Hayek-Tage in Potsdam: Handelsbeziehungen sind kein Garant für dauerhaften Frieden

„Kapitalistischer Friede“, so nennt man die im Westen weit verbreitete Auffassung, dass Handelsbeziehungen zwischen Staaten die Gefahr kriegerischer Konflikte minimieren, ja nahezu ausschließen. Russlands Präsident Wladimir Putin beweist der Welt gerade, dass der nationalistische Machthunger eine stärkere Antriebsfeder sein kann als gute Geschäfte.

Der Krieg gegen die Ukraine und die darauf erfolgten beispiellosen Sanktionen der USA, der EU und zahlreicher weiterer Staaten des Westens widerlegen die These vom kapitalistischen Frieden, denn neben den enormen Preissteigerungen auf unserer Seite, wird sich Russland in vielen Bereichen von der Schäden für die eigene Volkswirtschaft auf lange Jahre nicht mehr erholen. Aber das ist dem Kriegsherrn im Kreml offenbar egal.

Die Diskussion über den Krieg in der Ukraine zählte zweifellos zu den Höhepunkten der „Hayek-Tage“ in Potsdam am vergangenen Wochenende. Russlands Angriff auf die Ukraine habe den Krieg nach Europa zurückgebracht, stellte Moderator Malte Fischer (Wirtschaftswoche) fest und fragte „Warum sollte ein Staat Bomben auf seine Lieferanten und Kunden werfen?“

Ja, warum sollte er das? Die Antwort gibt Putin in diesen Monaten: um „russische Erde einzusammeln“ und um zumindest Teile der ehemaligen Sowjetunion wie die Ukraine und Weissrussland heimzuholen ins verloren geglaubte russische Großreich.

Prof. Dr. Erich Weede von der Universität Bonn stellte klar, dass Großmächte nun einmal „Einflussspähren“ für sich beanspruchten. Das machen die Amerikaner mit ihrem „Hinterhof“ so, und das will auch Russland. Aus Weedes Sicht, sei es der Ukraine jetzt angeraten, sich entweder besiegen zu lassen oder zu kapitulieren. Denn: „Je härter die Sanktionen des Westens in Russland Wirkung zeigen, je erfolgreicher der Widerstand der ukrainischen Streitkräfte mit westlichen Waffen sei, desto größer werde die Wahrscheinlichkeit, dass ein in die Enge getriebener Putin taktische Atomwaffen einsetzen werde.

Der Publizist und Unternehmer Dr. Dr. Rainer Zitelmann widersprach vehement der These, dass Russland inzwischen ein kapitalistisches Land sei. „Putin ist unfähig, für seine Bevölkerung Wohlstand zu schaffen“, behauptet Zitelmann und nannte die Russische Föderation eine „Kleptokratie“, also eine Art Selbstbedienungsladen der Mächtigen und Reichen, denen der Lebensalltag der eigenen Bevölkerung egal sei. Und wenn ein Land „wirtschaftslich nichts auf die Reihe bekommt“, dann führe es halt Kriege, um die Bevölkerung bei der Stange zu halten: in Tschetschenien und in der Ukraine.

Prof. Dr. Stefan Kooths (Kiel) zeigte sich zuversichtlich, dass es möglich sein werde, nach dem Krieg in der Ukraine wieder Handelsbeziehungen zur Russischen Föderation aufzunehmen. Aber der Verlust von Wohlstand seiner Bürger oder tote Soldaten, das interessiere jemanden wie Putin nicht, wenn er seine Ziele durchsetzen will.

Interessante Fakten lieferte Prof. Weede ganz am Schluss der überaus spannenden und auch kontroversen Diskussion mit dem Publikum. Natürlich sei es möglich, dass Russland einen Teil der durch die Sanktionen verursachten Schäden durch Handel und Lieferungen an China kompensiere. Dass könne allerdings dazu führen, dass Russland auf mittlere Sicht zu einem „chinesischen Satelliten“ werde.

Vor 40 Jahren habe die Verteilung der Wirtschaftskraft zwischen Sowjetunion und China 4:1 zugunsten Moskaus betragen. Heute stehe es zwischen Russland und China 1:10 zugunsten Pekings, das ein moderner und innovativer, ja kapitalistischer Staat geworden sei, anders Russland, das weiterhin hauptsächlich von dem lebe, was es an Bodenschätze habe, sich aber ökonomisch kein Stück weiterentwickle.

„Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen“, resümierte Weede, aber Putin werde mit seinen Eroberungen „nicht froh“ werden, weil er inzwischen zum international geächteten „Paria“ geworden sei.

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Dieser Artikel wurde 7 mal kommentiert

  1. Angelika Antworten

    „Handelsbeziehungen sind kein Garant für dauerhaften Frieden“:
    Vor 1914 dachten die meisten, dass es nie wieder einen Krieg zwischen den europäischen Mächten geben kann, weil z.B. England und Deutschland im Handel viel zu abhängig voneinander seien. Die Realität zeigte schon damals anderes. Man musste für die Erkenntnis also nicht auf den Ukraine-Krieg warten.

    • H.K. Antworten

      War schon bezeichnend, wie gestern abend bei Lanz Stefan Weil sich gewunden hat, als es um Gas-Geschäfte incl. -terminals und Durchleitungen sowie den Verkauf an die Russen ging – 2015, ein Jahr nach der Annexion der Krim.

      Dümmer geht immer …

  2. Angelika Antworten

    „Der Publizist und Unternehmer Dr. Dr. Rainer Zitelmann widersprach vehement der These, dass Russland inzwischen ein kapitalistisches Land sei.“:
    Die anderen von Ihnen gebrachten Ausführungen sind sinnvoll, aber Herr Dr. Dr. Rainer „I love capitalism“ Zitelmann war früher glühender Maoist, heute ist er glühender Kapitalist. Was wird er morgen sein?
    Linke sagen: „Das war gar kein Sozialismus.“ Zitelmann sagt „Das war gar kein Kapitalismus.“

  3. Konrad Kugler Antworten

    Wessen Machthunger?
    Rußland hat sich nach dem Zusammenbruch vom militanten Kommunismus bekehrt, ist normal geworden und hat den Warschauer Pakt aufgelöst. In Rußland werden Kirchen gebaut und die Hauptkirche der russischen Streitkräfte wurde nach 19 Monaten Bauzeit zum Jahrestag des Sieges über Deutschland eingeweiht. Die Ikone des Heiligen Mandylion soll Putin gestiftet haben, der auch des öfteren Ikonen geküßt hat.
    Was hat in der Zwischenzeit die US-NATO gemacht? Sie hat Rußland umzingelt. Nebenbei hat sie in 23 Jahren 9 Kriege initiiert und Länder zerrüttet. Die 10. Aktion, die gegen Weißrußland ist gescheitert, aber die 11. ist die Ukraine. Seit dem Maidan 1914 führt die ukr. Armee und die Nazis einen Krieg gegen den Donbas. Die Gebäudeschäden stammen nicht von Bombardierungen, sondern sind Schäden durch Beschuß. An einem Tag bekam Donezk 180 Raketentreffer. Nachdem der Donbas hauptsächlich von Russen besiedelt ist, werden die russischen Angriffe nicht diesem gelten, sondern den ukr. Streitkräften, die dort schon für einen Angriff stationiert waren. Sonst wären die beiden Volksrepubliken schon frei und es wäre Ruhe.
    Ich habe die Reden Putins gelesen und mir war klar, daß die Lösung eine neutrale Ukraine inklusiv Kastrierung der Nazis plus beidseitiger Sicherheitsgarantien ist. Der Westen provozierte weiter zu gunsten der Waffenindustrie und die kann jetzt liefern zum Zerstören derselben und zur Flutung des Schwarzmarktes.
    Es kommt zu keinem Atomschlag.

    • H.K. Antworten

      Sie haben vergessen, die Bombardierungen der Amerikaner in Syrien zu erwähnen.

      „ Es kommt zu keinem Atomschlag.“

      „Wir werden die Ukraine nicht angreifen“.

      „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“.

      Na, dann ist ja alles gut …

  4. H.E. Antworten

    Dieses Argument habe ich in dieser Absolutheit noch nie vernommen. Handelsbeziehungen verhindern natürlich kriegerische Auseinandersetzungen nicht, sie machen sie nur unwahrscheinlicher. Am aktuellen
    Sanktionsbeispiel ist aber gut zu sehen, dass Handel zu Wohlstandsgewinnen beiderseits der Grenzen führt.
    Die Sanktionen des Westens schwächen Russland – u.a. da sich viele Länder von Brasilien über Indien bis China nicht beteiligen – weniger, als uns.
    Hier verarmen ja nicht nur große Teile des Mittelstandes, sondern wir werden mangels erschöpfter finanzieller Möglichkeiten langfristig nicht verteidigungsfähiger.
    Vielleicht sollten die Sanktions- und Waffenlieferungsfreunde mal intensiver diese Folgen bedenken, anstatt die Skeptiker als Putinfreunde herabzusetzen.
    Im übrigen schließe ich mich Prof. Weede an: Die Russen werden wenig Freude an den Eroberungen haben. Die Aufbaukosten werden immens sein.
    Dagegen irrt der geschätzte Prof. Weede m.E. mit seiner Begründung. Putin wird in Asien, Afrika oder Südamerika mitnichten als Paria betrachtet.
    Und der Westen wird/muss demnächst wieder sehr gerne Rohstoffe, Düngemittel und fossile Energien aus Russland importieren.
    Je früher, desto besser!
    Frau Baerbock und Herr Habeck mögen gerade sehr beliebt sein, von ökonomischen Zusammenhängen verstehen sie – wie leider auch viele Journalisten – nichts.
    Insofern sollten sie vielleicht auch einmal eine Hayek-Veranstaltung besuchen.
    Sie könnten dort wohl viel lernen 😎

    • Angelika Antworten

      Vor allem schaden die Sanktionen auch unserer Industrie. Denn zum Einen erhalten die Staaten außerhalb des Westens billigere Energie und Rohstoffe von Russland. Das macht europäische Unternehmen nicht konkurrenzfähiger.
      Zum anderen übernehmen sie einen weiteren Absatzmarkt ohne Konkurrenz.
      Vor allem muss jedem Westler klar sein: Das ist kein Embargo oder „Engagement“ der Welt gegen Russland. Sondern nur ein Konflikt des „Westens“ (Nordamerika, Europa, Japan, Südkorea) gegen Russland.
      Und die Frage lautet: „Sterben für Kiew?“
      Man kann dazu Ja sagen. Aber ich glaube nicht, dass die Welt durch diese Entscheidung um irgendwas besser wird. Die „Welt“ geht über den Westen hinweg. Selbst die USA scheinen nicht mehr die Macht zu haben, andere Staaten zu zwingen.

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