Bloß niemandem weh tun – so werden wir keine Probleme lösen

Sind wir alle unterwegs auf einem Narrenschiff? Spontan möchte man das bejahen, denn jeder hat sofort eine Vorstellung im Kopf, denkt direkt an die politischen und gesellschaftlichen Narreteien unserer Tage. Doch wer das Buch von Sebastian Brant aus dem Jahr 1494 kennt, weiß, dass der Vergleich schief ist, geht es in dem Werk doch um Laster und Sünde, um menschliches Fehlverhalten an sich. Gut, da könnte man als Autor vielleicht schon eine geschickte Brücke zum heutigen Deutschland schlagen…

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) rief heute früh im Radio auf der Welle 1Live dazu auf, den Hörern an Rhein und Ruhr mitzuteilen, ob sie beim Geschlechtsakt „die Socken anlassen oder nicht“. Zweifellos ein wichtiges Thema, für das wir alle gern unsere Zwangsgebüren entrichten.

Mehr als die wichtigen politischen Themen beschäftigt mich in dieser Zeit zunehmend das unglaublich Banale, das Doofe und Belanglose in Medien und Politik. Nachrichten – das heißt so, weil es ursprünglich Meldungen waren, nach deren Inhalt Menschen sich richten konnten, etwas aus ihnen lernen oder wenigstens Erkenntnisgewinn genießen. Aber wir erleben heute in einer Zeit dramatischer Veränderungen und Herausforderungen eine weiter fortschreitende Banalisierung. Sei es die in der Regel selten blöde Comedy im Staatsfunk, sei es der Sex mit oder ohne Socken, sei es – siehe Tagebuch heute – die Sperrung von 580 Metern Straße mitten in Hamburg für Dieselfahrzeuge, um das Weltklima zu retten.

Viele Politiker – ich befürchte die meisten in Deutschland – und Medien wollen sich gar nicht mehr damit befassen, was ist. Wollen gar nicht mehr analysieren und dann notwendige Entscheidungen treffen. Sie wollen Runde Tische, keinem Menschen weh tun, Kompromisse um jeden Preis, den großen wabernden lauwarmen Einheitsbrei. Aber sie wollen keine klare Kante, egal, um was es geht.

Ob das so weitergeht? Ob wir den Problemen unserer Zeit so beikommen können? Ich glaube das nicht.

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Dieser Artikel wurde 12 mal kommentiert

  1. W. Lerche Antworten

    Keine Entscheidungen, keine klare Kante, niemanden hart ansprechen… Das erlebe ich bei meinen mittelständischen Kunden so ausgeprägt wie noch nie zuvor. Bloß keine Namen nennen, bloß niemand verprellen, vor den Kopf stoßen, Druck machen. Man drückt sich vor verbindlichen Festlegungen, vor Entscheidungen, vor klaren Ansagen. Es geht scheinbar nur noch darum, ohne anzuecken durchzukommen, seine Stellung nicht zu riskieren, nicht vorhandenen Filz zu stören, sondern eher für sich zu nutzen. – Und in der Politik ist das ebenso. Es ist fast überall in unserem Lande so anzutreffen.
    Welch ein Genuss und Wohlgefühl, mal auf jemanden zu treffen, der seine Aufgabe ernst nimmt, sich damit verbunden fühlt, die Ärmel hochkrämpelt und konkrete Lösungen zum Ziel führt und…. der seinem Gegenüber fachlich kompetent in Respekt mit Freundlichkeit begegnet.

    Ich kann es mir nur so erklären, dass den nachfolgenden Generationen die Erfahrungen von Not und Leid fehlt, so wie es unsere Eltern leidlich erfuhren. Man weiß eigentlich gar nicht mehr, was man hat, wie schwer es zustande kam, man schätzt es nicht, man hat kein Gefühl für die Empfindlichkeit unseres Systems, indem ja alles geregelt und abgesichert scheint. Man sucht den leichten Weg. Lernen und Arbeiten ist schwerer als Fun. Die eigene Freizeit steht im Zentrum des Lebens. Man will keine Verantwortung, man will frei sein. Kinder kriegen – nein danke, das ist was für andere. Kinder können ja die Ausländer für uns kriegen…
    Mir fällt dazu nur das Wort Dekadenz ein.

    Man schaue sich mal einige langjährige Mitglieder des Bundestages genauer an! Ob es da wohl welche gibt, die täglich den Mund laut aufmachen, sich ständig nach vorne schieben, die noch nie in ihrem Leben ein Problem gelöst haben, die noch nie in einem Unternehmen wirklich gearbeitet haben, die gelernt haben, was Arbeit ist, die Ahnung haben von Management, von Sachfragen, die schon mal von eigener Arbeit gelebt haben? Was darf ich von solchen Leuten erwarten? Wie bekommen wir solche Leute ersetzt durch kompetente, sachkundige, in der Sache zielstrebige Leute?

    Das Schlimme am Narrenschiff ist, das wir als Volk unten im fensterlosen Rumpf zu rudern haben und den Obrigen mit deren Unfähigkeit ausgeliefert sind.

  2. Alexander Droste Antworten

    Welch erheiternde und hoch aktuelle Lektüre der kleinen Schrift „Lob der Torheit“ von Erasmus von Rotterdam. Er hat den Nerv der Zeit getroffen, schon vor 500 Jahren.

    Es scheint überaus wichtig zu sein, die Welt mit Banalitäten von Wichtigem abzulenken.

    Aber weh getan wird ja reichlich. Denken wir doch an Gendermainstreaming oder die faschistoide Sozisoße „Kampf gegen rechts“. Weh getan wird mit „Migration Replacement“, dem sagenhaften Experiment der multiethnischen und multikulturellen Demokratie gemäß Yasha Mounk.
    Oder ganz national tut der Teufelsbann gegen Deutsche weh, die sich konservativ für Deutsches und Deutschland äußern, für konservative Familien oder hohe Bildungsstandards, für die liberale und humanistische Gesellschaft. Weh tun Frühsexualisierung in den Kitas. Wer sich gegen (politisch motivierten) Islam äußert, wird entmündigt etc.

    Da wird so was von weh getan. Political Corektness ist ein Hirngespinst, das extrem weh tut allen Leuten, die selbstständig zu denken befähigt sind. Da wird Pipi Langstrumpf umgeschrieben, weil es so furchtbar ist, dass Pipis Papa Negerkönig in Takatuka ist.
    Dieselfahrverbot ist eine Boshaftigkeit ohne Logik aber mit System. Das ist ein Etappensieg der Grünen gegen das böse Auto; ein Etappensieg irgendwessen gegen eine deutsche Wirtschaft, die ja so mächtig ist (oder haben Sie schon irgendwelche Kampagnen dieser Art gegen Autokonzerne anderer Länder vernommen?). Stattdessen könnte man den Pendelverkehr besser managen, was nicht geschieht.
    Weh tut das ständige Auf-und Ab mit Nordkorea, die drohenden Kriege mit Russland, mit dem Iran, um Syrien etc.

    Aktionismus tut so weh, wenn er an der Realität vorbei schießt. Hauptsache sich profilieren, wie die Grüne Tante, von der Sie, Herr Kelle, neulich berichtet haben. Je mehr man seine Augen für diese Torheiten öffnet, desto mehr tut es weh.

    Ein Glück, dass man auch auf andere Dinge schauen kann und der Schmerz lässt allmählich nach. Die Natur ist wahrhaftig. Die tut zwar auch manchmal weh, aber man weiß wo man dran ist.

  3. S v B Antworten

    Im letzten Satz Ihres zweiten Abschnitts nennen Sie’s beim Namen: Dekadenz. Vermutlich stellt Dekadenz (das Hinunterfallen) einen Zustand dar, der sich per se nicht aufhalten lässt. Irgendwo im Verborgenen muss eine Schwerkraft lauern, der man nichts entgegensetzen kann. Und so werden wir wohl immer weiter fallen müssen; so lange bis wir eines Tages hart und schmerzhaft auf dem Boden der Realität aufschlagen. Eine rettende Reißleine ist nicht auszumachen.

  4. W. Lerche Antworten

    In der Politik, global wie national, geht es schon lange nicht mehr um Inhalte, Werte oder das Wohl von Bevölkerung. Für die, welche ihre Interessen emotionslos zielstrebig durchsetzen, hat so ein Geisterschiff nur Vorteile: Deren Offiziere müssen nicht mehr die Wahrheit sagen und die Medien vernebeln das. Die unsichtbaren Helfer des Geldes lassen es Dunkel werden. So ergibt sich das Titelbild von Herrn Kelle.

  5. colorado 07 Antworten

    Volksverdummung nennt man so etwas. Man braucht eben ein dummes Volk, mit dem man machen kann, was man will.

  6. Werner Meier Antworten

    Man wird täglich mit den neuesten Banalitäten über den US-Präsidenten Trump und über Alles, was linke Journalisten für „Rechts“ und „Nazi“ halten, bombardiert. Als ob das dubiose Atomabkommen mit dem Iran etwas am Weltfrieden verbessern würde! Die vom Iran weiterhin unterstützten Taliban beispielsweise erstarken trotzdem immer mehr in Afghanistan und schließen dort Schulen, während unsere „wackeren Helden“ der Bundeswehr den Hindukusch „verteidigen“. Durch unser blindes Vertrauen zum Iran setzen wir unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Saudi-Arabien aufs Spiel, das nun deutsche Firmen boykottieren will. Davon hört man erstaunlich wenig in unseren „Qualitätsmedien“. Was die Innenpolitik betrifft, bekommt man interessante Informationen nur über eigene Recherchen im Internet oder durch Exotenprogramme wie Phoenix mit, wofür den meisten Menschen die Zeit fehlen dürfte. Nur ein kleines Beispiel: Bei der Haushaltsdebatte kritisierte z.B. der AfD-Abgeordnete Dr. Espendiller, ein promovierter Mathematiker, dass 50 Milliarden Euro Steuergelder hinausgeworfen werden, weil Klimamodelle wissenschaftlich nicht nachvollziehbar sind. Bezeichnenderweise wiesen die Grünen diese Kritik ohne Argumente zurück. Außerdem beklagt er zu Recht das Ungleichgewicht zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Der Handwerkermangel ist doch ein alltägliches Problem, aber im ÖR kommen allenfalls Sonntagsreden und Ankündigungen statt Kritik an der Schieflage im Bundeshaushalt. https://www.youtube.com/watch?v=BRK9ANHErZM

  7. colorado 07 Antworten

    SvB, Sie haben recht. Banalität boomt, und wir sind mit schuld daran.

  8. W. Lerche Antworten

    Lieber Herr Kelle, ich bin überzeugt, dass wenn Sie den Verantwortlichen des von Ihnen richtig beschriebenen Zustandes persönlich in Ruhe und Sachlichkeit ansprechen, dann würden diese gar nicht verstehen, was Sie denen sagen. Das ist so, als wenn ein Farbenblinder kein Rot sieht und nicht mal weiß, was das ist. Es sei denn, er ist es selbst.
    Ein guter Verkäufer versteht in der Regel nicht, was Organisation und Strukturen bedeuten. Viele Geschäftsführer sind im Blut Verkäufer, die keinen Draht räumliche und zeitliche Strukturen haben, geschweige denn zu den Prozessen, die das zu verkaufende Produkt schaffen. Dafür können sie gut verkaufen, im Gegensatz zu den Mitarbeitern in der Produktion und Arbeitsvorbereitung, die eben nicht verkaufen können. So mag es auch mit den Politikern sein, die keine Ahnung davon haben, worum es eigentlich geht, wenn etwas geschaffen werden soll. Die Ruinen deutscher Großbaustellen singen ein Lied davon. Übrigens schafft es auch Elon Musk seit Monaten und Jahren nicht, seine Tesla-Produktion auf die Reihe zu kriegen. Die haben keine Erfahrung mit solch komplexen Strukturen und holen sich niemand, der das kann. Sie sind beratungsresistent und flüchten sich in ihr oberflächliches Weltbild.

  9. Tina Hansen Antworten

    Ich hatte es mal wieder nicht übers Herz gebracht, die Rundfunkgebühren pünktlich zu zahlen, bin dann jetzt aber – nachdem mir wegen der säumigen 116 Euro für ein Produkt, das ich nie bestellt und nur höchst selten konsumiert habe ein Zwangsvollstreckungsverfahren angedroht wurde – doch zur Bank gewetzt.

    Die Socken gehören übrigens aus. Eindeutig.

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