Was man früher als Auto bezeichnete, sind heutzutage raumschiffgleiche Gefährte, die allerlei Spielereien ihr Eigen nennen, von denen man viele – wenn wir ehrlich sind – nicht wirklich braucht. Ich gebe zu, dass ich so ein Navi inzwischen wirklich zu schätzen weiß, auch wenn es mich ein wenig stört, einer Frauenstimme jederzeit willenlos folgen zu müssen. Das ist auch eine subtile Diskriminerung, denn die Ansage „Sie haben ihr Ziel erreicht. Das Ziel ist rechts“, gesprochen mit der Stimme von Björn Höcke wäre in großen Teilen Ostdeutschlands ein Verkaufsschlager.

Gut, Gaspedal, Bremse ist auch wichtig, aber ich mag es, wenn mir die Anzeige im Display sagt, wann ich Luft auf die Reifen pumpen soll, wann der Tank fast leer ist und ergo ich eine Tanke suchen muss. Oder das Motoröl zu Neige geht.

Auf dem Weg zu einem Geschäft, in dem ich mit Weihnachtseinkäufen locker beginnen wollte, teilte mir das System mit, ich solle Öl nachfüllen. Also Stop an der Aral meines Vertrauens. Nun muss ich zugeben, ein Auto ist für mich ein reiner Gebrauchsgegenstand ohne jedes erotisches Kribbeln beim Öffnen der Motorhaube. Und ob ich F 12 oder F 100-Öl brauche, das weiß ich schon mal gar nicht. Also Frage an die Fachkraft an der Kasse, der mir emfahl, in der Betriebsanleitung nachzuschauen. Und auf meine Nachfrage, ob er es mir vielleicht einfach sagen könne, bekannte er, auch keine Ahnung zu haben. Das ärgerte mich so, dass ich grußlos ging und zur nächsten Tanke fuhr.

Dort gab es eine Frau, die es zwar auch nicht wusste, aber mir dann ihr Öl empfahl weil O-Ton: „BMW und Mitsubishi ist ja ungefähr das Gleiche.“ So machten wir es dann. An der Kasse drei Fachkräfte. Einer musste gerade für einen anderen Kunden eine Bratwurst wenden. „Meine“ musste umständlich erstmal zwei Minuten lang eine Schürze anziehen. Eine dritte drehte sich um und schaute regunglos ins Nirwana. Ich stand derweil mit meinem Portemonaie da allein rum und fühlte mich ziemlich überflüssig. Irgendwann durfte ich losfahren und erreichte das Geschäft.

Ich erwarb Waren im Wert von zusammen 11.48 Euro. An der Kasse wartete ich geschlagene 13 Minuten, bis ich bezahlen durfte. Vor mir war eine Frau dran, deren erworbene Eierbecher und Teller einzeln mit Papier umwickelt und liebvoll verpackt wurden. Eine zweite Kasse wurde nicht geöffnet. Wahrscheinlich stehen einige der Kunden hinter mir immer noch da. Als ich das Geschäft verließ, sehnte ich mich nach Amerika. Da gelten zahlende Kunden noch etwas…

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Dieser Artikel wurde 15 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Realsatire – großartig!

    Das hat mir den Tag gerettet, danke.

    Übrigens: Alles ganz normal heute.

  2. HK Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    Sie SIND aber auch anspruchsvoll …

    Waren Sie schon einmal auf Kuba und haben versucht, in einem Lokal etwas ( nach-) zu bestellen ?

    😉

    • Klaus Kelle Antworten

      Nein, aber für eine Cohiba und einen Mohito unter karibischer Sonne würde ich durchaus etwas warten, jedenfalls lieber als an einer Aral-Tankstelle..

  3. Ruth Antworten

    Aber Herr Kelle, kann man die Stimme bei Ihrem Navi nicht individuell anpassen, ich hatte mal eine Stimme, die hieß ALI mit entsprechendem Akzent. Es war zum Brüllen komisch. Man konnte auch Schweizer Deutsch, Sächsisch, oder Hessisch wählen, immer in männlicher oder weiblicher Form.

    Tankstellen sind heute nur noch „überteuerte“ Supermärkte und haben mit Service rund ums Auto nur noch sehr selten etwas am Hut.

    Lassen Sie sich nicht unterkriegen!

    • Klaus Kelle Antworten

      Lieber Ruth, ein Freund hatte mal eine „Marie aus Paris“ als Sprecherin mit französischem Akzent auf dem Navi. Das war der Hammer leicht schlüpfrig, was wir Konservativen natürlich prinzipiell ablehnen….

  4. S v B Antworten

    Ein herrlicher Artikel, Herr Kelle! Eigentlich gerade im trüben November eine hochwillkommene Gelegenheit, mal wieder richtig zu lachen. Eigentlich, denn im Grunde sind die von Ihnen geschilderten Erlebnisse enorm deprimierend. Allerdings kann man wahrscheinlich darauf wetten, dass der tiefste Punkt im Service-Wüsten-Jammertal bei weitem noch nicht erreicht ist. Dass mit der Zeit alles noch erheblich schlimmer werden könnte. Eines nicht mehr allzu fernen Tages könnte es nämlich geschehen, dass wir den jetzt herrschenden Verhältnissen…..nachtrauern! Meiner Erfahrung nach gibt es jetzt schon kaum noch eine Dienstleistungssparte, in welcher man als Kunde regelmäßig mit zuvorkommender und fachlich versierter Zuwendung rechnen kann. Mitunter packt einen das Gruseln. – Hoffnung kann gegenwärtig wohl nur noch in die ungezählten Fachkräfte gesetzt werden, welche dankenswerter Weise auch in den hiesigen Dienstleistungssektor drängen. Dies alles nur aufgrund eines besonnenen und vorausschauenden Grenzmanagements, welches Deutschland bis heute erfolgreich betreibt.

  5. Wolfgang Heppelmann Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    eine Empfehlung, ganz uneigennützlich: Schaffen Sie sich einen älteren „Ossi“ an. Der kann in der Regel mindestens zehn Berufe. -Mußte er früher auch, denn was im Osten = DDR, einer nicht selbst machen konnte, bekam er sonst nur durch „Beziehungen“ oder mit „Blauen Fliesen“= Westmark, auch „Devisen“ genannt. Ich meine, jedem „Wessi“ steht ein „Leih-Ossi“ zu, dann wird das schon.

    …Und vor mir war eine Frau dran…Das kenne ich auch. Wenn ich in der Menschenschlange stehe, habe ich fast immer ein, oder zwei Euro abgezählt in einer Hand und die Scheine griffbereit in der anderen. Das geht sehr schnell. Aber da gibt es die älterwerdenden Hausfrauen. Oh je ! Wenn die irgendwann bemerkt haben, daß nun endlich alles in den Handtaschen verstaut ist, stellen sie irgendwann fest, daß sie ja gelegendlich nach dem Geld suchen könnten. Das Suchen nach den ein-cent-Stücken ist dann besonders unterhaltsam, ebenso die entscheidungsfindung, in welche Tasche das Portemmonaie danach zu verstauen währe, wenn sie diese denn auch gleich treffen könnten. Ein leider, wenn auch lustiges, doch zeitraubendes Unterhaltungsprogramm. Das ist das Spiegelbild zu versagender Dienstleistung und steht ihr in nichts nach.

  6. W. Lerche Antworten

    Wenn Geld an Wert verliert, dann verlieren zahlende Kunden an Wert.
    Frei nach dem Motto: „Kunde droht mit Auftrag“

  7. Bernd Georgius Antworten

    Keine Sorge das wird schon noch, Merkels „Fachkräfte“ müssen nur noch ein bisschen Deutsch pauken.

  8. Bernd Minzenmay Antworten

    Also, wer im Ernst glaubt, dass der alte Papier-Macho Klaus Kelle das ernst gemeint hat mit: „einer Frauenstimme jederzeit willenlos folgen zu müssen“, das würde ihn (na immerhin nur) „ein wenig“ stören, der kennt nicht seine fantastische Frau Birgit Kelle !!

  9. GJ Antworten

    An den Kassen von Tankstelle oder bei uns im Rewe sitzen überwiegend Minijobber. Da braucht man mit Sachfragen nicht zu kommen. Da wird nur die Kasse bedient und roboterartig gefragt „Haben Sie eine Payback-Karte?“ Oder „Postleitzahl.“ Am Freitag war ich mit Kollegen nach der Arbeit in einem Cafe. Einer bestellte aus der Karte einen Pharisäer. Die Bedienung fragte, was das sei. Und dann fragte sie, wie man das schreibt, damit sie es auf ihrem Block notieren kann.

  10. W. Lerche Antworten

    So entwickelt sich das, wenn kaum noch jemand einen Beruf lernt und stattdessen fast alle studieren, obwohl dafür der Geist nicht reicht.

  11. H.-J. Wilms Antworten

    Verschissmus — statt Faschismus.
    Die Mitarbeiterin hat sich verhört.
    Ich hab‘ mich kringelig gelaht ob soviel Blödheit.

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