Nehmen wir mal an, Sie sind an einem Freitagabend wie jede Woche unterwegs zur Kneipe ihres Vertrauens, um zum Start ins Wochenende ein, zwei Bier zu trinken. Und plötzlich stoppt neben Ihnen ein Streifenwagen, Polizisten springen heraus und verhaften Sie. Mit der Begründung, Sie stünden unter dringendem Verdacht, eine Bank in der Nähe überfallen zu haben. Da Sie a) unschuldig sind, b) Sie deshalb auch bei der Tat nicht beobachtet wurden und c) Sie aus demselben Grund auch von keiner Videokamera gefilmt wurden, fragen Sie den Haftrichter, was denn genau gegen Sie vorliegt. Und der sagt, es gäbe Untersuchungen, die belegen das ein normaler Bundesbürger Freitagabends nicht mehr als 150 Euro in bar bei sich trägt, sie aber hätten 250 Euro im Portemonnaie gehabt. Nun tragen Sie vor, das Geld sei ein Geschenk ihrer Oma, die Ihnen zum Wochenende eine Freude machen wollte. Der Richter glaubt das nicht und schickt Sie in den Bau. Sie verlieren ihren Job, ihre Frau und Ihre Kinder wenden sich von Ihnen ab, die Nachbarn empfehlen, dass die Familie am besten wegzieht. Weil Sie aber unschuldig sind, legen Sie Berufung gegen das Fehlurteil ein. Und nun wird der Richter echt sauer und behauptet: Es sei IHNEN immer noch nicht gelungen, zu beweisen, dass Sie die Bank NICHT überfallen haben!

Ich gebe zu, ein solcher Vergleich hinkt natürlich immer, aber im Kern ist es genau das, was derzeit Deutschlands erfolgreichste Wintersportlerin aller Zeiten erlebt. Claudia Pechstein, einst – da kann es keinen vernünftigen Zweifel mehr geben – zu Unrecht wegen angeblichen Dopings zwei Jahre von der Internationalen Eisschnelllauf-Union (ISU) gesperrt, kämpft immer noch um ihr Recht, ihre offizielle Rehabilitation und nicht zuletzt um einen wenigstens teilweisen Ersatz der immensen wirtschaftlichen Verluste, die sie durch das überzogene Vorgehen einer wildgewordenen Anti-Doping-Meute erlitten hat. Und nun, nach Jahren, ist Claudia Pechstein in der Offensive. Ihre Klage auf Schadenersatz wurde von einem deutschen Gericht angenommen, das klarstellte, die internationale Sportgerichtsbarkeit setze mitnichten nationales Recht außer Kraft. Bei der ISU dürfte wohl schon jemand die Kontostände prüfen, denn wenn’s schlecht läuft, wird es teuer für die Unberührbaren von Lausanne, die offenbar annehmen, sie seien kleine Götter, die Sportler wie kleine Kinder behandeln dürfen, weil sie sich als über dem Recht stehend empfinden. Nun hat sich die ISU nach langer Zeit wieder einmal öffentlich geäußert. Das Dokument belegt eindrucksvoll , dass diese Leute nichts gelernt haben. Claudia Pechstein, so beklagen sie, habe „immer noch nicht ihre Unschuld bewiesen“.

Vielleicht findet sich mal irgendwo ein Jurastudent im ersten Semester, der Erbarmen hat, und diesen Leuten erklärt, das in einem Rechtssystem die
Ankläger beweisen müssen, dass jemand falsch gehandelt hat, nicht umgekehrt. Alles andere wäre Willkür und völlig inakzeptabel.

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Dieser Artikel wurde 4 mal kommentiert

  1. Andreas Schneider Antworten

    Müssen wir tatsächlich so weit gehen, Herr Kelle, und diesen unsäglichen Fehltritt der Sport“justiz“ heran ziehen?

    Betrachten wir doch den ganz aktuellen „Fall“ von Oskar Gröning, der derzeit vor dem Landgericht Lüneburg verhandelt wird. Der heute 94jährige war als Jugendlicher Buchhalter im KZ Auschwitz. Was dort geschah, bedarf nun wirklich keiner Debatte – aber ihm wird nun zur Last gelegt, dort als 22-, 23-, 24jähriger Buch geführt zu haben. Man leitet eine ominöse Mitschuld am Tod von 300.000 Menschen ab.

    Welche Überheblichkeit doch die deutsche „Justiz“ (und wie wäre dies ohne „politische“ und gesellschaftliche Billigung, ja Förderung möglich?) an den Tag legt! Ja, aus heutiger Sicht, rundum mit allen möglichen Informationquellen einer „freien“ Gesellschaft gesegnet, kann man leicht urteilen. Aber halten wir uns vor Augen, unter welchen Umständen Herr Gröning aufwuchs, so fällt es mir schwer, ein Verdammungsurteil über ihn zu sprechen. Was nun wahrlich nicht bedeutet, dass ich damit die Auswüchse des NS-Regimes auch nur im Ansatz gut heißen könnte.

    Bezeichnend aber auch die Reaktion der Medien. Ich habe mich erdreistet, in „Focus Online“ auf den für einen Rechtsstaat maßgeblichen Grundsatz „Nulla poena sine lege“ zu verweisen – war die Tätigkeit als Buchhalter in einem Vernichtungslager zur Zeit des „Vergehens“ justiziabel?

    Nein, dieser Verweis fand nicht den Weg in die Öffentlichkeit. Woran das wohl gelegen hat? Daran, dass mir in jungen Jahren dieser Rechtsgrundsatz als geradezu typisch und bezeichnend für die NS-Justiz eingebläut wurde und ich dies bemerkte? Oder störte etwa meine Einlassung, dass vermeintlich unverrückbare Rechtsgrundsätze im „Kampf gegen Rechts“ nur noch Schall und Rauch seien?

    Claudia Pechstein ist, so finde ich, nicht eine einsam am Himmel stehende Wolke an einem ansonsten strahlend blauen Rechtshimmel. Es zeigen sich teilweise erschreckende Tendenzen.

  2. St.Ex Antworten

    Ja und? Für uns legale Waffenbesitzer ist das nichts Besonderes. Nicht nur das der etablierte Sportschütze nachweisen muß, dass er sich gesetzeskonform verhält und einen (Panzer-)Schrank angeschafft hat, nein, er bekommt auch unverhofften amtlichen Besuch zur Kontrolle und letzteres unter Einschränkung des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Da kann man als gesetzestreuer und nicht vorbestrafter Jäger, Waffensammler oder Sportsschütze nichts machen, man ist sozusagen potentieller Gefahrenherd.
    Als Person, auf die die Obrigkeit wegen der registrierten Waffen ein Auge hat, sollte man sich auch mit jedem gut halten, insbesondere mit den Nachbarn. Wenn man nämlich nicht gut gelitten ist, braucht‘s nur einen Hinweis so nach dem Motto „..ich hab da den und den in seiner Wohnung mit einer Knarre hantieren sehen, ich hab echt Angst wegen de Kinderchen und so“.
    Peng! Dann rollt die Maschinerie. Ist ja vor kurzem vorgekommen, da hat jemand in der Wohnung eines legalen Waffenbesitzers aus einem Futteral einen Schaft hervorlugen sehen, was durchaus zulässig ist, solange man als Berechtigter anwesend ist. Daraufhin Großeinsatz, dem die Ehefrau mit Herzinfarkt zum Opfer fiel. Dabei hätte das Überfallkommando nur beim nationalen Waffenregister nachschauen können, dann hätten sie gewusst, dass der Mann Waffen besitzt, besitzen durfte.
    Und was sagt das uns: Man sollte sich an die Regeln halten. Wenn man aus der Reihe tanzt gibt’s Ärger. Wer (Feuer-)Waffen sammelt verhält sich nicht Regelkonform, ist ja schließlich nicht normal, machen die anderen ja auch nicht. Und man sollte die jeweils gültige political Correctness nachbeten, da ist man immer auf der richtigen Seite.

  3. Alexander Droste Antworten

    So etwas Ähnliches bekommt man auch als Autofahrer: Der Tacho zeigt 75 km/h, das Navi gleichzeitig 69 km/h. Erlaubte Geschwindigkeit 70 km/h; geblitzt. Beim ADAC gefragt ob denn das so stimmen kann? Jawohl, die Differenz ist gewollt und stimmt auch, das Navi spinnt nicht. Drei Wochen später Knöllchen. Sinngemäß: „Sie sind 77 km/h gefahren, das sind 7 km/h nach Abzug der Toleranz zu schnell, zahlen Sie 15 EURO binnen 7 Tagen ansonsten Anzeige.“ Jetzt beweisen Sie mal das Gegenteil.

    Prima Rechtsstaat, gell?

  4. Gisbert Britz Antworten

    @ Herr Schneider

    Oskar Gröning, 94, wurde zu 4 Jahren Haft verurteilt. Jeder, der IRGENDWIE mitgewirkt hat, ist schuldig. Dann gehöre ich mit 10 Jahren auch zu den Tätern. Ich habe für die NSV und das WHW gesammelt, mit Deutschem Gruß gegrüßt und das Horst-Wessel-Lied gesungen.

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