GASTSPIEL: Felix Honekamp über eine Kirche auf dem Weg in die Beliebigkeit

Über Jesus regt sich doch schon lange keiner mehr auf! Wie anders war da die Situation vor rund 2000 Jahren, als religiöses Establishment und staatliche Macht in der Botschaft von Glauben, Hoffnung und Liebe noch umstürzlerische Tendenzen vermutete? Jesus hat seinen Aposteln den Auftrag gegeben, die Kirche aufzubauen, mit ihm selbst als Fundament. Und nicht wenige meinen, eine Kirche wie die, die wir heute sehen – als katholische –, hätte er vermutlich nicht gemeint.

Dabei fehlt es nicht an guten Ratschlägen: Offener müsse die Kirche sein, mehr Liebe müsse sein, vor allem gegenüber den Sündern. Überhaupt: Sündenzentrierung ist ein immerwährender Vorwurf. Und wenn wir schon mal dabei sind: Sexualität – wenn es mal etwas gibt, an dem die Zeit vorbeigegangen ist, dann die Moralvorstellungen der Kirche in diesem Thema. Weitere Reizthemen gefällig? Ablehnung von Frauen als Priestern, Zölibat, Eheverständnis, Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Würde man nur endlich all das umsetzen, was Reformer vor Augen haben, dann hätte man die von Jesus gewünschte Kirche, dann wäre sie wahrhaft revolutionär.

Dabei müht man sich innerkirchlich gewaltig, gerade in Deutschland: Man sei hier ja schon viel weiter, müsse aber – leider, leider – den Rest der Weltkirche auch „mitnehmen“. In der Pastoral will man andere Wege gehen, unabhängig von Rom werden, mehr auf den Sünder zugehen, die Menschen dort abholen wo sie stehen, sie nicht überfordern. Und mit einem Auge schielt man dabei auf die evangelischen Landeskirchen, die viel von dem geforderten bereits umgesetzt haben. Immerhin haben sie es damit – trotz Mitgliederimplosion – erreicht, dass evangelische Bischöfe in Talkshows auch bei privaten Eskapaden als gesellschaftliches Gewissen fungieren dürfen – ihre Fehler machen sie ja gerade menschlich.

Die katholische Kirche müsse wieder Gehör finden, und darum müsse man die Sprache der Menschen sprechen, sich an ihrer „Lebenswirklichkeit“ orientieren. Daran, dass jede zweite oder dritte Ehe – je nach Statistik – geschieden wird? Daran, dass niemand mehr etwas anstößiges daran findet, die eigene Sexualität zum Politikum zu stilisieren? Und wenn jemand etwas nicht mehr als Sünde zu erkennen in der Lage ist – na, dann ist er doch unmöglich schuldig geworden. Der Geist der Zeit – so heißt es sogar von Bischöfen – müsse zur Quelle des Glaubens werden. Was nichts anderes heißt als: Die Kirche muss auf die Welt zugehen. Eine andere, nicht so gern verwendete Formulierung: Sie muss sich an die Welt anpassen.
Auf diesen Weg wird die Kirche gedrängt – sie lässt sich aber in weiten Teilen auch nicht lange bitten. In der verzweifelten Suche nach Relevanz werden strittige Themen und Widersprüche zum Zeitgeist geschleift und relativiert. Niemanden zurückzulassen bedeutet plötzlich, den Anspruch an die Menschen zu senken, statt ihnen zu zeigen, wie sie über sich hinaus wachsen können.

Und dann, was steht am Ende dieses Weges? Eine von der Welt geliebte Kirche. Wie wunderbar! Aber auch eine Kirche, die keine Widerworte gibt, keine Gegenwehr leistet, eine Kirche, deren Botschaften man so auch im Spiegel und der BILD lesen oder in Tagesthemen oder den RTL-II-News hören könnte. Eine Kirche, die kein Stein des Anstoßes mehr ist, an der sich niemand mehr reiben muss – so wie Jesus sich seine Kirche gewünscht hätte. Wirklich? Eine solche Kirche wird in Wahrheit nicht geliebt: Sie ist höchstens nützlich, wahrscheinlicher aber einfach unnötig. Eine Kirche, die kein Aufsehen erregt – wer braucht so eine Kirche noch? Wenn heute manche meinen, Jesus rege niemanden mehr auf, dann ist es wohl lediglich das Bild der Kirche, das die Menschen von Tag zu Tag, bis auf ein paar Details, mehr kalt lässt. Und sie arbeitet hart daran, dass das so bleibt. So eine Kirche soll Jesus vor Augen gehabt haben? Wenn die Kirche überall geliebt wird oder der Mehrheit egal ist, dann können wir sie zusperren. So lange katholische Positionen noch einen Aufschrei verursachen ist sicher: Diese Kirche wird noch gebraucht!

Felix Honekamp, Jahrgang 1970, ist ausgebildeter Diplombetriebswirt. Er bezeichnet sich selbst als konservativ, papsttreu und „strunzkatholisch“. Seit 2011 betreibt er seinen „Papsttreuen Blog“, in dem er sich intensiv mit theologischen Fragen und Kirche beschäftigt. Mehr unter: http://papsttreuerblog.de

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Dieser Artikel wurde 7 mal kommentiert

  1. Thomas Reuter Antworten

    Ich bin auch strunzkatholisch. Und deswegen arbeite ich mit daran, dass meine Kirche unbequem bleibt. Denn Glauben heißt vor allen Dingen, Vertrauen in die Menschen zu haben – weil Gott es auch hat. Allein das unterscheidet mich schon mal grundsätzlich von denen, die der Kirche am Zeug flicken wollen.

  2. Bernd Lommel Antworten

    Das ist das Gute am Papsttum: Ist eine Teilkirche (die Deutsche) schwach und ist bereit die Lehre Jesu Christi zu beugen, hilft die Universalität Seiner Kirche. Es wird auch in Deutschland wieder. Meist dann geht es der Kirche gut, wenn es ihr (finanziell) schlecht geht.

  3. Schrader,Dieter Antworten

    Ich bin „strunzevangelisch“ -ein tolles Wort- und danke meinem katholischen Mitchristen für seine mutige „Kirchenanalyse“. Sie trifft genauso auf große Teile meiner evangelischen Kirche zu. Aber,Gott sei Dank, gibt es auch dort noch lebendige Mitchristen, die der Ermutigung bedürfen und nicht im “ Mainstream“ mitschwimmen.

  4. Dr. Michael Müller Antworten

    Lieber Herr Honekamp,
    in meinem früheren Leben habe ich mal im Marketing gearbeitet. Da war es unsere Hauptaufgabe, für jedes Produkt bzw. jede Dienstleistung „Alleinstellungsmerkmale“ zu finden. Die „Reformer“ bzw. „Linkskatholiken“ wollen das Gegenteil erreichen; sie meinen, die „Attraktivität“ der Kirche sei zu steigern, indem sie ihre Alleinstellungsmerkmale aufgibt und „ununterscheidbar“ von der Welt wird. Das mag für eine KKKK (Käßmann-Küngsche-Kuschel-Kirche) reichen, die sich selbst genug ist. Mit der Botschaft Jesu hat diese Kirche nichts mehr zu tun; wahrscheinlich will sie das auch gar nicht, weil es zu anstrengend wäre.
    Meinen linkskatholisch-progressiven Freunden rate ich deshalb immer, zur evangelischen Kirche zu wechseln, die all die irdischen Freuden ja schon besitzt und bei Funk und Fernsehen sehr beliebt ist. Aber das tun sie nicht, denn dann könnten sie ja nicht mehr meckern – und das ist ja irgendwie ihr Lebenselexier.
    Als Kirche haben wir nun einmal eine Art „Geschäftsordnung“ – und die setzt sich zusammen aus Schrift und Tradition. Wem diese nicht passt, muß sich einen anderen Verein suchen. Wer Handball spielen will, soll zum Handballverein gehen und sich nicht beim nächsten Fußballverein beschweren, daß dort kein Handball gespielt wird.
    Im übrigen halte ich diese Selbstbespiegelungen für eine Art geistlicher Wohlstandsverwahrlosung, die dann aufhört, wenn die Menschen merken, daß sie auf einmal ganz andere Sorgen haben.
    Das Problem speziell der deutschen Amtskirche sehe ich auch nicht darin, daß sie zu konservativ, sondern zu saturiert ist und fett und faul am Subventionstropf der Kirchensteuer hängt. Aber auch das wird sich ändern.
    Es grüßt Sie Ihr ebenfalls „strunzkatholischer“ kirchentreuer Michael Müller aus Dortmund

    • Friedrich Albrecht Antworten

      Lieber Herr Dr. Müller,
      einfach toll, wie Sie das formuliert haben; ich kann Ihnen nur zustimmen. Herzliche Grüße aus Düsseldorf von einem Mitglied aus dem „strunzkatholischen“ Club.

  5. Ulf Friedrich Antworten

    Lieber Herr Müller,
    das bestreben Luthers war es, die Kirche wieder an der Bibel auszurichten. Sein Motto: „Zurück zur Heiligen Schrift“ („Solo scriptura“). Luther wies daher unbiblische kirchliche Praktiken von sich. An Gott hat sich Kirche auszurichten. Den Zeitgeist nachlaufen, wie es heute üblich ist, hat mit Gottes Geboten nichts zu tun. Ich bezeichne mich als Altlutheraner und weiß, wenn Martin Luther seine Kirche heute sehen könnte, würde er eine neue Reformation starten.

  6. Lama Felix Antworten

    Kirche, Gott und Glaube gehoeren u.a. zu meinen Lieblingsthemen. Bin mir fast sicher, dass ihr meine Meinung lieber nicht lesen wollt. Ich habe zum Thema Gott und Jesus an anderer schon etwas geposted.

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