautes Badezimmer zurück erhält – ja, ich verstehe das und will ihm sein Recht keineswegs streitig machen. Dennoch bin ich heute beim Lesen der „Rheinischen Post“ an dieser Nachricht hängen geblieben, denn es stört mich, wenn sich Staat und Justiz auch in die intimsten Bereiche des menschlichen Daseins einschalten, wie etwa bei dem Prozess vor drei, vier Jahren, wo es darum ging, ob die Nachbarn eines Mieters beim Sex leiser sein müssten, oder ob man im Freien auf einem Balkon rauchen darf, wenn es den Mietern im Obergeschoss nicht gefällt. Alles berechtigte Anliegen, aber könnte man da nicht Lösungen finden, ohne nach dem Staat zu rufen? Ich weiß es nicht, weil ich die Details dieser Fälle nicht kenne. Nur dieses ständige Staat! Staat! Staat! macht mir Angst. Wo führt das hin? Gibt es demnächst Verordnungen und Bußgelder um die Frage, wie ein Bürger ordnungsgemäß zu urinieren hat? Kommt das Gewerbeamt mit Messgeräten, um zu überprüfen, dass Bürger nur in einem erlaubten Dezibel-Rahmen miteinander verkehren. Wird das Landes-Immissionsschutzgesetz um Vorschriften ergänzt, bei welcher Windstärke Raucher auf einem Balkon in welche Himmelsrichtung zu pusten haben? Recht muss Recht bleiben, wer sich beeinträchtigt fühlt, kann jederzeit vor ein Gericht gehen. Natürlich! Doch wir müssen uns bewusst sein, dass wir damit für den allumfassenden Staat neue Betätigungsfelder eröffnen, unser aller Leben weiter zu regulieren.

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Dieser Artikel wurde 15 mal kommentiert

  1. Papsttreuer Antworten

    „Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.“ – ein wie ich finde immer wieder treffender und manchmal herausfordernder Satz von Ludwig von Mises, eines der Vordenker des Libertarismud und der österreichischen Schule der Nationalökonomie

  2. Teska Antworten

    Wie hat man denn nachweisen wollen, ob der Mann im Stehen urinierte?
    Lief da eine versteckte Kamera?

  3. Dieter Krüll Antworten

    Ich hörte diese Meldung gestern auf WDR 5. Dort wurde auch die abschließende Urteilbegründung zitiert. Der Richter begründete den Freispruch u.a. mit der „um sich greifenden Domestizierung des Mannes“!!!!!!! Ein deutlicher, ironischer Hinweis darauf, dass der Ruf nach dem Staat bzw. dem Richter in solchen Bagatellfällen wenig sinnvoll ist. Allerdings ging es immerhin um ca. EUR 1.200,00 Schaden.
    Übrigens: Wenn das so weiter geht, werden sich bald keine Vermieter mehr finden, die sich das antun.

    Dieter Krüll, Neuss

  4. Bernd Helmut Minzenmay Antworten

    Lieber Herr Kelle,
    da bin ich aber überrascht, dass selbst Sie auf der Presse mal wieder entglittene Informationen so hereinfallen, die recht konform die Sache selbst, um die es eigentlich geht, weitgehend ausblendet. Na gut, der Amtsrichter selbst hat mit seinem Hinweis auf den „domestizierten Mann“ eine gewisse Spur ins Abseits (von der Sache) gelegt.
    Also: Ein Mieter darf die Mietsache immer nur vertragsgemäss gebrauchen. Da entstehen auch schonmal „vertragsgemässe“ Abnutzungen, im Volksmund auch „natürlicher Verschleiss“ genannt, die der Vermieter hinnehmen muss. Dabei gibt es natürlich auch von Rücksicht und Sorgfalt bestimmte Grenzen, die durch irgendeine Instanz allgemein und auch schon einmal individuell festgestellt werden müssen. Früher hat das der Dorfälteste gemacht, heute nunmal die (staatliche) Justiz. Klar, manchmal wundert man sich, um welche Bagatellen sich Menschen streiten können, anstatt mit ihrem Hund lieber am Rhein spazieren zu gehen. Aber bei 4-stelligen Schadensbeträgen wie hier würde auch ich schon gerne wissen wollen, bei wem der Schaden hängen bleibt, bei mir als Vermieter oder bei meinem Mieter, der jahrelang im Stehen (wogegen ich als sozial-liberaler Mensch natürlich überhaupt nichts einzuwenden habe), aber dann auch noch auf die Brille und den Fussboden (und den dabei kaputt-)gepisst hat (kann ja jedem mal passieren), ohne offensichtlich dann aber auch wenigstens hinterher nur mal sauberzuwischen.
    Leider war dieser Richter, was ich als Bau- und Mietrechtler mit lebhafter 40-jähriger Praxis nur bedauern kann, nur liberal und nicht auch sozial, denn er hat geurteilt: Der Mieter darf das, er darf, wenn er denn will, auch ruhig ein Ferkel sein, Rücksicht auf andere braucht er, wenn er will, nicht zu nehmen.

  5. Bernd Helmut Minzenmay Antworten

    Lieber Herr Kelle,
    ich will es verraten: Alle (Presse-)Welt bringt es ans Licht: Der „Mann“ darf es auch heute noch – trotz (Gender?-)gewandelten Verständnisses – im Stehen! In Kommentaren und Interviews beschäftigen sich die Zeitungen wenn nicht nur, dann zumindest hauptsächlich mit dem Problem artgerechten Pinkelns, sie bemühen sogar medizinische Sachverständige, die das Für und Wider des Pinkelns im Stehen und im Sitzen wissenschaftlich-akribisch gegeneinander abwägen und Empfehlungen abgeben, die so ausfallen wie wir es auch schon von der Justiz her kennen: Zwei Experten, drei Meinungen! Ästhetik und Hygiene, Gleichberechtigung von Mann und Frau und weiss der liebe Herrgott alles werden bemüht und dabei arg strapaziert. Eine Zeitung (NRZ) hat heute sogar herausgefunden, dass es bei den alten Ägyptern total umgekehrt war, man stelle sich das mal vor: Da pinkelten die Frauen im Stehen und die Männer im Sitzen!
    Aber ging es bei dem amtsgerichtlichen Urteil wirklich um die Re-Emanzipation des (aufrechten) Mannes? Oder hat da vielleicht einfach nur ein Mieter mal wieder irgendwie und ganz profan schuldhaft einen immer wieder gerne vor den Mietgerichten verhandelten Schaden in seiner Wohnung verursacht? Heute mal keine angebohrte Leitung und auch keine vermackte Tür, aber einen durch Dauerdanebenpinkeln und unterlassene Pflege versauten Bodenbelag!

    • Jo Tillmanns Antworten

      Vorab – trotz meines Vornamens bin ich weiblich, schon immer – .
      Der Kommentar über die alten Ägypter hat mich ins Grübeln gebracht. Also mein Mann darf im Stehen pinkeln. Wir haben Steinfliesen im Bad, es ist also kein Problem. Aber ich fürchte, dass es ein Problem wird, wenn ich es versuche.

  6. Werbonat Antworten

    Das ist ein Elend. Das wird nun dazu führen, das immer mehr unterdrückte Männer den Wald aufsuchen, um wenigstens teilweise der Unterdrückung zu entgehen und freihändig in den Wald pinkeln.

  7. Alexander Droste Antworten

    Der Vermieter hat es versäumt, ein Urinal installieren zu lassen oder wenigstens eine Toilettenschüssel mit Kerzensymbol o.Ä. an bestimmter Stelle. Selber schuld.

  8. Alexander Droste Antworten

    Als Richter würde ich vorschlagen, dass Nichtraucher in oberen Etagen mit Rauchern in unteren Etagen die Wohnung tauschen, denn Rauch steigt nach oben.

  9. Alexander Droste Antworten

    Lautstarke Liebespaare sollten eine Webcam in ihrem Schlafzimmer installieren, damit ihre Freude noch mehr eine allgemeine wird.

  10. Felix Becker Antworten

    Also, wenn Pinkeln im Stehen zum Sachverhalt von Gender wird, ziehen bei mir dunkle Ahnungen auf: Nämlich dass Männer demnächst (geschlechtsneutral) auch im Freien (also beim Wandern o.ä.) in der Hocke pinkeln sollen / müssen?

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