Was wäre eigentlich, wenn es plötzlich keine Smartphones mehr gäbe?

Die Neue Züricher Zeitung berichtet heute über das Handyverbot an einem amerikanischen Internat, der Buxton School in Williamstown (Massachusetts). Dort gab es im Herbst 2021 eine Rauferei unter Jungs auf dem Schulhof, und ein Mitschüler hatte das Handgemenge mit seinem Smartphone live gestreamt, also in alle Welt übertragen, was für beträchtliches Aufsehen sorgte.

Zum nächsten Schuljahr verbot die Schulleitung daraufhin die Nutzung von Handys auf dem Schulgelände – für Schüler und ebenso für die Lehrer.

Ein interessantes Experiment, finde ich, denn der Schulalltag veränderte sich daraufhin fundamental.

«Jederzeit klingelte es in unserer Tasche, im Ohr, am Arm. Die Dauer-Ablenkung verschaffte keine Zeit oder Ruhe, geschweige denn das seelische und geistige Wohlbefinden, das man hier zu kultivieren versuchte.»

In der Außenwelt, das wissen wir alle, ist das inzwischen so. Aber sollte man unseren Kindern nicht auch den Raum geben, ihr soziales Leben anders zu gestalten und einen Freiraum zu entwickeln, wo sie sich selbst kennenlernen und Freundschaften pflegen und sich auf den Unterricht und die Vorbereitung auf das Lebens konzentrieren können, statt ständig nach unten zu schauen und irgendwas zu wischen oder zu tippen?

Bei vielen von Ihnen wird es ähnlich sein, wie bei unseren Kindern und auch bei mir selbst. Als Journalist, so nehme ich auch selbst an, muss ich 24/7 erreichbar sein. Und unsere Kinder? Da schaue ich bisweilen heimlich rüber am Tisch, ob ihre iPhones bereits mit der rechten Hand verwachsen sind. Insta, TikTok und Co. sind da fester Bestandteil jeden Tag, und glauben Sie mir: das ist unfassbar belanglos, was da zu sehen ist.

Neulich bin ich mal aus Versehen in TikTok reingerutscht, und weil ich Zeit hatte, habe ich mir ein paar Minuten angeschaut, was da an Schwachsinn läuft, wie sich da großbusige Mädchen von teils grenzenloser Doofheit präsentieren, um für einen kurzen Moment „Celebrity“ sein zu dürfen. Oder irgendwelche langweiligen Witzeerzähler, oder Spielhandlungen, wo Vollidioten „heimlich“ etwas ins Getränk eines anderen schütten, und der dann die Gläser vertauscht. Haha, total witzig, wenn man die IQ-Grenze solide unter 70 halten kann.

„In the future everyone will be world-famous for 15 minutes“ hat der amerikanische Ausnahmekünstler  Andy Warhol einmal prophezeit. Ich habe den Eindruck, viele in der jungen Generation leben konsequent danach, diesen Anspruch zu erfüllen.

Ich will überhaupt keine Bilderstürmerei, und ich weiß auch nicht, ob das Experiment an der Buxton School ein Vorbild für andere Schulen sein sollte. Aber ich finde es spannend, zu erfahren, ob zum Beispiel die Wissenaufnahme von Schülern und ihr Sozialverhalten in der Gemeinschaft ohne dauerndes Smartphone-Summen besser funktioniert. Andererseits weiß ich natürlich auch, dass es nicht möglich ist, einen technischen Fortschritt großflächig durch Verbote aufzuhalen. Was einmal auf dem Markt und massentauglich ist, das wird bleiben.

Die Frage bleibt nur: Ist das gut für die Zukunft unserer Kinder?

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Dieser Artikel wurde 21 mal kommentiert

  1. Andreas Schneider Antworten

    Im Englischunterricht der gymnasialen Mittelstufe nahmen wir ein Stück namens „The fun they had“ („Die Schule“) durch – dem ich erst Jahre später seinen Autor Isaac Asimov zurechnen konnte.

    Lt. Wikipedia stammt das Stück aus 1954 – in gewisser Weise hat Asimov seinerzeit einen Teil unserer Zukunft recht gut vorhergesagt.

  2. H.K. Antworten

    Als ich vor knapp 20 Jahren mein erstes „iphone 4“ in der Hand hielt, bekam ich meine Augen kaum davon los. Bis alles entdeckt und den persönlichen „Erfordernissen“ entsprechend eingerichtet war, brauchte es einige Zeit.

    Und es gab ( und gibt ) immer etwas Neues, Unbekanntes, darauf zu entdecken.

    Ein toller „täglicher Begleiter“, nicht mehr wegzudenken.

    Wie so oft im Leben hat die Medaille zwei Seiten.

    Wer schon vor über 30 Jahren ein Nokia ( oder was auch immer für eine Marke ) sein Eigen nannte und den Fehler machte, seine ach so wichtige Mobilnummer an alle Welt zu verteilen, kam irgendwann von dem Ding nicht mehr weg, weil jeder meinte, „der ist ja immer erreichbar, also …“ – incl. Chef, versteht sich.

    Schon aus Kostengründen ( die Älteren hier erinnern sich vielleicht dunkel: „früher“ wurde entweder jedes Gespräch einzeln teuer, sehr teuer, abgerechnet oder man hatte ein „Minutenpaket“ und danach wurde es noch teurer. Das Wort „Flatrate“ existierte noch nicht ) habe ich mein Nokia nur für „family and friends“, also: „wirkliche“…Freunde, nicht 10.000 facebook-„Freunde“, genutzt. Sprich: es war für Notfälle vorgesehen.

    Ein kluger Mensch sagte kürzlich „Handy ? Wer stets erreichbar ist, gehört zum Hauspersonal“.

    Oder man ist GANZ WICHTIG.

    Bin ich der Bundeskanzler ? Oder die Verteidigungsministerin ? Oder der US-Präsident ?

    Nein. Nein. Nein.

    Gehöre ich zum „Hauspersonal“ ?

    Ääääh – ok, meine Frau ist der Boss …

    Also ja. Jedenfalls quisiquasi …

    Im Ernst:

    Wozu muß ein Schüler oder womöglich bereits ein Kindergartenkind ein Handy haben, das jederzeit erreichbar ist ?

    Als Alibi für Helicopter-Eltern ?

    Für Notfälle hat der Kindergarten oder die Schule die Nummer der Eltern.

    Ein Fließbandarbeiter bei VW kann auch nicht in seiner Arbeitszeit in Ruhe mit Omi quatschen.

    Der Chefarzt, der im Op steht, übrigens auch nicht.

    Ein Handy-Verbot in der Schule ist überfällig.

    Aber wie erklärt man Schülern, daß sie ihr iphone nicht benutzen dürfen, wenn sie z.B. auf der Tribüne des Bundestages sitzend, sehen, daß die Abgeordneten permanent telefonieren, auf ihren Geräten herumdaddeln, nicht zuhören und damit ein wirklich tolles Beispiel für unsere Jugend sind ?

    Und in der Familie ? MUSS da beim Abendessen das iphone brummen und darauf herumgetappt werden ?

    Es hat alles seine guten Seiten – aber auch seine negativen – genau wie facebook, twitter & Co. Dort überwiegen aber mittlerweile offenbar die negativen Aspekte.

    Wieviele Teenies haben sich inzwischen umgebracht, weil sie dort gemobbt werden, daß die Schwarte kracht ? ( Die Älteren hier wissen vielleicht noch, was „Schwarte“ ist … ).

    In diesem Sinne: Einen schönen – oh, sorry, iphone bimmelt, da muß ich dran.

    Gaaaaanz wichtig …

    • Bettina Antworten

      Respekt, Sie hatten bereits vor 20 Jahren ein iPhone 4? Es erschien doch erst 2011. Aber klar, die Zeit verfliegt…

        • Bettina Antworten

          HK. Das geht mir auch oft so. Ich habe das nicht böse gemeint. Viele Grüsse und einen schönen 2. Advent.

          • H.K.

            Ich habe es auch nicht „böse“ aufgefasst.

            Sie haben ja recht !

            Ihnen auch einen schönen 2. Attwent ( P…. lässt immer noch grüßen … )

            😂

  3. Alexander Droste Antworten

    2010 war Smartphone schon in aller Munde bzw. Hände. Damals hatte ich mich noch an mein Nokiaknochen festgeklammert. Als ich mich mit den Schülern der 7. Klasse der Freien Waldorfschule darüber unterhielt, kam der entsetzte Ausruf: „Oh Gott, Herr Droste, wie können Sie das überleben?“
    Heute verfüge ich über inzwischen zehn Jahre Smartphoneerfahrung und rufe entsetzt aus: „Oh Gott, Herr Droste, wie haben Sie bis heute überlebt?“

    • S v B Antworten

      Eigentlich hätte ich angenommen, dass gerade Waldorf-Schulen ihre Schüler zu einer gewissen, ja eher noch deutlichen Smartphone-Distanz anhalten würden. Nun, offenbar liege ich mit meiner Annahme ziemlich daneben.

      • Alexander Droste Antworten

        Das Thema ist heiß diskutiert an Waldorfschulen. Es ist eben so, dass man die Kinder nicht von der Außenwelt abschotten kann. Will man auch nicht. Daher geht man dazu über, konstruktiv diese Technik mit einzubeziehen und gewisse Regeln zu entwickeln – mit den Eltern und den Kindern. Im Fokus stehen vor allem die Risiken und Gefahren von Internetinhalten und Vereinseitigen des Verhaltens etc. Ich plädiere dafür, solche Inhalte wie „Denken erwünscht“ mit besonderer Aufmerksamkeit zu handhaben. Schließlich ist „Denken“ höchstes Lernziel an den WS.

  4. S v B Antworten

    Jegliche Form von Abhängigkeit, jegliches Suchtverhalten verwandelt Menschen letztlich in Sklaven. Irrelevant, ob es sich dabei um stoffgebundene Süchte handelt oder sonstige. – Schade, traurig oder tragisch, je nachdem. Selbstbestimmung, Freiheit…? War da mal was?

  5. Bettina Antworten

    Bemerkenswert finde ich übrigens den Trend, einen Kinderwagen zu bewegen und dabei aufs Smartphone zu schauen. Ein echtes Phänomen. Arme Kinder.

    • S v B Antworten

      O ja, liebe Bettina, solches kann man fast täglich beobachten. Die Mütter der Kinder (aller Altersklassen, beim Säugling angefangen) sind oft weit mehr mit ihren Smartphones beschäftigt als mit den – vielleicht elementaren – Belangen ihres Nachwuchses. Das eigene Kind scheinen manche Mütter geradezu als Störfaktor wahrzunehmen, wenn man sich nicht mit der beabsichtigten Hingabe seinem Smartphone widmen kann. In solchen Situationen würde ich bereits von emotionaler Vernachlässigung sprechen. Viele Male schon habe ich schockierende Beobachtungen machen müssen, die mir förmlich das Herz bluten ließen. Ich stelle mir vor, dass derart lieblose mütterliche Verhaltensmuster – insbesondere, wenn diese eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen – entsprechend nachteilige Spuren in den Kinderseelen hinterlassen. Arme Kinder, fürwahr.

  6. gerd Antworten

    Habe heute im Wald eine Gruppe von Menschen gesehen, die sich einfach unterhalten haben. Haben die kein Smartphone wie jeder normale Mensch?

  7. .TS. Antworten

    Es gibt Restaurants und Hotels in denen die Taschenwanze draußen bleiben muß:
    Wer mag kann somit jederzeit selbst das „Experiment“ ausprobieren.

    • S v B Antworten

      Wer in meiner Gegenwart von seinem Handy nicht komplett lassen kann, muss eben auf mich verzichten. Er oder sie ist dann wohl zur falschen Zeit am falschen Ort, hat sich offensichtlich nicht mit dem- oder derjenigen verabredet, mit dem oder der er sich eigentlich hat treffen und austauschen wollen. In solchen Fällen halte ich es wie einst Hape Kerkeling – „ich bin dann mal weg“.

  8. gerd Antworten

    „Was wäre eigentlich, wenn es plötzlich keine Smartphones mehr gäbe?“

    Die Sonne geht auf und die Sonne geht unter. Die Menschen würden es sogar bemerken.
    😉

  9. Gerd Rau Antworten

    Ist mir mal im Playstore aufgefallen, für praktischen und nützliche Dinge(für die man das Handy ja auch verwenden kann) gibt es relativ wenige Apps. Im Vergleich dazu Unmengen an Spieleapps. Das sind wirklich keine guten Prioritäten.

    • S v B Antworten

      „Im Vergleich dazu Unmengen an Spieleapps.“

      … denen noch zudem ein beachtliches Suchtpotenzial zuzuschreiben ist. Auch Computerspiel-Sucht kann eine Beziehung bzw. Ehe ernsthaft in Gefahr bringen. Allzu häufiges Gedaddel auf Handy, Tablet oder Laptop dürfte manch einem „Gegenüber“ schon sehr bald auf den Geist gehen. Und dann geht’s los.

      • .TS. Antworten

        Der Lebensgefährte (m/w/wasauchimmer) klebt doch genauso am Wischdatschgötzen.
        Müssen sie auch, denn ohne Kurznachrichten-Äpp und „soziale“ Netzwerke könnten die gar nicht mehr miteinander kommunizieren.
        Insbesondere in den letzten beiden Jahren des (un)sozialen Distanzierens hat das mitten durch alle Altersgruppen erheblich zugenommen.

        Und da die Dinger mittlerweile für fast jede Alltagssituation eine „Äpp“ haben ist die Versuchung zum ablenken lassen und kleben bleiben massiv.

  10. S v B Antworten

    Rein interessehalber bittet eine völlig Smartphonelose freundlich um Aufklärung: wie nur kann es passieren, dass man „aus Versehen(sic) in TikTok reinrutscht(sic)“? Und falls es denn schon ein Versehen war -warum hält man sich dann noch eine ganze Zeitlang dort auf? Was wird es wohl sein, das den arglosen User letztlich doch so mächtig in seinen Bann zu schlagen vermag? U. A. w. g.

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